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2006-05-22

Folterwelten.

Militarisierung - Repression - Weltwirtschaft.

Kampagnenvorschlag gegen G8/2007

Libertad!

G8 - rammen und versenken. Angesichts des bisherigen Mangels guter Slogans könnten wir uns mit diesem anfreunden. Auch mit anderen. Aber darum wird es in diesem Text nicht gehen.

Fünf Jahre dauert der so genannte „Krieg gegen den Terror“ schon an. Dieser Krieg dient der Absicherung des Weltmarktes und der damit verbundenen „westlichen Lebensweise“ in den Wohlstandsinseln der Welt.
Er ist nicht lokal begrenzt.

Mal offen, mal verdeckt ist er längst Weltinnenpolitik, um die vielfältigen sozialen und politischen Krisen in den Griff zu kriegen. Seinem Wesen nach ist er endlos. Krieg heißt Folter - und Folter ist Krieg gegen die Gesellschaft.

Die Herrschenden sagen: Das sind die Kosten der Freiheit, die wir tragen müssen. Wir sagen: Folter und bürgerliche Demokratie schließen sich so wenig aus, wie Krieg und Kapitalismus. Im Gegenteil. Deswegen: Gegen die Kosten der Freiheit!

Alle wissen es und niemand bestreitet ernsthaft, dass im Rahmen dieses Krieges Menschen entführt, in geheime Gefängnisse verschleppt und dort gefoltert werden. Der „Krieg gegen den Terror“ setzt neue Maßstäbe: im globalen rechtsfreien Raum sind die Menschenrechte im Namen der Menschenrechte außer Kraft gesetzt.
Entführung und Folter der ausgemachten Feinde westlicher Freiheit und Glückseligkeit sind nicht nur alltäglich, sondern durch ein juristisch-bürokratisches Regelwerk legitimiert. Dieser Krieg dient unmittelbar der Disziplinierung und autoritären Strukturierung der Gesellschaft. Immer mehr Menschen landen im Niemandsland der Rechtlosigkeit. Was bereits in den wenigen Jahren dieses Anti-Terror-Krieges durchgesetzt wurde - trotz, oder auch gerade durch den täglichen Skandal, wird nicht über Nacht wie ein böser Spuk verschwinden.

Die Folter formiert soziale und politische Verhältnisse; es ist jetzt schon abzusehen, dass die Anstrengung diese Formierung wieder loszuwerden immens sein wird.

Das ist unser Ausgangspunkt. Angesichts dieser Entwicklung ist es notwendig, grundsätzlich gegen Folter und Lagerhaft aufzutreten. Und weil jede Legitimierung von Folter dazu beiträgt, diese gesellschaftlich durchzusetzen, ist es darüber hinaus notwendig, gegen alle Folter-Befürworter entschieden vorzugehen. Für uns spielt da die Differenz zwischen dem Folterer und denjenigen, die sie gutheißen, keine große Rolle.

Aber - auch als Klarstellung: Antifolterkampf ist nicht Angelegenheit von Menschenrechtsgruppen. Es geht nicht um Themenpolitik, sondern um verantwortliche politische Intervention in die Verhältnisse. Menschenrechte gelten für alle - bedingungslos, unteilbar und ohne jedes Wenn und Aber.

Mit diesen Prämissen gehen wir in die Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. Daraus entwickeln wir den Vorschlag - oder: die zwingende Notwendigkeit -, die Frage von Krieg und Folter zu einem zentralen Strang in den Aktionen und Argumenten der gegen den Gipfel gerichteten Aktivitäten zu machen. Ab jetzt und unüberhörbar. Nicht alternativ oder gar konkurrent zu anderen zentralen Achsen des Angriffs auf die imperialen Zustände dieser Welt.

Die Gipfel der selbst ernannten Führer der Welt sind ein Brennpunkt neoliberaler und imperialer Politik. Der Widerstand gegen diese Verhältnisse muss solche Events nutzen, diese Zurichtung der Welt und der Menschen grundsätzlich in Frage zu stellen und anzugreifen. Denn in Punkto Sicherheit, Ökonomie und Governance geht es bei diesen Gipfeln um den Zugriff der neoliberalen Ideologie und Praxis der Herrschenden auf alle Lebensbereiche.
Der G8-Gipfel bietet die Möglichkeit, von der entgegengesetzten, emanzipatorischen Seite unterschiedliche Kritiken und alternative Vorstellungen zusammenzuführen, zu vernetzen und zu zuspitzen - seien es feministische, antifaschistische oder antimilitaristische, sei es von Migrant/innen, Erwerbslosen, Ökoaktivist/innen oder Antikapitalist/innen - und damit die menschenverachtende Politik sichtbar zu machen und der G8 die Legitimation und politische Deutungshoheit abzusprechen.

Dabei haben wir nicht die Illusion, dass der Gipfelprotest, wie erfolgreich auch immer, die Verhältnisse grundsätzlich zum Tanzen bringt. Aber er ist ein guter Anlass, unseren Rhythmus auszuloten - und das heißt, eine gemeinsame Praxis über den Gipfel hinaus zu finden. So gehen wir in die nächsten Monate, wissend um die „Mühen der Ebene“, die vor und nach den Gipfeln liegen.

Darin verorten wir unseren Vorschlag zu einer

- die G8-Mobilisierung begleitenden Anti-Folter-Kampagne
- für Aktionen gegen Bundeswehreinsätze und den drohenden Krieg gegen den Iran
- für Initiativen gegen Lagerhaft, ob nun von Flüchtlingen oder Gefangenen, ausgehend z.B. von den Camps 2006 und 2007
- für einen Aktionstag gegen Krieg und Folter während des Gipfels 2007, wie es ihn auch gegen das Migrationsregime geben muss.

In einer gemeinsamen Kampagne können wir die Zusammenhänge imperialistischer Interessen - Funktionalisierung und Liquidierung der Menschenrechte aufzeigen, die Heuchelei sowohl der „Koalition der Willigen” wie die der „Unwilligen” angreifen, den Legenden der „Ausrutscher” die Systematik gegenüber stellen, - eben Stellung beziehen gegen Krieg, Folter, gezielte Tötungen, Lager etc.

Die Aktivitäten sollen den Bogen spannen von Guantánamo-Bay, über Abu-Ghraib, den staatlichen gezielten Tötungen, den Folter-Joint-Ventures z.B. zwischen den USA und Marokko bis zu den europäischen Folterbefürwortern und -nutznießern. Verknüpfungen sollten und können hergestellt werden zu den Abschottungsstrategien gegen Flüchtlinge und Migrant/innen und der entsprechenden exterritorialen Lagerpolitik, Isolationshaft in Europa, EU-Antiterrorliste und neue Sicherheitsgesetze, DNA-Datei und Islamisten-Kartei....

Ziel ist dabei auch, z.B. konkret den Vorbereitungen weiterer Kriege gezielt in die Quere zu kommen. Oder, ebenso konkret in die Folterdebatte in Deutschland einzugreifen und die hiesigen „Folter-Sympathisanten“ anzugreifen und blosszustellen.
Dabei geht es uns darum, die internationale Entwicklung („Globalisierung“, permanente Kriege, Menschenrechts-Shutdown...) mit der Entwicklung in Europa/Deutschland (Verschärfung der „Inneren Sicherheit“, Durchsetzung der x-ten „Anti-Terror-Pakete“) zu verknüpfen - und Aktionsmöglichkeiten zu schaffen.

Als Beispiel nehmen wir die aktivistische Verknüpfung der Frage von Krieg und Folter während der NATO-Sicherheitskonferenz im Februar 2006 in München. Mit dem Transparent „Stoppt den globalen Krieg der NATO-Staaten“ wurde die Demonstration von einem „Gefangenentransport“ der besonderen Art angeführt: eine Gruppe von Menschen in orangefarbenen Overalls marschierte durch Münchens Straßen. Guantánamo-Bay ist überall.
Solche verbindenden Aktionen wünschen wir uns zahlreich vor und während des G8-Gipfels in Heiligendamm. Gerade im Rahmen der Gipfeltage muss es einen Aktionstag gegen Krieg, Folter und Lager geben.
Anlässe vor dem Gipfel 2007 sind z.B. die nächste Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2007, der NATO-Gipfel im Mai 2007 in Portugal oder die im Frühjahr 2007 stattfindenden Treffen der EU-Minister, oder die der zahlreichen „Expertenrunden“, die den Gipfel 2007 vorbereiten.

Foltern für die Menschenrechte

1948 wurde in der UN-Charta das Folterverbot als zwingendes Gewohnheitsrecht niedergeschrieben. In der Anti-Folterkonvention von 1984 wurde sie als absolutes Verbot, d.h. als „notstandsfeste Norm”, ohne Einschränkungen festgelegt. Trotzdem wurde natürlich weiter gefoltert - werden heute immer noch in über 100 Staaten Gefangene mit allen nur erdenklichen Techniken unter Druck gesetzt, drangsaliert und misshandelt.
Also: welchen Wert haben solche Abkommen, wenn sie sowieso nicht von allen Staaten eingehalten werden? Als allgemeine Richtlinien werden sie zur Basis der Verständigung zwischen Menschen und Völkern erklärt. Alle Menschen sind gleich, aber manche sind gleicher. Das gilt auch für Staaten. Abgesehen also von der Möglichkeit der individuellen Klage vor dem europäischen oder internationalen Menschengerichtshof, ist gegenwärtig die Frage der Menschenrechte vor allem eine ideologische Waffe in den Händen derer, die sie machtvoll aushebeln.

Darin ist der Westen geübt. Das Anprangern von Menschenrechtsverletzungen im „sozialistischen Lager“ war Bestandteil des antikommunistischen Rollbacks. Im Unterschied zu heute brauchte es allerdings aus Gründen der Systemkonkurrenz die feste Behauptung, dass so was im eigenen Lager nicht vorkommt. Heute gehen die Hauptmächte viel ungenierter zur Sache, nach dem Prinzip „Wer die Macht hat, hat das Recht” - oder kreiert es halt neu.

Als im Frühjahr 2004 die Fotos der gefolterten Gefangenen in Abu-Ghraib öffentlich wurden, verharmloste die US-Regierung zunächst diese erschütternden Misshandlungen als isolierte Fälle und wälzte die Verantwortung auf Einzeltäter der US-Streitkräfte („Bad Apples”) ab. Zu halten war diese Verteidigungslinie allerdings nicht, zu viele Fakten und digitale „Schnappschüsse” drangen in die Öffentlichkeit. Bis eindeutig klar war: Die Anweisungen, die Genfer Konventionen zu verletzen und die Gefangenen zu misshandeln, kamen direkt aus dem Weißen Haus und dem Pentagon. Von denen wurde natürlich bis heute niemand belangt.

Von Panama bis Abu-Ghraib

Die Fotos aus Abu-Ghraib dokumentieren Foltermethoden, die die CIA seit über 50 Jahren anwendet, perfektioniert und in andere Länder importiert.
In der „School of the Americas (SOA)” - seit 2001 in „Institut der westlichen Hemisphäre für Sicherheitszusammenarbeit” umbenannt - wurden im Rahmen des Counter Insurgency Programms ca. 60.000 Lateinamerikaner in gezieltem Töten, psychologischer Kriegsführung und Verhörmethoden ausgebildet. Zur „Förderung der Demokratie in Lateinamerika” wurden hunderttausende Menschen durch Absolventen der SOA gefoltert, massakriert, zum Verschwinden gebracht und ermordet. Als die Tupamaros 1970 einen angeblich zivilen Berater einer US-Hilfsorganisation namens Mitrione entführten, konnten sie den Zweck seines Aufenthaltes enttarnen. Als Mitglied des Office of Public Safety hatte er die Aufgabe, Militärs und Polizeischüler in lateinamerikanischen Ländern in Verhörmethoden für den Anti-Guerilla Kampf zu unterrichten. Wie diese Methoden auszusehen hatten, demonstrierte er bereits in seinen Unterrichtsstunden, in denen er vier Obdachlose mit Elektroschocks zu Tode folterte. Sein Motto lautete: „Der richtige Schmerz am richtigen Ort zur richtigen Zeit”.

Über dreißig Jahre später, dem Motto stets treu geblieben und die Methoden weiter ausgefeilt, wird die Folter heute als notwendiger Teil des Kampfes für Menschenrechte legitimiert. Der Zweck heiligt also die Mittel. Internationale Abkommen, wie z.B. die Anti-Folterkonvention der UNO von 1984, die jede physische und psychische Misshandlung von Gefangenen verbietet, oder die Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen werden von der USA, Großbritannien oder anderen ihr beigetretenen Staaten ignoriert, bzw. ausgesetzt, wie Bush 2002 bekannt gab. Justizminister Gonzales erklärte 2005 öffentlich, dass sich amerikanische Agenten nicht in jedem Fall an die Antifolterkonvention halten müsse. Kriegsminister Rumsfeld erließ ein Geheimprogramm zur Verfolgung der Al-Qaida-Führung, das Folter und Mord genehmigt, und CIA-Direktor Porter Goss erklärte das „waterboarding” zur offiziellen Verhörmethode. Parallel dazu wird die Definition von Folter eingeschränkt, mit der Absicht den Taten die Schärfe zu nehmen und ungehindert agieren zu können. Durch die Verharmlosung von Folter werden weltweit Maßstäbe gesetzt und Präzedenzfälle geschaffen.

In aller Öffentlichkeit

Darin unterscheidet sich die Situation heute von der vor 30 Jahren: Folter und Menschenrechtsverletzungen finden quasi in aller Öffentlichkeit statt; sie werden nicht grundsätzlich geleugnet, sondern relativiert und gerechtfertigt. Es ist nicht notwendig Folterspezialisten zu entführen, um Skandale aufzudecken. Diese decken sich durch heutige Informationstechnologien und dem kolonialistischen Siegergehabe der Täter fast schon von selbst auf. Die ganze Welt weiß mittlerweile darüber Bescheid, wenn auch nicht um jedes Detail. Während andere Staaten in solch einem Fall längst Strafsanktionen unterworfen worden wären, besteht diese Gefahr für die Weltmacht nicht.

Die US-Regierung präsentiert sich als grenzenlose Macht, die im „Enduring Freedom” genannten Anti-Terror Krieg über jedes Recht erhaben ist. Nicht umsonst lehnt sie den Internationalen Strafgerichtshof als Instanz ab. Niemand soll es wagen sich dieser Macht entgegenzustellen oder über sie zu richten.

Im Zuge der globalen Machtpolitik wurde neben „Schurkenstaaten” auch eine neue Menschenklasse erschaffen: „The unlawfull enemy combatant“. Einen ähnlichen Status des „Gesetzlosen” benutzte die französische Regierung bereits im Algerienkrieg, um die Gefangenen aus dem Befreiungskampf ohne Schutz durch die Genfer Konventionen foltern zu können. Ein ungehöriges Maß an Rassismus und Menschenverachtung ist vonnöten, um diese Selektion zwischen den „Zivilisierten” und „Nicht-Zivilisierten” zu betreiben oder zu unterstützen.

Weder die Genfer Konventionen, die die Behandlung als Kriegsgefangene ermöglichen, noch die amerikanische Gerichtsbarkeit werden den Gefangenen in den Lagern zugestanden. Noch immer befinden sich 400 dieser rechtlosen Menschen aus 35 Nationen in Lagern des US-Stüztzpunkts in Guantánamo-Bay auf Kuba. Wie viele insgesamt in geheimen Lagern und Folterkammern gefangen gehalten werden, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass sie existieren, und dass die US-Regierung in ihrem Krieg durchaus bereitwillige Helfer und Begleiter hat, die ebenso wenig Skrupel haben, schlimmste Menschenrechtsverletzungen im Kreuzzug für Menschenrechte zu begehen oder aus ihnen Profit zu schlagen.

Ein System, „rendition” genannt, ermöglicht die Übergabe von Gefangenen an Länder wie Syrien, Ägypten, Marokko oder Pakistan zum Zwecke der „Nachrichtengewinnung”. Bush erließ 2001 eigens dafür eine Direktive, die diese Maßnahmen legitimiert. „Verdächtige Personen” werden von der CIA entführt und in entsprechende befreundete Folterregime zum Verhör gebracht. Gleichzeitig prangert der US-Menschenrechtsbericht Folter in Ägypten an. In dieses geheime CIA-Foltersystem sind dutzende Staaten involviert, solche, die Stützpunkte und Kerker zur Verfügung stell(t)en, die die Verschubung der Gefangenen durch Zwischenlandungen erlaubten, oder an Verhören teilnahmen.

Das Geheime ist allerdings nur bedingt, denn die Öffentlichkeit weiß um die Tatsache - und soll es auch wissen. So wie alle wissen, dass die Menschenwürde auf Polizeirevieren, in Gefängnissen oder bei Abschiebungen nicht gerade eine Heimstatt hat. Willkür und Gewalt von Polizeibeamten, Bundesgrenzschutz oder Gefängniswärtern haben bereits mehrere Todesopfer gefordert. Die Isolationshaft wurde jahrzehntelang als „weiße” Folter gegen politische Gefangene in der BRD eingesetzt und in andere Länder exportiert. Während aber die deutschen Regierungen öffentlich und vor Menschenrechtsgremien abstritten, dass politische Gefangene gefoltert würden, und wer das Gegenteil behauptete, strafrechtlich verfolgt wurde, interessiert das die US-Regierung wenig.

Folter ist Krieg gegen die Gesellschaft

Folter ist eine allmächtige Waffe, die nicht nur bei den gefolterten Menschen Schmerz und Ohnmacht erzeugen soll, ausgeliefert und ohne Hoffnung. In der Gefangenschaft steht der Staat dem Menschen in voller Machtentfaltung gegenüber. Gefangene zum Sprechen zu zwingen und Geständnisse zu produzieren ist nur eine Funktion von Folter. Letztendlich geht es um die Beherrschung von Menschen - in der Folter ist das konkret und unmittelbar. Sie manifestiert die gewaltsame Dimension der Macht und zielt darauf ab, den Willen eines Menschen zu brechen. Der gefolterte Mensch soll verdinglicht, d.h. zu einer Sache herabgewürdigt werden. Auch das zeigen die Fotos von Abu-Ghraib: Die Entmenschlichung der einen durch ihr eigenes grausames Tun, und die Entwürdigung und Demütigung der anderen. Diese Folterszenen dienten nicht dem Verhör, sondern der moralischen und religiösen Erniedrigung, die sich auch an die Zuschauer richtete. Die Dokumentation der Misshandlungen, die sexuelle Erniedrigungen als gängige Praxis zeigen, die auch in den USA an der Tagesordnung sind, ist Teil der Macht- und Unterwerfungsstrategie. Demonstriert an den Gefangenen, während die Besatzungsmacht ansonsten im Irak nur Niederlagen erleidet.

Regime jeder Sorte bedienen sich der Folter, um ihre Herrschaft zu stabilisieren und oppositionelle Bewegungen abzuschrecken. Die ganze Gesellschaft soll diszipliniert und autoritär organisiert werden. Die Gewalt, die von „oben” kommt, legitimiert und forciert gewalttätige und rassistische Strukturen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Mitwissende werden zu Mittätern. Die Verteidigung der westlichen Lebensform fordert diesen Preis. Wer nicht dagegen ist, ist dafür. Und dagegen zu sein, beinhaltet deswegen auch die ziemlich fundamentale Kritik einer Lebensweise, die damit leben kann. Nur oberflächlich verdeckt die behauptete Normalität kolonialistisches Denken und rassistische Strukturen. Die Rechtfertigung für den „Anti-Terror-Krieg“ und die Folter produzieren dabei nicht die Regierungen, sondern diejenigen, die sie zulassen.
Diese autoritäre Formierung durchdringt alle sozialen Beziehungen, vergiftet sie. Und das ist durchaus gewollt.
Wenn also nach Abu-Ghraib in Kindergärten das Räuber und Gendarm-Spiel durch das Spielen der Folter abgelöst wurde, ist das nur folgerichtig. So was kommt von so was.

Krieg und prekäre Verhältnisse

Dass der Krieg die Lebensbedingungen der Betroffenen zu einer äußeren Angelegenheit macht, ist allen bewusst. Aber ist nicht genau das der Zweck dieses nicht-enden-dürfenden Anti-Terror-Krieges? Soziale Sicherheiten werden weltweit abgebaut und immer größere Teile der Bevölkerungen können an den produzierten Reichtümern nicht mehr teilhaben. Die neoliberale Ausrichtung des Kapitals erzeugt neue Formen einer globalen Kolonisierung. So genannte Sonderproduktionszonen wie die Maquiladoras, in denen die Arbeiter/innen keinerlei Rechte haben, erfahren globale Ausweitung. Bis zu 30 Millionen Menschen, insbesondere Frauen, auf 70 Länder verteilt, von China bis Honduras schuften in diesen Fabriken.
Im Zuge der Privatisierung und Deregulierung wird das Heer der Ausgebeuteten und Arbeitslosen immer größer. Neo-Liberalismus, der in seiner Ideologie häufig mit dem Begriff der „Freiheit” jongliert , ist nichts anderes als ein globalisierter Kapitalismus mit transkontinentalen Oligarchien. Auch in Europa vertieft sich der Bruch zwischen denen, die noch Arbeit haben, also noch gebraucht werden und denen, die keine mehr haben, also auch nicht gebraucht werden.

Kapitalistische Globalisierung bedeutet nichts anderes als Fragmentierung und soziale Ausgrenzung. Dafür sorgen elektronische Überwachungssysteme, die an den Grenzen aufgestellt werden. Dafür sorgt die Diskrepanz zwischen Industriestaaten und Billiglohnländern. Dafür sorgt die Einteilung in Menschen mit und ohne Grundrechte.

Der „Krieg gegen den Terrorismus“ ist mit der Ausweitung des Welthandels verkoppelt und legitimiert jede Brutalität. Letztlich ist auch der Freihandel nur eine andere Kriegswaffe. Die neoliberale Ideologie verkauft die Gesetze des Marktes als zwangsläufig und naturgemäß. Jeder Widerstand für Veränderungen soll zwecklos erscheinen. Die Menschen sollen, verdinglicht, als Material in den Profitmaschinen eingesetzt werden oder als nutzloses Überbleibsel vermodern. Für dieses kapitalisierte Verhältnis zum Menschsein und den Grundbedürfnissen könnten zahllose Beispiele aufgezeigt werden. Armut, Hunger, wieder aufkommende Seuchen, die mit wenigen Mitteln verhindert werden könnten, die Privatisierung von Trinkwasser oder die Patentierung von Nahrungsmitteln sind nicht Auswirkungen, sondern Teil der neo-liberalen Strategie. Ehemals vorhandene soziale und politische Kontroll- und Schutzmechanismen werden im Zuge der Deregulierung und Privatisierung ab- bzw. aufgelöst.

Ausnahmezustand ist demokratische Normalität

Die Politik des permanenten Ausnahmezustandes, die seit dem 11.9. 2001 auf allen Ebenen die globalen Strukturen bestimmt, stellt den Geltungsanspruch verfassungsrechtlicher Garantien und internationaler Verpflichtungen, also den Geltungsanspruch von Recht überhaupt, offensiv in Frage. „Verdächtigen Personen” - ein der politischen Konjunktur unterworfener und nur dadurch bestimmbarer Personenkreis - werden in Folge Grund- und Bürgerrechte abgesprochen. Ständig erweiterte restriktive Sicherheitsmaßnahmen schränken die bürgerlichen Freiheitsrechte auf innenpolitischer und globaler Ebene immer stärker ein. Dafür werden gesetzliche Grundlagen geschaffen, vorhandene Gesetze verändert und der übergesetzliche Notstand zum Normalzustand umdefiniert.

Wir nennen nur einige Beispiele: Die EU-„Terrorliste”, der europäische Haftbefehl, der Flugdatenabgleich, die Aufnahme biometrischer Daten in Personaldokumente, der allgemeine Ausbau von Datenbanken und Sicherheitsbehörden, Überwachungskameras im öffentlichen Raum, Militäreinsätze im Inneren, Repression gegen Arbeitskämpfe, Flugüberwachung bei der Fußball-WM und, und, und...

Die Institutionalisierung der Ausnahme zeigten schon die Sondergesetze, die ursprünglich gegen die bewaffneten Gruppen nach 1970 eingeführt wurden. Obwohl es diese Gruppen nicht mehr gibt, werden die Gesetze weiter angewandt und ausgebaut, Sonderhaftbedingungen staatenübergreifend angeglichen und gegen immer größere Gruppen von politischen Gefangenen angewendet.

Der permanente Kriegszustand in „Zeiten des Terrors” bietet und bildet den Rahmen, die früher als Notstandsmaßnahmen definierte Außerkraftsetzung demokratischer Prinzipien als Norm zu verankern. Das ist das, was wir die Etablierung des Rechts, keine Rechte zu haben, nennen. Dies ist die Art von Weltinnenpolitik, wie sie auf G8-Gipfeln besprochen, beschlossen und in der Folge weltweit durchgesetzt wird. Bei so viel Extra-Legalität, normalisierender Ausnahme, dauerhaft temporären Sondermaßnahmen, scheinen die Herrschenden nur bedingt nach dem Motto zu verfahren: legal, illegal, scheißegal.

Menschenrechte revolutionär durchsetzen?

Die schon erwähnte Menschenrechtsdeklaration von 1948 behauptete eine globale Gültigkeit und gab den klassischen Freiheitsrechten universelle Geltung. Sie war nicht nur Konsequenz der maßlosen Menschenrechtsverletzungen im Faschismus und 2. Weltkrieg, sondern ihr gingen 200 Jahre heftige Auseinandersetzungen voraus. Seit der Aufklärung wurden die wichtigsten Eigenschaften der Menschenrechte mit ihrer Vorstaatlichkeit und ihrer Unveräußerlichbarkeit begründet.

Der Realität entsprach dies allerdings nie. Obgleich die bürgerlichen Menschenrechte z.B. in den „Virginia Bill of Rights” 1776 in den Vereinigten Staaten Verfassungsrang hatten, wurden weiter Sklaven gehalten und das Land kolonisiert.

Die Menschenrechte wurden zu einem Kampfbegriff - gegen Monarchismus und feudale Strukturen. Die Durchsetzung der Bourgeoisie, aber auch die Abschaffung der Sklaverei oder das allgemeine Wahlrecht erfolgten in ihrem Namen. Und zu diesen Bürgerrechten gehörte auch das Recht auf Eigentum an den Produktionsmitteln und das Recht auf Ausbeutung von Menschen und Natur. Die soziale Verelendung des entstehenden Proletariats während der Industrialisierung war also durchaus menschenrechtskonform. Deswegen begriffen Marx und die sich entwickelnde Arbeiter/innenbewegung die individuellen Freiheitsrechte als bourgeoises Konzept, das dazu diente, die Position der herrschenden Klasse zu festigen, und forderte die sozialen Rechte ein.

Der Konflikt über die Gleichrangigkeit zwischen den sozialen und individuellen Menschenrechten findet sich in den globalen Auseinandersetzungen bis heute wieder. In diesem Konflikt drückt sich auch der Klassenkampf aus - und Rechtsdefinitionen enthüllen den Klassencharakter ihrer Protagonisten, selbst wenn es nur auf Papier steht und nicht Wirklichkeit ist. So war es natürlich eine wichtige Entwicklung, als in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf Druck der so genannten Entwicklungsländer das Recht der Völker auf Selbstbestimmung in ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung als Konvention angenommen wurde. 1993 wurde auf der Weltmenschenrechtskonferenz in Wien ein Verhältnis der ”Nichtselektivität” zwischen den zivilen und politischen und den wirtschaftlich, sozialen und kulturellen Menschenrechten definiert. Die in diesen Jahren festgelegten Rechte für Frauen, gegen Rassendiskriminierung, gegen Folter oder gegen die Apartheid verweisen auf internationale gesellschaftliche Prozesse, die ihren Einfluss geltend machten. Denn ohne die realen Bewegungen gegen Kolonialismus, ohne die Frauenbewegung und die Kämpfe der Anti-Apartheidsbewegung hätten diese Konventionen niemals Einzug in die UNO gehalten.

Wenn wir also von Menschenrechten reden, beziehen wir uns nicht auf die Papiere und Konventionen, sondern in erster Linie auf die Prozesse, die sie formulieren und für ihre Umsetzung kämpfen.

Unbeeindruckt von diesen Definitionen verschärft sich die soziale Entwicklung weltweit. Die Widersprüche zwischen Arm und Reich verschärfen sich zusehends. In jedem Moment werden immense Reichtümer geschaffen, während gleichzeitig über zwei Milliarden Menschen in absoluter Armut leben. Täglich sterben ca 100 .000 Menschen an Hunger oder seinen Folgen. Um diese Wirklichkeit geht es - und um das Regime, das diese Wirklichkeit braucht, produziert und sichert.

Kein ruhiges Hinterland für Folterer und ihre Befürworter

Es wäre tatsächlicher purer Antiamerikanismus, Folter als ausschließliche US-Praxis zu thematisieren. Die amerikanisch-britische Koalition mitsamt ihren polnischen, spanischen, italienischen u. a. Hilfstruppen bilden eine internationale Foltergemeinschaft im Irak. Und die hat auch Bestand im weltweiten System der geheimen Kerker. Und da machten (und machen) auch die Staaten, wie Deutschland, mit, die nicht direkt im Irak militärisch eingreifen wollten. Täglich werden uns neue Beispiele präsentiert: Die kanadische Regierung torpedierte ein Abkommen, welches das „Verschwindenlassen von Gefangenen” verbieten sollte. Die EU-Staaten schieben in großer Einigkeit Gefangene in Folter-Staaten ab. Deutsche Sicherheitsdienste besuchen Folteropfer und übersehen die Blessuren. Bundeskriminalamt und der Bundesnachrichtendienst machen sich unter Folter erpresste Aussagen zu nutze. Undsoweiterundsofort.

Das alles verwundert nicht, gibt es doch seit Jahren hierzulande eine Debatte, die das absolute Folterverbot zunehmend in Frage stellt. Die potentiell vorhandene gesellschaftliche Bereitschaft, diesen Tabubruch zu vollziehen, zeigte sich in der Diskussion um das Verhalten des damaligen Frankfurter Polizeivizepräsidenten Daschner, der im Herbst 2002 einem Kindesentführer Folter androhen ließ, um Informationen über das Versteck zu erzwingen. Er konnte auf das Verständnis von Repräsentanten aus Justiz, Politik und Medien zählen. Auf die des Stammtisches ohnehin.

„Die auf Lebensrettung gerichtete Finalität” lässt die „Androhung oder Zufügung körperlichen Übels” schon mal zu. Das heisst, wenn Leben gerettet werden kann, dann ist der Einsatz von „ein bisschen Folter” durchaus legitim. Auf diesem Niveau wurden Positionen geltend gemacht, Grundrechte gegeneinander gerechnet, und die Menschenwürde in neuen Kommentaren zum Grundgesetz feinsinning juristisch angetastet. Damit andere die Hand anlegen können. Bedrohungsszenarien werden erschaffen, um die Notwendigkeit für Ausnahmen salonfähig zu machen. Begründet mit einer verschärften Sicherheitslage in Europa nach den Anschlägen von Madrid und London wird zuerst argumentativ die Geltung der Menschenrechte für Alle zur Disposition gestellt - um dann den handgreiflich werdenden Folterknechten und ihren Vorgesetzten ein Notwehrrecht einzuräumen.

Der Trick ist die grundsätzliche Unantastbarkeit in einen zu schützenden Kern und ein angreifbares Außen des Menschen aufzusplitten. Die Befürwortung der Zulässigkeit von Folter in Ausnahmefällen führt direkt in den Ausnahmestaat, der den Ausnahmezustand institutionalisiert. Aber allein schon, dass am Beispiel des Daschner-Falls Folter diskutabel wurde und das Für und Wider abendliches Unterhaltungsprogramm in Talk-Shows wurde, zeigt den „moralischen Dammbruch“ auf, den die Gesellschaft bereits vollzogen hat.
Deswegen auch: kein ruhiges Hinterland für Folterer und ihre Befürworter!

Anti-Folter-Kampf ist kein Thema, keine Sache von Menschenrechtsgruppen

Das meinen wir wörtlich und in jedem Sinne. Zuerst mal, dass dieser Kampf von so zentraler Bedeutung für den eigenen Begriff sozialer Perspektiven ist, dass man es gar nicht irgendwelchen „Spezialgruppen“, auch nicht Libertad!, überlassen darf. Deswegen ist es auch kein Thema, einzureihen in der Vielfalt linker Themen und dem seit einigen Jahren grassierenden Verständnis von Themen-Politik statt gesellschaftlicher Organisierung. Dass es aber kaum ein Thema in der Argumentation und Praxis linker Gruppen ist, hat wiederum sicher damit zu tun, dass es für eine zweitrangige Frage gehalten wird.

Tatsächlich berührt die Frage von Krieg und Folter einen Zentralbereich linker Politik und Vorstellung. Ignorieren und Nicht-Verhalten stellt die Fähigkeit, gesellschaftliche Perspektiven zu entwickeln, in Frage. Wie andererseits jedes taktische Lavieren (nicht ganz unbekannt in der Geschichte linker Bewegungen) Befreiungsansätze zerstört.

Globales Handeln ist möglich

Ein zentrales politisches Anliegen in der G8/2007-Mobilisierung von uns ist, diese Zusammenhänge in den Aktivitäten aufzugreifen und Widerstandsperspektiven zu entwickeln. Der Kampf für des Menschen Recht stellt das globale Ausbeutungssystem grundsätzlich in Frage und kann unserer Meinung nach nur antikapitalistisch geführt werden. Der Kampf gegen Folter und Todesstrafe richtet sich gegen die Zerstörung jeglicher menschlicher Werte und Würde. Die neoliberale Ideologie will Solidarität zerstören - wir wollen sie aufbauen, an jedem Punkt, an dem Menschen zusammentreffen, die die kapitalistische Verwertung ablehnen und sich andere Gesellschaftsformen vorstellen können.

Dafür ist der G8-Gipfel eine gute Möglichkeit. Der Prozess der Vorbereitung und Organisierung kann Strukturen der nationalen wie internationalen Zusammenarbeit vertiefen und gemeinsame Ziele klarer werden lassen. Wir sind da nicht nur guten Mutes, sondern auch zu allen Schandtaten bereit. Schon jetzt sind verschiedene Schwerpunkte der politischen Arbeit und Praxis in der Mobilisierung vertreten. Wir halten das für eine große Bereicherung. Da die globalen Themen der Ausbeutung jeder Couleur miteinander verbunden sind, muss es unser Widerstand auch sein. Gegen ein System der Privatisierung setzen wir einen Prozess der Kollektivierung. Gegen soziale Ausgrenzung setzen wir auf eine Welt ohne Grenzen.

Diese Ziele wollen wir in der Mobilisierung, während des Gipfels und danach als Inhalte praktisch erfahrbar machen. Gegen die Verdinglichung setzen wir unseren Widerstand gegen alle Instanzen, die den Menschen nicht mehr als autonomes Subjekt verstehen.

Für eine radikale Intervention in die Verhältnisse.
Für das produktive Chaos des Aufruhrs.
Für einen Widerstand, der auf Befreiung zielt.

Ahoi.

Initiative Libertad!, Mai 2006

[ Libertad!, Falkstr. 74, D-60487 Frankfurt -eMail: kampagne@libertad.de - Internet: www.libertad.de ]

Kasten 1: Die Gruppe der 8

Seit 1975 treffen sich die Staats- und Regierungschefs der führenden kapitalistischen Industriestaaten jährlich zu Weltwirtschaftsgipfeln. Seit einigen Jahren inklusive Russland. Sie diskutieren ihre politischen Angelegenheiten, tragen Meinungsverschiedenheiten aus und koordinieren das gemeinsame Vorgehen in internationalen Institutionen. Beinahe keine sicherheits- und wirtschaftspolitische Entscheidung oder Initiative in Internationalen Organisationen der letzten Jahre wurde nicht vorab im Rahmen der G8 diskutiert und vorstrukturiert. Dabei stellen die Gipfel nur die symbolischen Höhepunkte eines weit gespannten Netzes von Beratungs- und Entscheidungstreffen dar. Obwohl keine gewählte Institution oder offizielles Gremium, inszenieren sich die Chefs als Sachwalter der globalen Probleme und kreieren Lösungen, worüber sie sich in der öffentlichen Wahrnehmung legitimieren. Verstärkt wird diese Legitimierungsstrategie noch dadurch, dass vorwiegend ”populäre” Themen wie Armut und Entschuldung medial nach außen getragen werden und dass durch die Einladung von Regierungsvertretern der betroffenen Länder und NGOs scheinbar auch die Stimme der Kritik Gehör findet. Jenseits des eigentlichen Gipfels und abseits des Medienhypes treffen sich im Vorfeld z.B. die Finanzminister, die Außenminister, sowie zahlreiche Expertengruppen.

Mit einem Stimmenanteil von nahezu 50 % im IWF und in der Weltbank und mit 4 von 5 Stimmen im ständigen Sicherheitsrat, mit mehr als 65% des weltweiten Bruttonationaleinkommens (BNE) und 60% der Militärausgaben, konzentriert sich in den G8-Staaten der Großteil der institutionellen, ökonomischen und militärischen Macht. Das ermöglicht, quasi alle Entscheidungen in relevanten Institutionen zu dominieren und somit die kapitalistische Wirtschaftsordnung und imperiale Weltordnung auszubauen bzw. zu sichern.

Je mehr politische Felder die G8 für sich beanspruchten, je stärker der Neoliberalismus als herrschende Ideologie und Praxis propagiert und durchgesetzt wurde, desto stärker und breiter wurde auch die Kritik und der Protest. 1984 in London gab es mit „The Other Economic Summit“ den ersten Gegengipfel, und 1985 in Bonn die ersten Aktionen auf der Straße. Ab den 1990er Jahren, als nach Wegfall der Blockkonfrontation die propagierte „Neue Weltordnung“ dominant wurde, mehrten sich die Gegenaktionen zu den Gipfeln und Tagungen anderer neoliberaler Organisationen wie IWF, WHO und Weltbank (1988 Berlin, 1989 Paris, 1992 München etc...) Eine Kulmination fand der Protest 1999 in Seattle, wo es zigtausenden Aktivist/innen ausgerechnet in den vermeintlich sicheren USA gelang, das Treffen der WTO massiv zu stören, sowie in Genua, wo Hunderttausende auf der Straße gegen die G8 und ihre menschenverachtende Politik demonstrierten.

Der diesjährige Gipfel in St. Petersburg hat die Themen Energiesicherheit, Bildung und Infektionskrankheiten auf der Agenda. Als informelles Treffen im Geiste des Kamingesprächs sind öffentliche Protokolle nicht vorgesehen - die Prozesse der Entscheidungsfindung verschleiern die Abschlusspapiere. Wer „gerechte Lösungen“ erwartet, kann sicher zu Recht als naiv bezeichnet werden. Vielmehr geht es um die geostrategische Sicherung der Energievorkommen für die Metropole auf Kosten der Peripherie, um Megaprojekte, gefördert von der Weltbank, wie Staudämme, die den westlichen Firmen viel, den Menschen aber wenig bringen, um Bioregulation statt um Gesundheitsversorgung für Alle umsonst, um Privatisierung des Bildungssektors statt um das Recht auf Bildung aller. Und im Zuge der jüngsten Eskalation ist auch das Thema Iran, bzw. ein imperialer Krieg, nicht ausgeschlossen.

2007 tagen die selbsternannten Chefs der Welt in Deutschland, in Heiligendamm. Was sie dort auszuhandeln gedenken, ist bisher nur grob bekannt. Vermutlich steht das „geistige Eigentum” auf der Tagesordnung. Dieser unscheinbare Begriff hat es in sich, dahinter verbirgt sich ein Kosmos unterschiedlichster neoliberaler Zugriffsinteressen. Die Bandbreite reicht vom Schutz vor Raubkopien bei Musik und Videos, von Patentschutz von Medikamenten beispielsweise gegen HIV bis hin zur Biopiraterie, der Patentierung von Gensequenzen von Pflanzen. Es wird also darum gehen, die „Investitionssicherheit” herzustellen und somit weitere Lebensbereiche der marktförmigen Verwertungslogik unterzuordnen.

Kasten 2: Krieg - sicher nicht das letzte Mittel der Politik

Am 11.Dezember 1994 marschierten russische Truppen nach Tschetschenien ein, nachdem sich das Land für unabhängig erklärt hatte. Nach dem Einsetzen einer Regierung durch die russische Besatzungsmacht hat sich am permanenten Kriegszustand nichts geändert. Die zivile Infrastruktur ist weitgehend zerstört, die Hauptstadt Grosny ein riesiges Ruinenfeld, 100.000de von Zivilist/innen waren und sind Opfer der fortdauernden Kämpfe. Putin ließ ab 2000 in Tschetschenien „Bärenzwinger” anlegen: ca. fünf Meter tiefe Erdlöcher, in die willkürlich festgenommene Menschen hinein gesteckt wurden und bei eisiger Kälte stundenlang stehen mussten. In so genannten „Filtrierungslagern” wurden „Verdächtige” zu Tode geprügelt, mit Strom gefoltert und Menschen mit Messern verstümmelt.

Am 24. März 1999 eröffnete die NATO den Krieg gegen Jugoslawien. Zum Anlass genommen wurden die Kämpfe zwischen der Belgrader Zentralregierung und der Kosovo-Untergrundarmee UCK, die sich nach der Aufhebung des Autonomiestatus der Provinz Kosovo 1989 gebildet hatte. Das Eingreifen der NATO beendete die Existenz des Staates Jugoslawien. Der erreichte „Friede” im Kosovo wird nur mit Hilfe einer internationalen Besatzungsarmee aufrechterhalten. Immer wieder kommt es zu bewaffneten Auseinandersetzungen.

Nach den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 stellte die NATO erstmals in ihrer Geschichte den Bündnisfall fest. Militärisch wurde die Herrschaft der Taliban in Afghanistan zerschlagen und eine neue Regierung eingesetzt. Nach fünf Jahren NATO-Truppenpräsenz in Afghanistan glaubt niemand mehr an ein „vorübergehendes Engagement“. Ein weiteres Dauerprotektorat wurde eingerichtet.

Am 20. März 2003 begann der Krieg gegen den Irak. Unter Führung US-amerikanischer und britischer Truppen wurde das Land angegriffen und besetzt. Nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein begann der Krieg erst richtig. Private Militärfirmen stellen mit 30.000 Einsatzkräften das zweitgrößte Kontingent nach den regulären US-Truppen. Sie decken fast das gesamte Spektrum von Armeen, Polizei und Geheimdiensten ab. Sie betreiben Ausbildungslager und stellen Vernehmungsexperten, die auch als Übersetzer getarnt an Verhören in Abu-Ghraib teilnahmen. Insgesamt sind Konzerne und private Militärfirmen maßgeblich an Entscheidungen, ob und wie Kriege geführt werden, beteiligt. Vom offiziellen Kriegsgrund, der Entwaffnung des Iraks in Bezug auf Massenvernichtungswaffen, war nach dem „Sieg“ nicht mehr die Rede. Nach Schätzungen sind während der Bombardierungen bis zu 100.000 Menschen getötet worden; jeden Monat kommen bis zu 1.000 zivile Opfer dazu. Der Irak ist heute ein Schlachtfeld des nicht endenden Gemetzels. Die „Koalition der Willigen“ hat das Land ins Chaos gestürzt.

An den meisten Kriegen der Ära nach dem Ende der Blockkonfrontation hatten und haben G8-Staaten wesentlichen Anteil: Durch die direkte Beteiligung, Billigung oder Initiierung der Kämpfe, durch Bereitstellung der eingesetzten Waffen, durch die ursprüngliche Aufrüstung der später bekämpften Kriegsgegner und durch die Abschöpfung der Gewinne aus dem so genannten „Wiederaufbau“. Krieg wird nicht als abwegiges, sondern als durchaus sinnvolles Mittel angesehen, z.B. um unbotmäßige lokale Machthaber zu disziplinieren, oder sich gegebenenfalls den Zugriff auf strategische Ressourcen, wie z.B. Erdöl zu sichern. So wie die deutschen Interessen am Hindukusch verteidigt werden (laut Ex-Kriegsminister Struck/SPD), wird „unser” Erdöl im Irak gesichert.
Das betrifft nicht nur die offiziell erklärten Kriege, auch die Konflikte, die in vielen Teilen der Welt von Söldnerheeren und paramilitärischen Einheiten geführt werden, ausgerüstet und ausgebildet von den G8-Staaten.

Oft treten in diesen Kriegen die ökonomischen Gründe in den Hintergrund. Einfluss und Macht müssen gesichert und westliche Ideologie und „Wertvorstellungen“ durchgesetzt werden. Im propagierten „Kampf der Kulturen” triumphiert die Leitkultur imperialistischer Prägung als allein gültiges Modell - und subsumiert gelegentlich auch nationalistische oder religiös-fundamentalistische Kräfte, die es an anderer Stelle zum rechtlosen Feind erklärt. Dieser Krieg ist längst Dauerzustand. Jederzeit und überall können kleinere Staaten zum Ziel eines Angriffs mit nachfolgender Besatzung werden. Anders als zu Zeiten der Ost-West-Konfrontation, als die „sowjetische Gefahr“ an jeder Ecke dieser Welt lauerte, entdeckt die westliche Wertegemeinschaft Demokratie und Antifaschismus als militärisch durchzusetzende Zwecke. Mal gilt es „ein neues Auschwitz zu verhindern“, hiltlergleiche Diktatoren zu entfernen, ABC-Waffenfreie Zonen zu errichten - und überhaupt alle Welt glücklicher zu machen. Derartige Propaganda verfängt durchaus auch bei „aufgeklärten“ Menschen, und so manche europäische Ex-Linken wandelten sich zu Bellizisten, schmieden Koalitionen mit Besatzungstruppen oder hoffen auf alternative imperialistische Lösungen àla Eurotruppen.

Kasten 3: Materialien gegen Folter

Libertad! hat unter dem Motto „Solidarität & Widerstand / Stoppt Folter, Hinrichtungen, Sonder- und Lagerhaft“ eine Plakatserie entwickelt. Mit ihnen werden exterritoriale Lagerhaft, extralegale Tötungen und Todesstrafe, Folter, Isolations- und Sonderhaft, Folterbefürwortung und Selektionslager für Flüchtlinge aufgegriffen und thematisiert. Die farbigen Plakate sind durch identische Elemente als Serie wiedererkennbar. So wird der Bogen gespannt von Guantánamo-Bay, über Abu Ghraib, den staatlichen gezielten Tötungen, den Folter-Joint-Ventures, der Folterdebatte in Deutschland bis zu den Abschottungsstrategien gegen Flüchtlinge und den neuen Sicherheitsgesetzen, DNA-Datei usw. Einige dieser Plakate sind bereits gedruckt. Außerdem so genannte “Fahrgastinfos” zum Aufhängen in Bus und Bahnen.
Die Materialien können bestellt werden: Libertad!, Falkstr. 74, 60487 Frankfurt - oder im Internet: http://www.libertad.de/antifolter