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22.09.2007

Erklärung der Projektwerkstatt auf Gegenseitigkeit (PAG) zu den laufenden 129a-Verfahren

Als am 9. Mai diesen Jahres eine Welle von Hausdurchsuchungen gegen den
G8-Widerstand stattfand, waren auch 6 Menschen aus der Projektwerkstatt auf
Gegenseitigkeit betroffen. Offizieller Anlass für die Durchsuchungen war
damals die Behauptung des Bundeskriminalamtes (BKA), dass es eine
„terroristische Vereinigung“ (Paragraph 129a Strafgesetzbuch) gäbe, die für
zahlreiche Brandanschläge und Farbbeutelwürfe verantwortlich sei. Inzwischen
hatten die Beschuldigten die Möglichkeit einen kleinen Teil der Akten zu
diesem Strafverfahren (immerhin 33 Aktenordner) zu sichten. Dabei wurde klar,
dass es einerseits an ernsthaften Hinweisen für die Existenz einer solchen
„terroristischen Vereinigung“ mangelt und andererseits auch belastbares
Material für die Tatbeteiligung der Beschuldigten an irgendwelchen Anschlägen
fehlt. Aus den Akten wird nur deutlich, dass die Beschuldigten politisch
aktiv sind, teilweise an der Vorbereitung der G8-Proteste beteiligt waren und
einige der Beschuldigten sich kennen, da sie z.B. in der PAG
zusammenarbeiten. Ansonsten wird in den Akten spekuliert, dass die älteren
Beschuldigten die Anschläge planten, aber wegen ihres Alters die Ausführung
den jüngeren Beschuldigten überließen. Aber beim Formulieren von
Bekennerschreiben könnten sie dann wieder mitgewirkt haben.

Bild: Durchsuchung 9. Mai

Hierbei handelt
es sich um die Phantasien von PolizeibeamtInnen und GeheimdienstlerInnen.
Belastendes findet sich in den Akten an keiner Stelle.
Dafür sagen die Akten aber sehr viel über die Arbeitsweise des BKA aus. Über
Monate wurden Telefonanschlüsse überwacht, Telefonate akribisch notiert,
Zehntausende E-Mails mitgelesen und beobachtet, welche Internetseiten gelesen
wurden. Briefe wurden abgefangen und gelesen, Autos mit Peilsendern versehen
und Handystandorte geortet um so Bewegungsprofile der Betroffenen zu
erstellen. In Autos wurden Wanzen installiert, so dass dort geführte
Gespräche belauscht werden konnten. Und es fanden zahlreiche Observationen
statt, Hauseingänge wurden per Video überwacht. Die schlussendlich
durchgeführten Hausdurchsuchungen waren also nur ein vorläufiger Höhepunkt
umfangreicher Überwachungsmaßnahmen. Dabei wurden nicht nur die Betroffenen
stark in ihren Bürgerrechten eingeschränkt, sondern auch alle Menschen mit
denen sie in diesem Monaten kommunizierten – und das sind Hunderte. Und
niemand weiß bisher, in welchem Umfang die Überwachungsmaßnahmen nach den
Hausdurchsuchungen weitergingen.
In den Akten finden sich auch immer wieder Hinweise auf die PAG. So sind ganze
Arbeitsgruppenprotokolle enthalten, auch PAG-Zeitungen finden sich und
mindestens eines unserer Treffen wurde observiert. Dabei ist keinerlei
Zusammenhang zu den Ermittlungen ersichtlich. Wieder mal ein Beleg für die
These, dass es dem Staat bei diesen 129a-Verfahren nicht um die Aufklärung
irgendwelcher Straftaten geht, sondern um die Ausforschung politischer
Zusammenhänge. Wir sind nicht bereit, dieses Vorgehen hinzunehmen. Wir
fordern den Stopp aller Überwachungsmaßnahmen, Brief-, Telefon- und
Postgeheimnis müssen uneingeschränkt gelten.

In den letzten Monaten kam es zu weiteren Hausdurchsuchungen wegen anderer
linker „terroristischer Vereinigungen“. In einem Fall sitzen zur Zeit 3
Menschen in Untersuchungshaft. Alles was wir bisher über diese 129a-Verfahren
erfahren haben, weist darauf hin, dass das BKA auch hier Zusammenhänge
konstruiert und nach dem selben Muster vorgeht.

Wir fordern die Freilassung der Gefangenen, die Einstellung aller
129a-Verfahren und die Abschaffung dieses Ausforschungsparagrafen.

weitere Informationen:

  • http://gipfelsoli.org/Repression/129a und
  • http://einstellung.so36.net/

Die Projektwerkstatt auf Gegenseitigkeit (PAG) ist ein Netzwerk
gemeinschaftlicher Projekte aus Berlin und Brandenburg zur Entschärfung von
Privateigentum. http://www.gegenseitig.de/

(22.09.2007)