Als Inhalte-AG des G8-Plenums Mannheim/Heidelberg wollen wir unseren Teil zur inhaltlichen Debatte, und speziell zum Treffen der Inhalte-AG am 10. Dezember beitragen.
Wir werden im folgenden Text unsere Positionen zum Thema darstellen und uns dabei an den PGA-Hallmarks orientieren und diese wo nötig kritisieren und erweitern. Dabei werden wir auch zu den bereits vor dem Hamburger Treffen bestehenden Papieren (Glocals Hanau, NoLager Bremen und die Berliner Gruppen SINN, Revolution, Rote Aktion Berlin, Arbeitermacht, Autonome Kommunisten) Stellung nehmen.
Inhalte-AG des G8-Plenums Mannheim-Heidelberg
"Eine klare Ablehnung von Kapitalismus, Imperialismus und Feudalismus; und aller Handelsabkommen, Institutionen und Regierungen die zerstörerische Globalisierung vorantreiben."
Im Laufe unserer Diskussion über die Grundlagen einer inhaltlichen G8-Kritik stießen wir auf Widersprüche in Bezug auf die in der PGA-Hallmark 1 genannten Begriffe. Eine monolithisch kapitalismuszentrierte Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen erschien uns als unzureichend. Diese sind komplexer, als sie durch diese Sichtweise, die nur einen Ausschnitt der Realität erfasst, abgebildet werden könnte.
Hierbei besteht die Gefahr, dass die notwendige Kritik an den anderen Macht- und Unterdrückungsformen aus den Augen verloren wird. Hierzu zählen wir unter anderem: Nation und Nationalismus, autoritäre und vertikale Strukturen, Sexismus, Rassismus und Ausbeutung der Natur. Der Hass auf "Schwule", "Neger" und "Behinderte" und die Unterdrückung von Frauen sind Strukturen, die auch außerhalb des Kapitalismus, wenn auch in anderer Form existieren können. Mit der Entstehung der modernen, bürgerlichen Gesellschaft wurden lediglich bereits bestehende Unterdrückungsverhältnisse in unterschiedlichem Maße modifiziert, neue konstruiert und neu zueinander in Beziehung gesetzt. So bedingen sich z.B. das moderne Patriarchat, Nationalismus, Staat und Entstehung des Kapitalismus gegenseitig. In Abgrenzung zu den PGA-Hallmarks sehen wir den Kapitalismus also nicht als einzig bestimmende Größe, sondern nur als Teil der Verhältnisse, die uns als Netzwerk verschiedener Unterdrückungsmechanismen entgegentreten. (Im gruppeninternen Diskussionsprozess haben wir hierfür in Anlehnung an das "triple oppression"-Konzept von "multiple oppression" gesprochen)
Besonders kritisch sehen wir bei der Aufzählung im Punkt 1 der Hallmarks den Begriff Imperialismus, der für uns für eine verkürzte Kapitalismuskritik steht. Im Kapitalismus gibt es keine weißen Flecken auf der Weltkarte. Eine monochrome Sichtweise, die Welt in böse "weiße" Unterdrücker und gute "schwarze" Unterdrückte einzuteilen, finden wir realitätsfern. Eine rein antiimperialistische Kritik ist auf dem eigenen Auge blind. Wenn die USA als einziges Synonym für die Unterdrückungsmechanismen gesehen werden, dann werden die Unterdrückungsmechanismen in den eigenen Verhältnissen verschleiert und nach außen projiziert. Nationale Befreiungsbewegungen, die ebenfalls, wie der Name schon sagt, auf ausschließenden Prinzipien aufbauen und deshalb in sich die gleichen Strukturen reproduzieren, aber auch deren UnterstützerInnen, die dieses noch forcieren, sind daher grundsätzlich zu kritisieren. Die extremste Ausprägung dessen, nämlich die Solidarität mit den bekannten palästinensischen "Befreiungsbewegungen" in denen ein (z.T. eliminatorischer) Antisemitismus vertreten wird und wie sie von SINN, Revolution, Rote Aktion Berlin, Arbeitermacht und den Autonomen Kommunisten praktiziert wird, ist für uns indiskutabel. Eine ähnliche Diskussion über die 10-Euro-Kampagne für den irakischen Widerstand, die von den oben genannten Gruppen ebenfalls unterstützt wurde, ersparen wir uns an dieser Stelle.
Auch das Konzept des Internationalismus lehnen wir ab, da es sich positiv auf die Idee Nation bezieht, die als Prinzip wiederum Diskriminierungen durch Exklusion beinhaltet. Das Konstrukt der Nation und der dazu notwendige Nationalismus verhalten sich daher diametral zu unserer Position.
Entsprechend unserer Auslegung der Aufzählung in Punkt 1 deuten wir auch den Punkt 2 der PGA-Hallmarks: "Wir lehnen alle Formen und Systeme von Herrschaft und Diskriminierung ab, einschließlich aber nicht beschränkt auf Patriarchat, Rassismus und religiösen Fundamentalismus aller Art. Wir anerkennen die vollständige Würde aller Menschen." Allerdings sei auch hier darauf hingewiesen, dass Aufzählungen wie diese für uns niemals vollständig sein können, weil die Komplexität der Verhältnisse weder durch einen noch durch mehrere Begriffe adäquat erfasst werden können. In der Forderung nach Herrschaftsfreiheit sehen wir eine Bestätigung unserer eigenen Position und eine Ablehnung der Behauptung, vertikale Strukturen seien unvermeidbar und könnten gegebenenfalls sogar positive Effekte haben (Vgl. Papier der Gruppen SINN, Revolution, Rote Aktion Berlin, Arbeitermacht, Autonome Kommunisten). Sie sind grundsätzlich antiemanzipatorisch, reproduzieren das Alte und verhindern Lernprozesse.
"Search & Destroy"
"Eine konfrontative Haltung, da wir nicht glauben, dass Lobbyarbeit einen nennenswerten Einfluss haben kann auf undemokratische Organisationen in die maßgeblich vom transnationalen Kapital beeinflusst sind". Allgemein stimmen wir diesem Punkt zu. Uns ist es jedoch dabei wichtig, dass im Laufe der Diskussion Auswahl und Umgang mit (un-)möglichen BündnispartnerInnen konkretisiert und die entsprechenden Strukturen benannt werden (z.B. Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Attac...). Es ist Aufgabe der Vorbereitungsstrukturen einen Konsens darüber zu finden, welche Gruppen und Strukturen dies konkret sein können. Als Vorschlag haben wir für uns den Konsens erarbeitet, alle Gruppen und Strukturen, die autoritäres, elitäres, nationalistisches, rassistisches und sexistisches Gedankengut transportieren und/oder entsprechende Verhaltensweisen an den Tag legen, abzulehnen. Diese Position stellen wir zur Diskussion.
Die ebenfalls in Punkt drei erwähnte "konfrontative Haltung" ist für uns eine radikale Haltung. Radikalität nehmen wir dabei wörtlich (lat.: radix = Wurzel): "Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst" (Marx). Wir wollen das Netzwerk in seiner Tiefe und Struktur begreifen und benennen, um in unserer alltäglichen Praxis zu versuchen, mit den modernen Gesellschaftsverhältnissen zu brechen und ihre Reproduktion zu verweigern. Sowohl theoretische Erkenntnis als auch praktische Umsetzung sind für uns kontinuierliche Lernprozesse. Diesen Lernprozess nennen wir Revolution. Möglichkeiten revolutionärer Praxis können für uns unter anderem "ein Aufruf zu direkter Aktion und zivilem Ungehorsam, Unterstützung für die Kämpfe sozialer Bewegungen, die Respekt für das Leben und die Rechte der unterdrückten Menschen maximieren, wie auch den Aufbau von lokalen Alternativen zum Kapitalismus" (Punkt 4 Hallmarks) sein. Der Ansatzpunkt für diese Praxis sollte radikal in unserem Sinne sein, also konkret, unmittelbar und nicht reformistisch.
Utopia must burn
Die Forderung nach einer "Organisationsphilosophie die auf Dezentralisierung und Autonomie aufgebaut ist." (Punkt 5 Hallmarks) hat uns verwirrt, denn die isolierte Forderung nach "Dezentralisierung und Autonomie" als Gesellschaftsmodell ist unserer Meinung nach verkürzt und unzureichend. Der Versuch, individuelle Gesellschaftsentwürfe und Utopien durchzusetzen blockiert diesen Lernprozess, da dies einerseits elitäre, autoritäre und arrogante Züge trägt und andererseits nur bestehende Verhältnisse reproduzieren kann. Nicht in Entwurf und Utopie, sondern im konkreten Lernprozess werden die zukünftigen Formen des Zusammenlebens entstehen. Revolution schafft sich ihre Verhältnisse selbst!
"Paint it black"
"Sie haben sich ein Denkmal gebaut....
Die G8 treten nur einmal im Jahr bei ihrem Gipfel in Form eines informellen Treffen in Erscheinung. Dieses Ritual ist ein möglicher Ansatzpunkt für konkrete Kritik. In dieser Eigenschaft dient der G8-Gipfel nicht dazu, konkrete Entscheidungen zu treffen, sondern alte repressive Strukturen zu konservieren und arrogant zur Schau zu stellen. So bauen sie sich ihr eigenes Denkmal, errichtet auf einem Fundament aus Kapitalismus, Nationalismus, Rassismus, Sexismus...
...Hol den Vorschlaghammer!"
Unser Ziel muss es also sein, das Denkmal zu stürzen und sein Fundament zu zertrümmern. Den ersten Teil erledigen wir in Heiligendamm, der zweite Teil ist Hausaufgabe. Das soll heißen, dass es uns neben dem punktuellen Vorgehen gegen den G8-Gipfel vor allem wichtig ist, uns in unserem Alltag Freiräume zu schaffen. Das Camp könnte dabei die Schnittmenge zwischen konkretem Protest und alltäglicher Praxis bilden, indem es uns vor Ort die Möglichkeit bietet, uns eine Verschnaufpause zu verschaffen von Kapitalismus, Nationalismus, Rassismus, Sexismus....
"We are anti-everything"
Priorität heißt für uns, dass der Wille das Denkmal zu stürzen im Vordergrund steht. Dazu können verschiedene Hebel angesetzt werden. Gerade eben in der Pluralität liegt unsere Stärke. Insofern stimmen wir mit den Positionspapieren aus Hanau und Bremen überein, in denen sie fordern, dass jede Gruppe zu ihrem Steckenpferd arbeiten solle. Inhaltliche Hegemonieansprüche, wie von den Berliner Gruppen geäußert, sind daher grundsätzlich zu vermeiden. Im Rahmen von Mobilisierung und Aktionen sollen alle die Möglichkeit haben, zu ihrem bereits vorhandenen Themenschwerpunkt zu arbeiten, sei es Kapitalismus, Nationalismus, Rassismus, Sexismus...
Die Inhalte-AG des G8-Plenums Mannheim-Heidelberg