Globalisierung
Unter Globalisierung versteht man verkürzt gesagt
den Prozess der zunehmenden internationalen Verflechtungsund
Vereienheitlichungsprozesses in Wirtschaft, Politik,
Kultur, Umwelt, Kommunikation etc. Diese Intensivierung
der globalen Beziehungen geschieht auf der Ebene von
Individuen, Gesellschaften, Institutionen und Staaten.
Genau genommen beschreibt der Begriff Globalisierung
eine Entwicklung, welche bereits mit der industriellen
Revolution und der damit einhergehenden Verknappung nationaler
Rohstoffe und Agrarprodukte und dem gleichzeitig wachsenden
Konsumniveau, begann. Das was der heute verwendete Globalisierungsbegriff
beschreibt wird gemeinhin als neoliberale Globalisierung
bezeichnet. Wesentliches Merkmal der neoliberalen
Globalisierung ist der Anspruch der Deregulierung auf allen
Ebenen zugunsten der Akkumulations- und Wachstumstendenzen
von Kapital und Wirtschaft (Handel). Dies betrifft den Finanzmarkt
genauso wie den Bereich der Produktion. Durch den weltweiten Vergleich
von Löhnen, Arbeits- und Produktionsbedingungen und der
Androhung von Produktionsverlagerungen wird versucht Einfluss
(Druck) auf das Lohn- und Sozialniveau am jeweiligen Standort
(Nationalstaat) zu nehmen. Gleichzeitig werden durch die Nutzung
der Absatzmöglichkeiten von Waren auf ausländischen Märkten
riesige Gewinne erzielt. Die Einzelstaaten konkurrieren um den
attraktivsten Kapitalstandort.
So wurde in der Bundesrepublik Deutschland in den
letzten Jahren die Diskussion um die Attraktivität des Standortes
Deutschland voran getrieben und dafür genutzt den massiven
Abbau von ArbeitnehmerInnenrechten (z.B. Kündigungsschutz),
Reallohnkürzungen und Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme
voran zu treiben. Die neoliberale Globalisierung treibt so
die Schere zwischen Arm und Reich innerhalb und zwischen den
Einzelstaaten immer weiter auseinander.
„Von 1994 bis 1999 haben die 200 reichsten Menschen ihr
Kapital mehr als verdoppelt. Das Vermögen der drei reichsten Männer
der Erde ist heute höher als die Summe der Bruttosozialprodukte der
48 am wenigsten entwickelten Länder (LDC) mit ihren mehr als 600
Millionen Einwohnern. Allein Microsoft-Eigentümer Bill Gates besitzt ein
Vermögen, das die Summe der Bruttosozialprodukte von Guatemala,
El Salvador, Costa Rica, Panama, Honduras, Nicaragua übersteigt.“
Dieser Entwicklung muss weltweiter Widerstand vor
allem im Interesse derjenigen entgegengesetzt werden, die die
existenziellen Folgen zu tragen haben. Das heißt die Globalisierung
in Form solidarischer Vernetzung selbst betreiben, um zu
einer starken Gegenmacht zu werden und wirksam für andere
Verhältnisse kämpfen zu können. Die Träger der kapitalistischen
Wirtschaftsordnung und die politischen Verantwortlichen sollen
spüren, dass Zorn und Widerstand größer werden.
Die bestehende „Antiglobalisierungs-Bewegung“ ist
dabei ein lebendiger Ausdruck der manifesten Legitimationskrise
des neoliberalen Weltwirtschaftssystems und hat seit den
Demonstrationen von Seattle im November 1999 gegen die
geplante „Millenniumsrunde“ der Welthandelsorganisation
(WTO) eine ungeheure Dynamik entwickelt. Egal ob es sich um
ein Treffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der
Weltbank, der Welthandelsorganisation, den Regierungsgipfel
der Europäischen Union, die geplante gesamtamerikanische
Freihandelszone FTAA oder die Treffen der G8-Staaten handelt,
der Widerstand ist wahrnehmbar vor Ort.
Das Anliegen diesem weltumspannenden Angriffs des
Neoliberalismus etwas entgegenzusetzen eint soziale Bewegungen,
UmweltschützerInnen, Nichtregierungsorganisationen, Menschenrechtsgruppen,
Frauen- und Verbraucherinitiativen, Erwerbsloseninitiativen,
Gewerkschaften, Studierende, Friedensgruppen und
Bauernorganisationen aus vielen Ländern der Erde. Diese doch auch
sehr heterogene „Antiglobalisierungsbewegung“, die ihre Anfänge
im Aufstand von Chiapas 1994 hatte, eint nicht nur die Kritik an
den bestehenden Verhältnissen, sondern auch eine Vision von einer
friedlichen und gerechten Welt basierend auf einem alternativen
Wirtschaftssystem, welches die Grundrechte aller Menschen achtet
und die Natur schützt. Es geht um eine emanzipatorische Perspektive.
Letztlich ein Ziel, dass die Überwindung der jetzigen politischen und
ökonomischen Verhältnisse voraus setzt.
Aber Kritik an dieser Entwicklung wird auch von
„ganz rechts“ formuliert. Und gerade im Vorfeld des G8
Gipfels in Heiligendamm erscheint es ratsam sich mit den
Inhalten und Strategien einer „ Globalisierungskritik von rechts“
auseinanderzusetzen. Seit geraumer Zeit tritt die extreme Rechte
als Kritikerin der kapitalistischen Globalisierung auf. Manche
ihrer Parolen ähneln denen, die von linken/globalisierungskritischen
AkteurInnen verwendet werden. Ihre Zielvorstellung
ist jedoch nicht die Emanzipation von Verwertungslogik und
Entfremdung, sondern die Rückkehr zu nationalistischen
Autarkiezuständen und ständischen Ordnungen, die rassistisch
und sozialdarwinistisch unterfüttert sind.
So bemühen sich in Deutschland seit Jahren die NPD und
andere rechtsextreme Organisationen, den Tag der Arbeit, also
den 1. Mai im Sinne einer rechtsextremen Globalisierungskritik
zu besetzen. Ihren Losungen kann mensch u.a. entnehmen, dass
sie „gegen Sozialabbau und Globalisierung“ die „Volksgemeinschaft“
setzen. Ein Kritikpunkt am globalen Kapitalismus ist die
vorgeblich „jüdische bzw. amerikanisch Dominanz.“ Auch in 2007
gibt es bereits Demonstrationsanmeldungen der JN u.a. zum
1. Mai unter globalisierungskritischen Motti, wie „Damit der
Wind sich dreht: Globalen Kapitalismus angreifen.“ Was sich wie
im ersten Moment wie eine Adaption linker Losungen anhört, ist
inhaltlich völlig anders besetzt.
Für die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) ist die
Globalisierung eine Gefahr für Nation und Volk.
Ein Aktionskomitee „Nationalisten gegen Globalisierung“
argumentierte schon 2002 auf der JN Website, dass Globalisierung
zu „Menschen ohne Kultur“ führe, eine „angepasste,
moderne Form des Internationalismus“ sei und „das Verschwinden
von nationalen Grenzen (bedeute), um in der
nächsten Phase die Identität der Völker auszuwischen“.
„Wir aber wollen nicht entarten, zu dem was man Weltbürger
nennt, ohne Identität und ohne Seele. Wir sind Nationalisten
und somit stolz auf unser Volk“.
Aktuell kann mensch der JN Seite entnehmen, dass sich
die Akteure sicher sind, gerade in „Mitteldeutschland“ eine breite
Basis zu haben, um mit ihrer Globalisierungskritik anzukommen.
„Mit Plakatlosungen wie „Arbeit, Familie, Heimat“ und dem
politischen Kampf gegen Zuwanderung, EU-Fremdbestimmung
und Globalisierung als den Zerstörungsmächten der Zeit treffen
Nationalisten zunehmend den Nerv der Menschen.“
Auf der NPD Homepage liest mensch politische
Forderungen solcher Art: „Nur wenn das Selbstbestimmungsrecht
geachtet wird, ist wahre Freundschaft und Völkerverständigung
möglich. Deshalb ist die natürliche Organisationsform eines Volkes
der Nationalstaat, in dem ein Volk seine Interessen wahren und
seine Zukunft sichern kann.“ Die NPD fordert eine „Absage an
die Globalisierungspolitik, Wiedereinführung einer deutschen
Volkswirtschaft und Sicherung der Grenzen vor Wareneinfuhr aus
Billiglohnländern.“
Gerade in Ostdeutschland ist die „Globalisierung“
zum Feindbild der NPD avanciert, die diesen Begriff mit
„ausländischem Kapital“ gleichsetzt, das es zu bekämpfen gelte.
Aber auch in den USA versuchen rechte Organisationen, z.B. um
den ehemaligen „republikanischen“ Abgeordneten Pat Buchanan,
nationalchauvinistische Antworten auf die Legitimationskrise des
Weltwirtschaftssystems zu geben.
Während europäische rechtspopulistische Parteien, wie
die österreichische FPÖ und die deutschen „Reps“ noch in den
1980ziger und frühen 1990ziger Jahren selber noch neoliberale
Positionen vertreten haben, sieht mensch von Migrationsthemen
mal ab, gehen sie heute, genau wie rechtsextreme Parteien wie
NPD oder „Front National“ bei der „nivellierten Mittelschicht“
und dem Prekariat auf Stimmenfang, indem sie sich zu
InteressenvertreterInnen der GlobalisierungsverliererInnen
stilisieren. Dabei nutzen sie diese Themen um ihre Ideologie
„gewinnbringend“ zu vermarkten.
Der rechte Gegenentwurf zu einer globalisierten Welt
gipfelt in eine renationalisierte, völkische Ordnung. Gegen
die individualistischen Tendenzen des Neoliberalismus, die
zur Auflösung sozialer Zusammenhänge führen, setzt der
Rechtsextremismus das Angebot einer kollektiven Identität. Die
ethnisch bzw. völkisch definierte Nation soll den Zusammenhalt
stiften, Schutzzölle sollen die Nation vor Billigwaren aus dem
Ausland schützen – nicht die Menschen weltweit vor Ausbeutung
durch Billiglohn! –, und alle hier lebenden AusländerInnen sollen
in ihr Heimat überführt werden.
Auch der rechtsextreme Gerechtigkeitsbegriff folgt
völkischen Kategorien, er bezieht sich auf „die Solidarität des
Volkes mit seinen Angehörigen“ und kommt also nur denen
zugute, die als zum (deutschen) Volk gehörig akzeptiert werden.
Im Kern geht es den Rechtsextremisten um die Rekonstruktion
einer ethnisch definierten Volksgemeinschaft, die durch Grenzziehung
nach außen definiert wird und rassistische (Durchrassung,
Überfremdung), antisemitische (jüdische Weltverschwörungstheorie),
aber auch sozialdarwinistische, chauvinistische Elemente
enthält. Die rechte Alternative zur Globalisierung ist also der
kuschelige, ethnisch sortierte Nationalstaat. Die „Klassenfrage“
wird nicht gestellt, weder das für unveräußerlich gehaltene Recht
auf Privateigentum an Produktionsmitteln, als Hauptursache für
die Ungleichheit zwischen Arm und Reich noch das patriarchale
Gesellschaftsmodell wird infrage gestellt.
Eine linke Alternative muss immer eine emanzipatorische
sein. Es gibt also zu Ende gedacht keine verbindenden Elemente,
keine Berührungspunkte zwischen einer originär linken und
rechtspopulistischen Globalisierungskritik.
Deshalb darf es auch keinerlei Akzeptanz einer Beteiligung
von „rechts“ bei den Demonstrationen und Aktionen gegen den
G8 Gipfel geben. Nazis müssen „draußen“ bleiben. Für sie gibt es
keinen Platz bei den Gipfelprotesten in Heiligendamm.
Das sollte auch im Vorfeld ganz klar öffentlich gemacht
werden. Rassistische, antisemitische und revanchistische Inhalte
haben auf den Demonstrationen und Aktionen nichts zu suchen.
Sollten aber trotz deutlicher Abgrenzung im Vorfeld, Neonazis auf
den Demos auftauchen kommt es darauf an, sich ihnen gemeinsam
offensiv entgegen zu stellen und sie konsequent rauszuschmeißen.
Judith Demba | 13. März 2007 | Berlin