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2007-05-17

protest.widerstand.perspektive.: Die Gruppe der Acht und ihre Gipfeltreffen

Grundsätzlich liegt die Funktion der G8 sowohl in der Durchsetzung gemeinsamer Interessen als auch in der Koordinierung der inneren Widersprüche der führenden kapitalistischen Staaten. Zum besseren Verständnis der Rolle der G8 muss die allgemeine Situation des Kapitalismus sowie die Geschichte der G8 seit ihrer Gründung untersucht werden.

Broschüre

G8 – weder reine Show noch Weltregierung ohne Widersprüche

In der öffentlichen Wahrnehmung scheinen die G8-Konferenzen institutionalisierte Fototermine bedeutsamer Staatsleute zu sein. Mit großem Aufsehen sollen ihre Gipfeltreffen dazu dienen, dass sich die Führer der mächtigsten und wirtschaftstärksten Länder der Erde ihrer Verantwortung entsprechend ungestört um die Lösung globaler Probleme kümmern können. Rund 2000 Delegationsmitglieder und ein Medientross von 4000 Journalisten transportieren den gewollten Eindruck eines Gipfeltreffens machtvoller Gestalter globalen Geschicks.

Wenn innerhalb der Proteste nur versucht wird, dem G8-Gipfel die Legitimation als Quasi-Weltregierung abzuerkennen, wird er lediglich als das wahrgenommen, was er sein will. Ebenso einseitig ist jedoch die andere Form der Kritik, die ihn nur als sündhaft teure Propagandashow wahrnimmt. Weder ist der Wert des Medienspektakels um den Gipfel und seine damit einhergehende propagandistische Bedeutung zu unterschätzen, noch darf die konkret dort stattfindende Absicherung der Macht der Herrschenden der G8-Staaten ausgeblendet oder zu verkürzt wahrgenommen werden. Dies soll im Folgenden verdeutlicht werden.

Um die Funktion des G8-Gipfels zu verstehen muss er vor dem Hintergrund seiner Geschichte und allgemeiner globaler imperialistischer Konkurrenz betrachtet werden. Als sich 1975 auf Einladung des deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt und des französischen Präsidenten Giscard D’Estaing die politischen Führer der USA, Großbritanniens, Japans, Italiens, Frankreichs und Deutschlands im Schloss Rambouillet trafen, befand sich der globale Kapitalismus in einer handfesten Krise. Damals versuchten zunächst diese sechs Staaten diese, ihren Interessen entsprechend zu lösen – zunächst unter dem Namen Weltwirtschaftsgipfel.

Der lange wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg, geprägt in den Metropolen durch hohe Wachstumsraten, geringe Arbeitslosigkeit und den uneingeschränkten Führungsanspruch der USA, ging zu Ende. Deutschland und Japan entwickelten eine wirtschaftliche Stärke, die sie gerade auch wegen der im Ganzen schmaler werdenden Profite immer wieder in Konkurrenz zu den USA brachte. Das System fester Wechselkurse, Bretton Woods genannt, geriet in eine schwere Krise. Zu Beginn der siebziger Jahre wies die amerikanische Handelsbilanz ständig Defizite auf, während sich die Dollarreserven im Ausland häuften. Da im Bretton-Woods-System der Dollar an den Goldpreis gekoppelt und damit staatlich garantiert konvertibel war, gerieten die USA in finanzpolitische Schwierigkeiten. Die finanziellen Belastungen durch den Vietnamkrieg wurden immer drückender und so forderten die USA ihre politischen Partner auf, durch die Aufwertung ihrer Währungen helfend einzuschreiten. Ohne Erfolg. Die darauf folgende einseitige Aufhebung der Dollar-Gold-Konvertibilität durch die USA führte zu einer massiven Abwertung des Dollars, schweren Turbulenzen auf den Finanzmärkten und einer Verstärkung der globalen wirtschaftlichen Krise. Die so genannte „Dollarkrise“ lässt sich damit als Produkt und Katalysator imperialistischer Konkurrenz und kapitalistischer Krise beschreiben.
Sicherung der globalen Herrschaft des Kapitals

Der freie Zugang zu Rohstoffen und anderen Ressourcen ist eine der Hauptbedingungen für den reibungslosen Ablauf globaler Verwertung. Besonders die Industrien der Metropolen sind im hohen Maß von der ungehinderten Ausplünderung des Trikonts abhängig. Als wichtigste Rohstoffe sind hier an erster Stelle die Energieträger Erdöl und Erdgas zu nennen. Diese Abhängigkeit wurde den imperialistischen Bourgeoisien deutlich vor Augen geführt, als die „Organisation der Erdöl exportierenden Länder“ (OPEC) Anfang der siebziger Jahre begann, das „Öl als Waffe“ im vierten israelisch-arabischen Krieg einzusetzen. Unabhängig von der psychologischen Dimension führte die vielfache Erhöhung des Ölpreises 1974 zum stärksten Konjunktureinbruch der Nachkriegszeit.

Auch auf politischer Ebene war der Kapitalismus in ernsthafte Bedrängnis geraten. Die Befreiungskämpfe, die sich im Verlaufe der Entkolonialisierung des Trikonts entwickelten, bedrohten nicht nur die ökonomischen Interessen sondern auch die ideologische Vorherrschaft der imperialistischen Bourgeoisie. Eine menschlichere und sozialistische Alternative zum System globaler Ausbeutung schien für viele greifbar und real. Exemplarisch hierfür steht die Beendigung des Vietnamkriegs mit einer Niederlage der USA, fünf Monate vor dem Gipfeltreffen in Rambouillet. Auf ökonomischer Ebene drückte sich das wachsende Selbstbewusstsein der Länder des Trikonts in der Forderung nach einer gerechteren „Neuen Weltwirtschaftsordnung“ aus.

Nicht zu vergessen sind die innenpolitischen Schwierigkeiten, mit denen die G7-Staaten damals zu kämpfen hatten: die sozialen Bewegungen und der bewaffnete Kampf. In diesem Zusammenhang lassen sich die Gründe, die zur Einladung nach Rambouillet führten, zusammenfassen. In einer Situation, in der sich der Imperialismus in einer ökonomischen und ideologischen Krise befand, politisch in der Defensive war, die Konkurrenz zwischen den Metropolen zunahm und auf den Finanzmärkten destruktives Chaos herrschte, suchten dessen wichtigste Vertreter ein Instrument zur Durchsetzung gemeinsamer und Koordination divergierender Interessen. Diese Zielsetzung bestimmte und bestimmt die Funktion der Gipfeltreffen seit jeher und lässt sich anhand der thematischen Schwerpunkte der Treffen geschichtlich nachvollziehen: die Aufrechterhaltung der globalen ökonomischen Rahmenbedingungen des Kapitalismus.
Koordination von Widersprüchen und gemeinsamer Strategien

Hierzu gehört auf der einen Seite die Glättung von Widersprüchen zwischen den Metropolen, vor allem im Hinblick auf finanzpolitische Interessen und bei der Konkurrenz um Rohstoffe. Auf der anderen Seite steht die Entwicklung gemeinsamer Strategien gerade in Bezug weltweiter Handelsbestimmungen wie zum Beispiel bei der Initiative zur Gründung der Welthandelsorganisation (WTO). Außerdem wird der Zugang zu billigem Öl, zum Beispiel mittels abgestimmten Auftretens gegenüber der OPEC, gesichert oder das Management von regionalen Wirtschaftskrisen wie zum Beispiel der Mexiko-Krise oder der Asien-Krise abgestimmt.

Die Koordination der Interessen bezüglich militärischer und politischer Bedrohung nahm vor allem seit den achtziger Jahren immer mehr an Bedeutung zu. Die Aufrüstung der Nato im Kalten Krieg spielte eine wichtige Rolle, ebenso hatten die damals schon akuten militärischen Konflikte in Palästina, Libanon, Afghanistan, Iran/Irak einen zentralen Stellenwert, wie auch die Bedrohung durch den bewaffneten Kampf innerhalb und außerhalb der Metropolen.

Mit dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers fiel der gesamte Planet unter die Verwertungsinteressen des Kapitals. Unter der von Bush senior 1990 proklamierten Parole der „Neuen Weltordnung“ organisieren die G8-Staaten die Aufteilung der restlichen Welt, zunehmend auch in Konkurrenz zueinander. Spätestens seit 2001 werden unter dem Vorwand des „Krieges gegen den internationalen Terrorismus“ imperialistische Kriege geführt und der Repressionsapparat ausgebaut.

Schon zu ihrer Gründung waren die Gipfeltreffen ein wichtiger Teil der bürgerlichen Ideologiemaschine. Mit der ständigen Propaganda für Preisstabilität, Privatisierung, Abbau von Handelshemmnissen und schlankem Staat wurden die Gipfeltreffen schon früh zum Sprachrohr der Umstrukturierung des globalen Kapitalismus. Gerade in den achtziger Jahren setzte sich mit Ronald Reagan an der Spitze der USA und Margaret Thatcher in Großbritannien das neoliberale Modell zur Bewältigung der Krise immer mehr durch und die ideologische Formierung der Metropolengesellschaften wurde verstärkt. Durch den Zusammenbruch der Staaten des Warschauer Paktes konnten die imperialistischen Bourgeoisien sich und ihr Gesellschaftsmodell endgültig als alternativlos präsentieren und die Früchte ihres bereits eingeleiteten Transformationsprozesses ernten. Im Weiteren dienten die G7- beziehungsweise G8-Treffen bis in die späten neunziger Jahre vor allem der medialen Präsentation uneingeschränkter imperialistischer Herrschaft und ideologischer Hegemonie. Das Projekt der neoliberalen Globalisierung wurde in allen Bereichen intensiviert.

Obwohl sich die G8 durch den massiven Widerstand in der jüngsten Zeit in einer Legitimationskrise befinden, bleibt die G8 ein Forum zur Beschwichtigung imperialistischer Widersprüche, zur Entwicklung von Strategien zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen, zur Produktion ideologischer Hegemonie und Zurschaustellung imperialistischen Herrschaftsanspruchs. Die G8-Gipfeltreffen können diese Funktion durch ihren informellen Clubcharakter besonders gut erfüllen. So finden die Beratungen auf den Ebenen der Regierungschefs aber auch der Finanz- und Außenminister unter Ausschluss der Öffentlichkeit und Vernachlässigung des üblichen Protokolls statt. Neben diesen Gipfeltreffen finden aber während des ganzen Jahres vorbereitende Gespräche auf Staatssekretärebene und innerhalb von Expertenrunden statt. Die Sondierung geschieht durch so genannte Sherpas und Sous-Sherpas. Die Themen werden durch die weltpolitische und wirtschaftliche Situation diktiert, aber auch durch die die G8-Präsidentschaft innehabende Regierung gewichtet. Das Motto des diesjährigen G8-Gipfels lautet „Wachstum und Verantwortung“. Die von der Bundesregierung festgelegten Themen sind unter anderem der „Abbau der globalen Ungleichgewichte“, womit zum Beispiel das Leistungsbilanzdefizit der USA gemeint ist, und der „Schutz von Innovationen gegen Produkt und Markenpiraterie“, das heißt die Sicherung des geistigen Eigentums an zum Beispiel Saatgut oder Computerprogrammen für die weltweit agierenden Konzerne. Des Weiteren ist Afrika ein Schwerpunkt des diesjährigen G8-Gipfels. Ein von der Bundesregierung formuliertes Ziel ist dabei, dass „die afrikanischen Staaten Strukturen entwickeln sollen, die private Investitionen erleichtern“, was konkret heißt, dass die Bedingungen der Ausbeutung von Rohstoffen und Arbeitskräften verbessert werden sollen.

Der Charakter der G8 als informelles Treffen hat aber trotz des eigenen Anspruchs als Weltwirtschaftsgipfel den Nachteil, dass seine Beschlüsse nicht bindend sind. Sie entfalten ihre Wirkungsmächtigkeit in der gemeinsamen Umsetzung in den multilateralen Institutionen wie WTO, OECD oder UNO. So werden heute fast alle wichtigen wirtschafts- und sicherheitspolitischen Initiativen auf globaler Ebene im Kreise der G8, sei es der Staats- und Regierungschefs selbst oder auf Ministerebene, diskutiert und vorentschieden, bevor sie in anderen multilateralen Foren und Organisationen auf die Tagesordnung kommen oder umgesetzt werden. Die Konsensbereitschaft der G8-Staaten hängt dabei stark vom Ausmaß gemeinsamer Interessen ab. Dies kann in manchen Fällen zu Entscheidungen mit weltweiter Bedeutung führen, wie bei der Initiative zur Gründung der Welthandelsorganisation WTO. In anderen Fällen sind die Interessen zu unterschiedlich, um gemeinsames Handeln zu ermöglichen, wie zum Beispiel beim letzten Irakkrieg und bei der Klimapolitik. Die G8 sind also weit davon entfernt eine Weltregierung zu sein, sondern immer nur so mächtig wie ihre Mitglieder und nur so stark wie sie trotz ihrer Widersprüche einig sind.

Der G8-Gipfel vom 6. bis zum 8. Juni 2007

Der jährlich in einem anderen Land stattfindende G8-Gipfel findet 2007 im Luxus-Hotelkomplex Kempinski in Heiligendamm, direkt an der Ostsee statt. Heiligendamm liegt etwa 20 Kilometer westlich von Rostock in Mecklenburg-Vorpommern. Neben den acht Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Kanada, Frankreich, Japan, Italien, Großbritannien, Russland und den USA sind um die 2000 weitere Menschen beteiligt: von verschiedenen Regierungsbeamten und so genannten Sherpas aus hohen politischen Ämtern, die die Gipfeltreffen vorbereiten, bis hin zu Dolmetschern und einem Tross aus Medienvertretern. Ein etwa 13 Kilometer langer und 2,5 Meter hoher Zaun, sowie mehr als 15 000 Polizisten und dazu mehrere Tausend weitere Beamte von staatlichen Behörden wie dem Bundeskriminalamt sollen den Gipfel vor den Protestierenden schützen. Die Kosten dafür belaufen sich auf schätzungsweise 100 Millionen Euro.

Aktionen, Demonstrationen und Blockaden gegen G8

Freitag, 1. Juni
Vorläufige Neubesiedlung des Bombodroms und Eröffnung der Camps
www.camping-07.de

Samstag, 2. Juni
Großdemo in der Innenstadt von Rostock
www.heiligendamm2007.de

Sonntag, 3. Juni
Aktionstag zu Landwirtschaft
www.dissentnetzwerk.org/wiki/Aktionsnetzwerk_globale_Landwirtschaft

Montag, 4. Juni
Aktionstag zu Migration
www.nolager.de

Dienstag, 5. Juni
Aktionstag zu Krieg mit Blockade des Flughafens Rostock-Laage |
www.g8andwar.de

Mittwoch, 6. Juni
Blockade-Tag an verschiedenen Orten
www.block-g8.org

Donnerstag, 7. Juni
Blockade-Aktionen und Sternmarsch nach Heiligendamm

Die Macht der G8 in Zahlen

Die G8-Staaten und der Rest der Welt
In den G8-Staaten leben gerade einmal zirka 13 Prozent der Weltbevölkerung. Es werden hier aber etwa die Hälfte der gesamten Ölproduktion verbraucht und 45 Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen ausgestoßen. Acht der zehn größten Banken weltweit haben ihren Hauptsitz in den G8-Staaten.

G8 für Frieden?
Der Anteil der G8-Staaten an den weltweiten Militärausgaben beträgt etwa 60 Prozent. Sie haben einen Anteil von etwa 90 Prozent an den weltweiten Waffenexporten!

Sonstige Zahlen zur täglichen kapitalistischen Barbarei
Laut UNICEF sterben jeden Tag etwa 30 000 Kinder unter fünf Jahren an den Folgen der Armut. Das sind 210 000 Kinder in der Woche und 11 000 000 pro Jahr. Geschätzte 790 000 000 Menschen weltweit leiden unter den Folgen ihrer chronischen Unterernährung.

0,13 Prozent der Weltbevölkerung kontrolliert ein Viertel des gesamten Reichtums. Die Hälfte der Menschheit – fast drei Milliarden Menschen – lebt von weniger als zwei Dollar pro Tag. Wenige hundert Reiche besitzen soviel Vermögen wie die ärmsten 2,5 Milliarden Menschen.

Geistiges Eigentumsmonopol
Die G8-Staaten besitzen 85 Prozent aller Patente zum Beispiel auf Saatgut und Gensequenzen.

[http://home.arcor.de/g8-broschuere]