Der Digitalfunk sollte nun endlich bis zum Jahr 2010
flächendeckend in Deutschland zum Einsatz kommen. Am
1. Juni 2007 wurde das Verwaltungsabkommen über die
Zusammenarbeit von Bund und Ländern beim Aufbau und
Betrieb des Digitalfunks der Behörden und Organisationen
unterzeichnet.
Doch die Vorfreude sollte nicht lange halten. Nur ein paar
Tage später wurden weitere Verzögerungen eingeräumt –
weil in einigen Regionen die topografischen Bedingungen
funktechnisch problematisch seien – so eine Sprecherin
des Bundesinnenministeriums.
Dass der Digitalfunk in einigen
Regionen jedoch schon bestens
funktionierte, zeigt sich in
Mecklenburg-Vorpommern. Hier
konnte mittlerweile in zwei
Großeinsätzen die Funktionsfähigkeit
der digitalen Kommunikation
bewiesen werden, indem Polizei,
Feuerwehr und Rettungskräfte
mit dem abhörsicheren
Digitalfunk arbeiteten.
Unser Gesprächspartner Mario
Daether war während der Einsätze zum G8-Gipfel in Heiligendamm
sowie zum Besuch des USPräsidenten
George W. Bush in
Stralsund verantwortlich für die und der Funktionalität von
Digitalfunk bei Großeinsätzen
sprach Marco Bialecki mit ihm.
Mario Daether, wie gestaltete
sich der größte Polizeieinsatz in
der Geschichte der Bundesrepublik
– der G8-Gipfel – für Sie
und ihre Mitarbeiter?
Sehr arbeitsreich. Die Sicherstellung
der Funkkommunikation
für einen Polizeieinsatz in dieser
Größenordnung war eine bedeutende
Herausforderung für uns
alle.
Während sich die Politik so lange mit der Einführung des Digitalfunks
quält, hat man in Mecklenburg-
Vorpommern schon zwei
Großeinsätze mit dem Digitalfunk
gemeistert.
Was wurde hier anders
gemacht?
Die Bedingungen bei uns waren
natürlich andere, als sie sich bei
der bundesweiten Einführung des
Digitalfunks darstellen.
Spätestens nach dem Einsatz
zum Besuch des US-Präsidenten
Georg W. Bush in Stralsund war
klar, dass der Polizeieinsatz zum
G8-Gipfel allein mit Analogfunk
nicht sicherzustellen ist. Der Bedeutung des Einsatzes entsprechend
zogen alle Beteiligten aus
Politik und Polizei ergebnisorientiert
an einem Strang. Im
Vordergrund standen angesichts
des engen Zeitrahmens pragmatische
Lösungen.
Welche Schwierigkeiten waren
zu meistern?
Das ergäbe mit Sicherheit eine
lange Liste.
Die größte Schwierigkeit war
natürlich der zeitliche Rahmen für
die Vorbereitung und Realisierung
des Vorhabens. Der Einsatz zum
Besuch des US-Präsidenten brachte
uns sicherlich gute Erfahrungen,
kostete jedoch auch viel Zeit.
Ebenso entstanden Verzögerungen
durch die Verhandlungen mit
dem Bund zum Vorziehen eines
Netzabschnittes des bundesweiten
Digitalfunknetzes in M-V. Am
Ende blieben für Planung, Ausschreibung
und Realisierung des
Netzes Tetra4MV nur 6 Monate.
Worauf können Sie und Ihre
Mitarbeiter durchaus stolz sein?
Das derzeit größte deutsche
Digitalfunknetz eingerichtet und
unter Einsatzbedingungen betrieben
zu haben. Dabei hat sich gezeigt,
wie wichtig ein kommunikatives
Miteinander aller ist.
In diesem Zusammenhang
möchte ich nochmals allen an der
Sicherstellung der Funkkommunikation
sowohl im Digital- wie
auch Analogbereich Beteiligten
meinen herzlichen Dank aussprechen.
Stellvertretend möchte ich
hier Herrn Jansa vom LPBK,
Herrn Frank Pautzke aus der Projektgruppe
Digitalfunk des Innenministeriums
M-V, Herrn Wilfried
Collier aus der PD Neubrandenburg
und das Team von Motorola
nennen.
Die Presse meldete, dass es
Probleme gab – z. B. dass man
Digitalfunkgeräte aus NRW
nicht in Mecklenburg-Vorpommern
nutzen konnte. Woran
lag das?
Technisch wäre die Integration
von in anderen Bundesländern
vorhandener Digital-funktechnik möglich gewesen.
Der damit verbundene zeitliche
und personelle Aufwand zum
Umprogrammieren wäre jedoch
sehr hoch gewesen. Daher gaben
wir der Ausstattung der vorgesehen
Strukturen mit unserer Technik
den Vorzug.
Am 2. Juni soll in Rostock der
Digitalfunk teilweise ausgefallen
sein. Ein Gerücht?
Das Digitalfunknetz hat am 2.
Juni zu 100 % funktioniert. Es gab
keinerlei Ausfälle. Entsprechende
Aussagen in der Presse und im
Fernsehen kann ich nicht nachvollziehen.
Welche Erfahrungen brachte
dieser Einsatz?
Die wichtigsten Erfahrungen
sind sicherlich:
Das müssen Sie etwas genauer
erklären.
Der Digitalfunk bietet eine
Vielzahl von Diensten, wie z. B.
Telephonie oder Kurzdatenübertragung
(ähnlich SMS beim Handy).
Von Beginn an bestand unsere
Philosophie darin, dieses Netz
auf das Wesentliche und damit
Machbare zu beschränken. Die
normalerweise für eine sichere
Gerätehandhabung erforderlichen
umfangreichen Schulungen
der Einsatzkräfte wären nicht leistbar
gewesen. Von der sicheren
Handhabung der Geräte hängt jedoch
der Erfolg des Einsatzes ab.
In der Hauptsache wurde deshalb
die aus dem Analogfunk bekannte
Gruppenkommunikation
sowie Notruffunktionalität mit
GPS Teilnehmerortung sichergestellt.
Wie wichtig das war, bewies
sich spätestens bei den Ausschreitungen
am 2. Juni in Rostock.
Das Digitalfunknetz für den G8-
Gipfel wurde wieder abgebaut.
Hätte man das existierende Netz
nicht bestehen lassen können?
Sicherlich wäre aus meiner
Sicht die weitere Nutzung wünschenswert.
Der Staat will immer häufiger
eigene Bereiche auslagern. Auch
im IuK-Bereich bei der Polizei.
Wie sehen Sie persönlich die
Chancen der IuK-Mitarbeiter in
den jeweiligen Landespolizeien
mit der Einführung der Digitalfunktechnik?
Meine Erfahrungen sowohl aus
diesem Einsatz als auch aus der
alltäglichen Arbeit belegen eindeutig,
dass eigenes qualifiziertes
IuK-Personal zwingend erforderlich
ist.
Die Anforderungen an die Polizei
steigen, wie wir alle wissen,
ständig. Funktionierende IuK-Verbindungen
sind Grundvoraussetzung
für die Aufgabenerfüllung
der Polizei. Um diese sicherzustellen,
wird in der Zukunft
eigenes Personal benötigt, auch
wenn sich mit der Einführung
neuer Technik natürlich die Aufgaben
und Anforderungen wandeln.
Mit den immer komplexer werdenden
neuen Systemen wie z. B.
IP-Telephonie, Einsatzleitsysteme
oder dem Digitalfunk wachsen
eben auch die Anforderungen an
Administration, Monitoring und
Nutzermanagement ständig.
Schlecht oder gar nicht gepflegte
Datenbanken können fatale Folgen
haben. Daher brauchen wir
zwingend ein Bindeglied zwischen
Technik und Taktik, sprich eigenes
qualifiziertes IuK- Personal.
Und nicht zu vergessen die Aus- und
Fortbildung sowie Betreuung
der Anwender. Hand aufs Herz,
wer kann schon alle Funktionen
seines Handys aus dem eff eff bedienen.
Die Funktionalität eines
modernen Digitalfunkgerätes ist
eher noch komplexer. Die sichere
Bedienung ist hier Einsatz entscheidend
und lebenswichtig.
Mit der Privatisierung geht
zuallererst die Identifikation der
Mitarbeiter mit der Organisation
und deren Aufgaben verloren.
Die Abhängigkeit von Fremdfirmen
wächst. Das ist aus meiner
Sicht nicht zu verantworten, denn
die Firmen wollen und müssen in
erster Linie Geld verdienen. Für
die Polizei hingegen hat die Aufgabenerfüllung
höchste Priorität.