Ein Verfahren nach §129a heißt Überwachung aller Lebensbereiche, heißt die Bullen in der Wohnung stehen haben, heißt Treffen mit Anwält_innen, heißt Nervkram ohne Ende, heißt Solidarität erfahren, heißt wissen, was sich ja eh alle denken, heißt sich anhören, dass doch eh alle abgehört werden, heißt sich umgucken, heißt ein komisches Gefühl im Bauch, heißt nicht mehr telefonieren mögen, ist die Suche nach Aktionsfähigkeit und macht irgendetwas mit unserem Leben, was wir nicht wirklich einordnen können. Um zu verdeutlichen, in welche Bereiche ein solches Verfahren eingreifen kann wollen wir euch einige kurze Episoden erzählen, die seit den Durchsuchungen am 9. Mai stattgefunden haben. Es handelt sich hierbei nicht um eine Analyse des Verfahrens oder eine Zeitleiste der Ereignisse, sondern vielmehr um den Versuch greifbarer zu machen, was die Repression nach §129a für Einzelne bedeuten kann.
Na, dann wird der Widerstand ja immer breiter...
Hatten viele von uns bisher noch die Hoffnung, die Repression würde sich auf einen selbst und die politische Arbeit beschränken, wurden wir spätestens Ende September eines „besseren“ belehrt. Auf der Arbeitsstelle eines Beschuldigten erschienen 2 LKA Mitarbeiter und verlangten Auskunft über weitere Mitarbeiter, da diese sich bei der Abstimmung ihrer Arbeit angeblich so verhalten hätten, dass der Verdacht bestehe ein Dritter wäre geschädigt worden. Sie hätten das im Juni durch das Abhören des Telefons der Arbeitsstelle erfahren. Das heißt auch noch über einen Monat nach den Hausdurchsuchungen wird gesammelt und ausspioniert, weit über den politischen und privaten Bereich hinaus. Hierbei werden z.B. auch Mitarbeiter_innen von Betroffenen ausspioniert.
Macht nix, Geld finden wir ja eh Scheiße.
Ende Juli bekam eine Person Post von der Dresdner Bank, in der die Bank kurz mitteilt: „es ist uns leider nicht möglich, ihr Konto weiterhin zu führen“ und unter Berufung auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Konto binnen weniger Wochen kündigt. Ein Grund wird nicht genannt, auf Nachfrage heißt es lediglich: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu den Gründen für die Kündigung der Kontoverbindung nicht weiter äußern wollen.“ Das ist auch nicht nötig, denn der einzig vorstellbare Grund ist eine Reaktion der Bank auf das Einsehen der Buchungen durch das BKA. Für die betroffene Person heißt das wieder ein bisschen Ärger mehr.
„Militante linksextreme Subjekte
terroristische Vereinigung ultralinke Vögel Nein Danke“ dekoriert mit einer durchgestrichenen Friedenstaube klebte einen Tag nach der Durchsuchung neben der Wohnungstür. Darunter klebte der aktuelle Spiegel-Online Artikel zu der Razzia am 9. Mai. Der Vermieter, der schon seit langem die Mieter loswerden will, war am Vortag schon von der Polizei als einziger Zeuge zur Durchsuchung gebeten worden. Die Betroffenen dagegen durften bei der Durchsuchung nicht dabei sein. Im Juni schaltet sich dann der Vermieter wieder ein und bemerkt zu Nachfragen zu den Betriebskosten: Der Hauswart „hat also auch eine gewisse Überwachungsaufgabe übernommen.“ Im Haus sei ein stetiges ein und aus „Wen wundert es dann, daß die Polizei die Häuser im Auge hat, weil hier kriminelle Vereinigungen vermutet werder bzw. wurden.“ Seitdem gibt es angeblich vermehrt Beschwerden von Nachbar_innen, die der Vermieter in Briefen anmahnt.
Na dann erinnern die sich wenigstens an dich.
Anfang Oktober kamen Zeuginnenvorladungen des BKA gegen mehrere ehemalige Mitbewohnerinnen von Betroffenen. In dem Verfahren, das seinen bisherigen Höhepunkt in den Durchsuchungen am 9. Mai hatte (129a1), sind das neben der staatsanwältlichen Vorladung die gleich bei der Durchsuchung mitgebracht wurde, die ersten ihrer Art. Zusätzlich zu den vorhandenen Problemen kommt die Sorge um noch mehr Freund_innen.
129a für die ganze Familie
Nachdem keine der Zeuginnen mit dem BKA geredet hat (Anna und Arthur und so) waren sich die Beamt_innen nicht zu schade, bei Eltern der Beschuldigten vorzusprechen und ihnen anzubieten eine Aussage zu tätigen. Frei nach dem Motto „probieren können wir es ja mal“ und „so eine Aussage“ könne ja auch entlasten. Doch auch diese Tricks brachten sie nicht weiter. Alle Betroffenen - und das sind eben auch Freund_innen und Familien - brauchen breite Unterstützung.
Alle gemeinsam nach vorn.
Mitte Oktober dann die Veranstaltung der verschiedenen Soligruppen in der Roten Flora. Die Halle ist voll. Danach Fragen, Reden, Diskutieren. Es gibt Unterstützung und Zuspruch aus allen Ecken. Solidarität, die auch uns nach vorne bringt. Das BKA und die anderen Repressionsbehörden wollen uns isolieren und klein machen. Wir sollen unsere Meinung für uns behalten und aufhören uns für unsere Ziele einzusetzen. Denn wir wollen vieles anders. Wir wollen eine andere Welt, eine Welt in der es um Menschen geht und nicht um Profit. Nicht mehr und nicht weniger. Wir wissen nicht wo es hingeht, aber der Abend hat uns einmal mehr gezeigt: Sie haben den Stein erhoben und er wird ihnen auf die Füße fallen. Wir lassen uns nicht unterkriegen und werden unsere politische Arbeit weiterführen. In diesem Sinne: Gemeint sind wir alle, macht Aktionen, beteiligt euch an den Soligruppen, seid/ bleibt/ werdet kreativ.
Geld brauchen wir trotzdem und das nicht zu knapp, also spendet reichlich und sagt das auch gerne weiter. Bei dem hier angegebenen Spendenkonto handelt es sich um ein gemeinsames Konto der Verfahren von Mai und Juni (129a1 und 129a2). Auch als Versuch um zu verdeutlichen, dass bei einem Angriff auf die Linke gemeinsam reagiert werden muss.
Rote Hilfe e.V.
Kto Nr.: 191 100 462
BLZ.: 440 100 46
Postbank Dortmund
Stichwort: Razzien 2007
129 bpm statt §129a. Gemeinsam Kämpfen, Streiten, Leben, Tanzen.
Source: http://gemeintsindwiralle.selfip.net