(Update) Arbeitspapier der "Working Party on Terrorism" enthüllt: EU will politischen Aktivismus als terroristische Aktivität definieren und durch Informationsaustausch via Geheimdienstnetzwerk bekämpfen Die Europäische Union hat in den vergangenen Monaten wiederholt festgestellt, dass politische Aktivisten nicht unter die neue Anti-Terrorgesetzgebung fallen. Die Unterscheidung zwischen politischen Aktivisten und Terroristen werde nicht verwischt werden, hieß es. Neue Vorschläge aus Spanien, das gegenwärtig die EU-Präsidentschaft innehat, weisen jedoch in eine andere Richtung.
Laut der spanischen Regierung hätten die Mitgliedstaaten "eine graduelle Steigerung der Gewalt und der kriminellen Sachbeschädigung, ausgelöst von radikalen extremistischen Gruppen, bei verschiedenen Treffen der EU erlebt, wodurch die Gesellschaft eindeutig terrorisiert wird".
In den Augen Spaniens sind die Handlungen der kritisch gegenüber der Globalisierung eingestellten Aktivisten zweifelsfrei terroristische Aktivitäten. Sie seien das Werk "eines losen Netzwerks, das sich hinter verschiedenen sozialen Anliegen verbirgt", worunter Spanien "Organisationen" versteht, "die sich ihren rechtlichen Status zum Vorteil machen, um die Ziele terroristischer Gruppen zu unterstützen und zu begünstigen". Laut dem spanischen Vorschlag werde "gewalttätiger urbaner Protest von Jugendlichen zunehmend als Handlanger für eigene kriminelle Ziele benutzt".
Deshalb möchte Spanien eine standardisierte Form für den Austausch von Informationen über diese "terroristischen Vorfälle" einführen. Spanien will, dass das BDL-Netzwerk für den Austausch dieser Informationen benutzt wird. Dieses Netzwerk gehört zum 'bureaux des liasons', der Stelle für den Austausch geheimdienstlicher Information zwischen den Mitgliedstaaten. Das Ziel des Informationsaustauschs ist es, "das Entstehen solcher Situationen bei zukünftigen Konferenzen der EU und anderer internationaler Organisationen vermeiden zu helfen" und "den gewalttätigen, urbanen, jugendlichen Radikalismus strafrechtlich zu verfolgen".
Die Europäische Arbeitsgruppe über Terrorismus, in der für die Terrorbekämpfung zuständige Experten der Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste aus allen Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, beschäftigt sich nun mit den spanischen Vorschlägen. Nach den Anschlägen vom 11. September in den Vereinigten Staaten hat sich die EU auf neue Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus geeinigt. Die EU führte eine allgemein verbindliche Definition des Terrorismus und einen europäischen Haftbefehl ein. Bürgerrechtsgruppen befürchteten, dass durch diese neue Gesetzgebung politischer Aktivismus kriminalisiert wird. Doch die Justizminister der Mitgliedstaaten stellten wieder und wieder fest, dass die neuen Maßnahmen nur gegen Terroristen gerichtet sind. Politischer Aktivismus, auch wenn er im Verlauf von Demonstrationen zu gewalttätigen Ausschreitungen führt, würde nicht in die Zuständigkeit der neuen Maßnahmen fallen.
Die neuen spanischen Vorschläge weisen allerdings in eine andere Richtung. Politischer Aktivismus und soziale Bewegungen werden direkt mit Terrorismus in Verbindung gebracht. Informationen sollen über geheimdienstliche Kanäle der EU ausgetauscht werden, um politische Aktivisten strafrechtlich zu verfolgen. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Spanien feststellt, dass politische Aktivisten den Zielen von Terroristen "helfen und Vorschub leisten". "Helfen und Vorschub leisten" ist einer der Punkte in der neuen Liste zur Definition terroristischer Aktivitäten der EU.
Spanien hat eine ganz spezifische Einstellung zum Terrorismus. Während der 1. Europäischen Konferenz über Terrorismus in Madrid im Januar 2001 sagte der spanische Innenminister, Jaime Mayor Oreha: "Terrorismus besteht nicht nur in Form von aktiven Gruppen von Kommandoeinheiten, es ist auch ein Projekt, das versucht, Wurzeln in der Gesellschaft zu fassen. Um ihn zu bekämpfen, ist es auch notwendig, gegen die sozialen, ökonomischen, politischen und kommunikativen Strukturen zu kämpfen, die ihn nähren und unterstützen." Spanien handelt entsprechend dieser Einstellung. Eine Reihe von Organisationen, Zeitungen und Radiostationen wurde in den letzten vier Jahren per Dekret verboten, ohne dass einer dieser Fälle jemals den Gerichtssaal erreicht hätte. [...]
[Quelle (als PDF-Datei): COUNCIL OF THE EUROPEAN UNION, Brussels, 29 January 2002, Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/11794/1.html]