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2006-04-16

"Was wir machen, muss sich ausdrücken in dem, was wir tun"

I) Prolog:

Der folgende Text ist das Ergebnis unserer Diskussionen nach dem G8-Vorbereitungstreffen im Berliner Mehringhof im Januar diesen Jahres. Wir haben uns mit den dort von verschiedenen Gruppen vorgestellten Papieren beschäftigt (zu finden im Internet auf http://www.gipfelsoli.org/Inhalt+Theorie.html), über eigene Vorschläge diskutiert usw. Eigentlich wollten wir unseren Debattenbeitrag dann spätestens zum Leipziger Treffen mitbringen - na ja, wir sind bestimmt nicht die einzige Gruppe, die zum Texte produzieren manchmal etwas länger braucht. Wir schicken das Ding jetzt hiermit ohne erneute Aktualisierung weg, wohl wissend, dass seit Januar ein paar Wochen ins Land gegangen sind und freuen uns auf Reaktionen aus der Jetzt-Zeit.

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II) Der Text

Die Wogen schlugen hoch auf dem bisher zweiten bundesweiten Vorbereitungstreffen gegen die G8-Gipfel in Petersburg und Heiligendamm, das manche als linksradikale Vorbereitung, manche als dissent!-Spektrum bezeichnen. Vor allem am 7./8. Januar in Berlin prallten die Ansichten heftig aufeinander: Sind das überhaupt "linksradikale" Vorbereitungstreffen? Ist das gewollt? Wie halten wir es mit den 'hallmarks' des Peoples Global Action (PGA)- Netzwerks(1), den Begriffen Imperialismus, Internationalismus usw. usw. Knallt das ganze Ding demnächst auseinander? Wo wir auch hingucken, verdammt viele Fragen sind ungeklärt oder äußerst umstritten.
Wir wollen als eine autonome Gruppe unsere eigenen zum Teil auch recht lebhaften und kontroversen Diskussionen dazu öffentlich machen, da wir uns weiterhin genau diesem Thema widmen und ein bisschen von unserer Leidenschaft gegen die zum Teil aufgekommene Resignation setzen wollen. Wir sehen immer noch Chance, durch unsere Vernetzung - wobei wir uns hier in erster Linie auf Heiligendamm 2007 beziehen - auf mehreren Ebenen was zu gewinnen (Teil 1). Außerdem stellen wir am Ende ein paar konkrete inhaltliche und organisatorische Vorschläge zur Diskussion (Teil 2) und freuen uns auf hoffentlich viele Reaktionen.

Teil 1 oder: Was wir gewinnen können:

Mit möglichst vielen, möglichst gut vorbereiteten, organisierten und motivierten AktivistInnen lässt sich vor, in und um Heiligendamm herum einiges reißen - womit keine bestimmten Aktionsformen festgeschrieben sein sollen.

Egal, ob Gruppen vor allem das Ziel vertreten, die eigenen Inhalte attraktiv und überzeugend auf die Straße zu tragen, MitstreiterInnen zu gewinnen, viele bestehende Zusammenhänge zu vernetzen, linke Strukturen in McPomm zu stärken, globale und lokale Aktivitäten zusammen zu bringen, phantasievolle und/oder militante Aktionen hinzukriegen, Internationalismus praktisch zu machen, nach den Gipfelaktionstagen mehr zu sein als vorher oder einfach mal wieder das Gefühl von Stärke auf Großdemos o.ä. zu erleben - weder Kleingruppen noch Einzelpersonen können all das alleine rocken. Eine frühzeitige möglichst bundesweite und internationale Vorbereitungs- und Vernetzungsstruktur ist uns bei dem Versuch, die Treffen in Heiligendamm nicht glatt und ungestört über die Bühne gehen zu lassen, viel wert.
Das von der Berliner Gruppe six hills(2) betonte Anliegen, Kritik zu verbreitern, halten wir in Bezug auf die Ziele der Mobilisierung für zu defensiv. Auch wenn uns das Ziel "Gipfel verhindern" bei gegenwärtigen Kräfteverhältnissen eine etwas zu markige Pose zu sein scheint, halten wir Begrifflichkeiten wie "stören", "blockieren", "aufmischen" und "präsent bzw. unberechenbar sein" für schon passender. Um politisch deutlich zu machen, dass wir den Kapitalismus mit all seinen Institutionen für nicht reformierbar halten, halten wir auch den Ausdruck "Gipfel angreifen" durchaus für brauchbar. Dies würden wir tatsächlich gerne erreichen, auch wenn es nicht nur um die bösen 8 geht, die in Wirklichkeit ja auch viel mehr sind...
Zum jetzigen Zeitpunkt würden wir vor den Parolen allerdings gerne die Inhalte und Ziele unserer Mobilisierung näher bestimmen bzw. diskutieren.

Aber auch unsere Organisationsform ist für uns nicht nur Mittel zum Zweck, so mühsam sie sich bisher auf einigen der großen Plena auch darstellte.

Natürlich ist es leichter gesagt, ganz viele Leute, Zusammenhänge, Gruppen und Einzelpersonen aus unterschiedlichen Spektren, Arbeitsbereichen und Ländern zusammenbringen zu wollen, als in der konkreten Situation auch nur eine gleiche oder ähnliche Sprache, geschweige denn Arbeitsweise zu finden. Die recht wilden Auseinandersetzungen z.B. um die Handzeichen oder Entscheidungsverfahren kamen und kommen unseres Erachtens nach nicht von ungefähr. Sie zeigen jedenfalls, dass wir in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen aktiv sind und uns zum Teil darin so zuhause fühlen, dass andere Umgangsweisen schnell als wahlweise absurd, albern, dominant oder unnötig empfunden und abgetan werden.
Ein bisschen weniger Beißreflex würde uns da wohl allen ganz gut tun, genau so ein bisschen Nachdenken darüber, woher die verschiedenen Verhaltensweisen kommen(3). Nur weil mensch einer Verfahrensweise das Etikett "basisdemokratisch" verpasst, garantiert dies noch keinen tatsächlich egalitären Umgang(4). Wer rhetorisch besonders versiert ist, kann sich auch oder gerade mittels Redelisten eine vergleichsweise dominante Stellung in Diskussionen "herbeireden". Genau so wenig hilfreich oder gar emanzipatorisch ist aber auch ein Beharren auf das althergebrachte "das war schon immer so", in dem sich der (selten genug die) Lauteste durchsetzt. Wer sich allein dann, wenn er/sie andere Zustimmung "wedeln" sieht, oder wahlweise beim ersten Zwischenruf aufregt, dem/der wünschen wir für die Zukunft einen etwas entspannteren Umgang mit Großgruppendiskussionen.
Auch wenn zwischen den streitenden Fraktionen eindeutig auch inhaltliche Differenzen ausgetragen wurden, spielten sich doch einige wenig hilfreiche Vereinfachungen ab, wie z.B. "Anti-Imps" gegen wahlweise "Hippies", "Studies", "JUKS-Leute" etc. - das halten wir für ausgemachten Blödsinn. Weder produziert das StudentInnendasein automatisch das Bevorzugen einer moderierten Redeliste, noch möchten wir die z.B. in unserer Gruppe vorhandenen antiimperialistischen Einstellungen automatisch kurzschließen mit der Pose des "wer-am-lautesten-schreit-setzt-sich-durch".
Zudem würden wir voneinander erwarten, dass sich auch in unserer Organisierung unsere Ansprüche und Inhalte, z.B. was den Kampf gegen Sexismus angeht, praktisch und nicht nur auf der Bewusstseinsebene niederschlagen. Wir wollen nicht, dass sich im schlechtesten Fall wieder vor allem die Frauen für die Gruppendynamik, soziale Konflikte, Übersetzung etc. verantwortlich fühlen und die Männer sich um Computerkram, allgemein technische Ausrüstung und erste Reihen auf Demos kümmern.

Als weiteren Gewinn einer großen, auch linksradikalen Vernetzung zu G8 sehen wir die Chance auf gute inhaltliche Debatten oder auch Streits darum, was linksradikale Positionen eigentlich heutzutage sind.

Auf dem Treffen in Berlin wurde in den Diskussionen der Inhalte-AG der Versuch unternommen, auch kontroverse Meinungen auszutauschen und sich darin gegenseitig ernst zu nehmen, ohne dauernd mit den üblichen Verflachungen zu arbeiten. Ohne Schaum vor dem Mund konnte hier in einer konstruktiven Atmosphäre diskutiert werden, was wir uns in ähnlicher Form für weitere Treffen, Arbeitsgruppen etc. und insbesondere für das Camp 06 im August diesen Jahres wünschen und auf vielfache Beteiligung hoffen. Allerdings war auch hier der Redeanteil von Männern extrem hoch und weniger Platzhirschgehabe ist auch hier dringend nötig.

Wir wollen uns hier mit ein paar bisher von Gruppen formulierten Thesen auseinandersetzen und darüber hinausgehend einige Debatten aufgreifen, die wir für wichtig halten und unsere Positionen dazu darstellen.
Auch aus unserer Sicht gibt es innerhalb der radikalen Linken viel unschöne Geschichtsvergessenheit in dem Sinne, dass Begriffe wie Internationalismus oder (Anti-)imperialismus vorschnell für unnötig oder gar falsch erklärt werden. Wir teilen den z.B. vom Gegeninformationsbüro GIB formulierten Eindruck, dass es häufig aus einer arroganten oder elitär verstandenen akademischen und im schlimmsten Fall bewegungsfernen antideutschen Perspektive heraus abgelehnt oder angegriffen wird, sich auf soziale Kämpfe früher oder anderswo zu beziehen. Obwohl uns das nervt, halten wir es aber auch nicht für besonders pfiffig, den Begriff "Befreiung" und das Kämpfen darum so zu generalisieren, wie es beispielsweise das GIB in seinem Text "Kapital Macht Krieg"(5) tut. Gegen Besatzung zu kämpfen kann natürlich die Verhältnisse zum Tanzen bringen, aber wenn dahinter reaktionäre Ansichten und Gesellschaftsvorstellungen stehen, ist ein solcher Kampf einfach nichts, worauf wir uns positiv beziehen können und wollen. Wer meint, dies bedeute zwangsläufig, Besatzerregime oder -politik gut zu heißen, hat einen ziemlich engen Blick auf politische bzw. gesellschaftliche Verhältnisse, in denen es nur gut und böse zu geben hat(6). Wir halten wahrlich nichts von dem Gerede, mensch könne kein oben und unten mehr benennen und von "den Herrschenden" zu sprechen sei eine unlautere Personalisierung. Aber wir wünschen uns als Ausgangspunkt solcher Debatten doch, dass gesellschaftliche Verhältnisse als etwas komplexeres wahrgenommen werden, als es in manch plumper Solidaritätsforderung erscheint(7).

Es gab und gibt unserer Ansicht nach leider viel zu oft gerade in Kampfsituationen das Verschieben von scheinbar nach- oder untergeordneten Kämpfen auf später (also oft auf nie) und das Sich-Durchsetzen derjenigen autoritären Positionen, die mit dem Verweis auf die Schärfe der (historischen) Situation blinden Gehorsam einfordern. Es scheint uns den einen oder anderen Streit wert, wo vertikale Strukturen anfangen und wofür sie da sein sollen.

Das Thema, mit wem kämpfen wir oder auf wen beziehen wir uns positiv, bedarf noch einiger Auseinandersetzung.

Was genau bedeutet es denn, Solidarität einzufordern mit beispielsweise den Kämpfen in "Palästina/Israel, Irak, Kolumbien, Nepal, Kurdistan, Baskenland" (vgl. GIB: Kapital Macht Krieg)? Entstehen daraus praktische Folgen für unser Handeln, und wenn ja, welche? Oder bleibt es bei der bloßen Parole? Im Vergleich zu früher scheint es uns auf diesem Feld gerade zu wenig Praxis zu geben. Es gibt heute immer noch Soligruppen, viele Zeitungsprojekte, ein paar Solipartys und Reise-grüppchen hie und da. Auch die häufig recht starken und international vernetzten Proteste gegen Gipfeltreffen etc. sind unserer Meinung nach Ausdruck einer Veränderung in diesem Bereich. Wir denken, hier müssten wir ansetzen und diese bestehenden Initiativen ausbauen, um wieder zu mehr Praxis zu gelangen. Gerade weil es uns nötig erscheint, eine internationale Perspektive zu stärken, ist uns daran gelegen, ein paar Kriterien für Solidarität oder, viel besser, für Zusammenarbeit klarer zu kriegen. Daher zunächst die Frage nach mehr Genauigkeit: welche kämpfenden Gruppen sollen denn z.B. im Irak gemeint sein? Bezieht doch mal Position! Wir können weder mit den Aufständischen aus dem Umfeld der unter Saddam Hussein an der Macht gewesenen Baath-Partei, noch mit den Al-Sarkawi -nahen Kräften irgend etwas anfangen, ganz im Gegenteil. Wir hätten genau bei diesem Thema gerne mal Namen oder Beispiele gehört/gelesen, um endlich mal wieder eingehender zu diskutieren. So finden wir es beispielsweise lohnenswert, sich mit den Positionen der nicht religiösen, also säkular orientierten irakischen Frauenorganisation OWFI (Organisation der Freiheit von Frauen im Irak) mehr auseinander zu setzen, die sich sowohl gegen den Krieg der USA, gegen die Besatzung, aber auch gegen fundamentalistische Widerstandsgruppen ausspricht. Ist es auch eine "privilegierte deutsche linke Ghetto-Debatte" (GIB, "Kapital Macht Krieg"), sich die Unterschiede zwischen anarchistischen HausbesetzerInnen etwa in Iru?ea, den Straßenkämpfen (kale borroka) der militanten Jugendlichen und den häufig autoritären ETA-Strukturen genauer anzusehen? Wie gesagt, bitte hier mal etwas Butter bei die Fische! Es sind doch eher die Projektionen und Darstellungen der Herrschenden und der Repressionsorgane, all diese Gruppen in einen undurchschaubaren SympathisantInnensumpf zu werfen, um alle für alles verantwortlich machen zu können!
Auch eine - vielleicht nicht so gemeinte - unkritische Solidarität mit den Kämpfen in Palästina erscheint bestenfalls als plakative Parole, um in Abgrenzung zu anderen zu treten. Zur Klärung der komplexen Verhältnisse vor Ort trägt sie nicht bei. In der Inhalte-AG auf dem bundesweiten Treffen in Berlin wurde der Aussage nicht widersprochen, dass mensch sich sehr genau die Verhältnisse in den einzelnen Ländern anschauen müsse, was auch den Blick auf die jeweils kämpfenden Gruppen beinhaltet. Der Rechtsruck in der palästinensischen Bevölkerung ist für uns kein Grund, auch nur ein Pünktchen der Kritik an der israelischen Besatzungspolitik zurück zu nehmen. Aber wir müssen deshalb keinesfalls mit der Hamas, dem Islamic Dshihad oder der Fatah solidarisch sein. Es gibt dagegen durchaus andere Gruppen, wie etwa die queere Black Laundry Gruppe, die palästinensische Lesbenorganisation Ashoa oder die anarchists against the wall, die beispielsweise auch grenzübergreifend agieren und uns allein deshalb relativ nahe stehen. Es ist für uns generell ein spannender Punkt, sich mit Kämpfen zu beschäftigen, die nicht in erster Linie aus einer nationalstaatlichen Perspektive heraus entstehen, sondern sich z.B. an sozialen Konfliktfeldern entzünden, wie etwa seit Anfang des Jahres die Streiks der säkular orientierten Busfahrergewerkschaft Vahed im Iran. Zum Schluss hätten wir von GIB und Co gerne noch gewusst, warum in ihrer Aufzählung die Kämpfe in Mexico nicht vorkommen!

Uns ist sehr daran gelegen, in unseren Anti-G8-Positionen und Aufrufen in Bezug auf Internationalismus und Antiimperialismus konkreter und identifizierbarer zu werden.

Die Phase der "strategischen Verbündeten" oder das alte Spiel "der-Feind-meines-Feindes-ist-mein-Freund" ist für uns definitiv vorbei, bzw. hat für viele auch noch nie Gültigkeit gehabt. An diesem Punkt ist viel mehr Genauigkeit nötig und einfache Parolen klären nichts. Die allgemeine Forderung "Solidarität mit den Kämpfen in xy" bleibt verdammt zahnlos, provoziert keine Auseinandersetzung über reaktionäre versus emanzipatorische Kämpfe. Diese Debatte wollen wir aber führen, um linksradikale Positionen klarer zu kriegen und zu äußern, weshalb wir hier ein paar unserer diskutierten Kriterien vorstellen.

- Auch wenn die meisten Kämpfe, riots und sozialen Bewegungen häufig ein Hauptanliegen haben - ein Beharren auf scheinbaren Hauptwidersprüchen ist für uns weit weg von emanzipatorischen und linksradikalen Positionen, weil dadurch andere Herrschaftsmechanismen schlicht ignoriert werden. Als solidarisch begreifen wir uns nur mit denjenigen, die sich ebenfalls auf Diskussionsprozesse darüber einlassen. Um Bewusstsein über verschiedene und zum Teil komplexe Unterdrückungsformen zu entwickeln, muss unserer Ansicht nach auch niemand AkademikerIn sein oder unsere gewohnten Begriffe verwen-den. Mit einem auf Diskussionsbereitschaft aufgebauten Ansatz kommen wir - gerade in internationaler Perspektive - mit Sicherheit weiter als mit einem festgeschriebenen Kodex.

- Für uns stellt eine klare Bezugnahme auf Kämpfe von unten einen wichtigen Punkt dar. Als Beispiel kann mensch etwa gerade in Argentinien wunderbar sehen, wie schnell ehemals emanzipatorische Bewegungen wie einige piqueteros und Stadtteilgruppen durch den Einsatz staatlicher Sozialpläne (eine Art erkämpftes Arbeitslosengeld) aufgekauft und integriert wurden - also mit Methoden, die dem bisher üblichen Klientelismus stark ähneln und darüber hinaus Wut und Auflehnung in kontrollierbare, bürokratische Bahnen kanalisieren. Für die übrigen, die versuchen, von dieser Staatskohle und damit politisch unabhängig zu bleiben, ist die Situation um so härter geworden, diese sind aber diejenigen Gruppen/Menschen, mit denen wir uns vor allem verbunden fühlen(8). Auch den Hype, der hier in der linken/linksradikalen Szene teilweise um Venezuela gemacht wird, können wir so nicht teilen. Auch wenn es dort einen viel größeren Unterschied zu vorher macht, wer nun in der Regierung sitzt, als ein Wechsel im hiesigen Parteienspektrum - wenn AkteurInnen sozialer Bewegungen (was Chavez ja noch nicht mal ist...) an die Regierung kommen, halten wir Skepsis für durchaus angebrachter als Jubel(9).
- Ein weiteres Kriterium ist die Ablehnung von reaktionär orientierten Gesellschaftsvorstellungen, die (fundamental) auf Religion beruhen, bzw. Religion zum Ausgangspunkt ihrer Ideen und Kämpfe machen(10). Christliche FundamentalistInnen stehen für uns ebenso auf der anderen Seite wie diejenigen, die sich für islamische GotteskriegerInnen halten - dabei ist der Streit darüber, ob hier etwa die Bibel oder der Koran falsch verstanden wurde, für uns nicht Gegenstand linksradikaler Debatten. Damit wollen wir uns nicht von solchen SozialrevolutionärInnen distanzieren, deren Überzeugungen auf religiösen Motiven aufbauen. Es bleibt für uns aber entscheidend, solche reaktionären Praxen und Theorien zu bekämpfen, die sich gegen alle diejenigen richten, die aus ihrer Sicht nicht oder anders 'glauben' wollen.
Teil 2 - Vorschläge für Aktionstage während des G8-Gipfels in Heiligendamm

Um jetzt nochmal konkreter zu werden: die Auseinandersetzung mit den bisher veröffentlichten Papieren und die Diskussionen auf den bundesweiten Treffen sowie in unserer Gruppe brachten uns dazu, ein paar Vorschläge für drei Aktionstage in Heiligendamm zu machen. Wir haben den Eindruck, es könnten sich drei große Themenkomplexe herauskristallisieren, die in den bisherigen Debatten häufig auftauchten bzw. von mehreren Gruppen / AktivistInnen / Strömungen stark gemacht wurden. Das ist Ausdruck unserer bisherigen Einschätzung, keinesfalls ein endgültiger Stand und zudem könnte alles bestimmt noch viel besser ausformuliert werden:

Krieg und Imperialismus
Migration
internationalistisch gegen Kapitalismus

Zu diesen drei großen Bereichen gibt es offensichtlich aktive Gruppen und Zusammenhänge, die dazu bereits arbeiten oder Vorschläge dazu gemacht haben - auch wir haben dazu einige Ideen:

Beim Thema Krieg und Imperialismus bietet es sich doch hervorragend an, zu einem Aktionstag am nahe Heiligendamm gelegenen Flugplatz Rostock-Laage aufzurufen. Laage ist Fliegerhorst des Jagdgeschwader 73 "Steinhoff"(11) und hat damit sowohl für die Bundeswehr als auch für NATO-Kräfte Bedeutung. Er spielt zudem eine zentrale Rolle als Startbahn für Eurofighter, die ab Sommer 2006 auf dem Bombodrom-Gelände nahe Wittstock den kombinierten Einsatz von Luft- und Bodentruppen üben wollen, was nicht wenige in der Region seit Jahren zu verhindern suchen. Gerade die Verbindung dieser für die Modernisierung der weltweiten NATO-Kriegsführung bedeutsamen militärischen Infrastruktur mit einer lokalen Protestbewegung gegen das Bombodrom verheißt die Möglichkeit, dass an einem solchen Aktionstag viel mehr als nur ein paar tausend Linksradikale mobilisierbar sind. Der Flugplatz liegt direkt an der Autobahn Berlin-Rostock und stellt sich somit als ein ideales Aktionsterrain dar. Daneben ist vorstellbar, dass zum G8-Gipfel dieser Flughafen einen Teil der benötigten Infrastruktur darstellt und einige Gipfelschweine dort auch einschweben werden.
Wir meinen deshalb, ein Aktionstag in Laage eignet sich ganz großartig, um nicht nur Kriege ganz im allgemeinen zu kritisieren, sondern konkrete Infrastruktur sichtbar und angreifbar zu machen. Inhaltlich wären wir hier noch gefordert, die eher schleichende Militarisierung des Alltags zu thematisieren, wobei eine Schwierigkeit darin besteht, zwischen Ideologien, Testballons und tatsächlich realisierter Militarisierung zu unterscheiden. Da ist manch ein Punkt noch ganz schön unausgereift. So war es in unseren Diskussionen relativ unstrittig, dass der Plan, die Akzeptanz für die Bundeswehr an der Flut-, Schnee- oder nun eben Vogelgrippefront herzustellen, leider viel zu gut aufgeht. Ebenfalls einig waren wir uns darüber, dass die Einsätze von Polizei und Militär nicht erst seit der CDU-Forderung nach einem Einsatz der Bundeswehr während der Fussball-WM ineinander über gehen. Weit hitziger und geradezu schwierig gestaltete sich das Ringen um eine Einschätzung der Rolle, die Frauen in dieser Entwicklung spielen. Gibt es eine Art rundumerneuerte Frauen-zurück-an-den-Herd-Ideologie? Oder darf die starke Mutter von heute neben anderen Doppelbelastungen auch Waffen tragen? Oder dann doch nur den Versorgungspanzer fahren?

Zum Bereich Migration existiert bereits eine AG und wir gehen davon aus, dass von dort aus sowohl inhaltliche Schwerpunkte als auch praktische Aktionsvorschläge gemacht