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2007-06-12

taz: Von der Autobahn in den Käfig

AKW-Gegner aus dem Wendland wurden bei G 8-Protesten von der Polizei offenbar gezielt präventiv festgenommen. Sprecherin der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg berichtet von Schikanen im provisorischen Gefängnis aus Drahtkäfigen

Mittwochmorgen, elf Uhr, ein Autobahnparkplatz kurz vor Rostock. Die Polizei winkt Autos zur Seite. Auffallend viele haben das Kennzeichen DAN für Dannenberg. Rund 25 AKW-Gegner waren am frühen Morgen im Wendland aufgebrochen und auf dem Weg zu einer angemeldeten Kundgebung, sagt die Vorsitzende der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Kerstin Rudek.

An der Polizeisperre aus quer gestellten Mannschaftswagen ist die Reise zu Ende. Gemeinsam mit rund 80 anderen Demonstranten werden die Atomkraftgegner festgenommen, ihre Wagen sichergestellt. “Wir durften weder aussteigen noch auf das vorhandene Dixi-Klo, nicht telefonieren und nicht rauchen”, sagt Rudek. Bei Nichtbefolgen hätten Beamte mit Gewalt gedroht. “Uns wurde unterstellt, wir würden solche polizeilichen Maßnahmen ja wohl zur Genüge kennen, wir aus Lüchow-Dannenberg.”

Die Gefangenen seien mit Plastikfesseln an den Händen zunächst in eine Wagenburg der Polizei und von dort am frühen Nachmittag in Bussen in Käfige in der Gefangenensammelstelle (Gesa) in der Rostocker Industriestraße gebracht worden. Rudek, die einen Käfig mit 19 weiteren Frauen teilte, berichtet von Polizeifotos und immer neuen Leibesvisitationen, “beim dritten Mal mit Abtasten im Schritt und der Brüste, widerlich”. Alle Gefangenen hätten Nummern bekommen, “ich hatte die 238″.

Erst rund vier Stunden nach der Festnahme durfte die BI-Frau telefonisch die Betreuung ihrer Kinder organisieren und über das “Legal Team” der Demo-Organisatoren einen Rechtsanwalt verständigen. Bis zu ihrer Freilassung am späten Abend seien aber keine Anwälte von der Polizei zu den Gorlebener Gefangenen durchgelassen worden. Stattdessen Schikanen: “Toilettengänge, Telefonate, Essen, später dann sogar Rauchen im Außenkäfig wurden protokolliert und musste meist stundenlang vorher angemeldet werden.”

Nachdem einige Frauen auf Beschluss eines Haftrichters freigekommen seien, habe die Polizei am späten Abend von sich aus weitere Gefangene freigelassen. Als Auflage gab es Platzverweise für das Stadtgebiet Rostock und den Landkreis Bad Doberan. Dass Rudek Karten für das Grönemeyer-Konzert in der Tasche hatte, habe die Beamten nicht beeindruckt.

Rudek berichtet auch von einer jungen Frau, die bereits seit dem Vortag im Rostocker Käfig-Knast eingesperrt gewesen sei. “Sie war in einem Reisebus zu einer Kundgebung unterwegs, der komplette Bus wurde hops genommen und in die Gesa verfrachtet.” Der Frau sei Vermummung vorgeworfen worden, weil sie einen Schal um den Hals getragen habe. “Sie war noch nicht frei, als ich gegen 22.30 Uhr die Käfigzelle verlassen konnte. In der Zwischenzeit erfuhr sie vom Anwaltsteam, dass das Landgericht ihre Freilassung bereits um 14 Uhr angeordnet hatte.”

Was ihr selbst vorgeworfen wird, konnte Kerstin Rudek bis heute nicht in Erfahrung bringen. Polizisten hätten im Zusammenhang mit einer möglicherweise geplanten Autobahnblockade wahlweise von Nötigung, schwerem Eingriff in den Straßenverkehr und kollektivem Landfriedensbruch gesprochen.

taz Nord vom 12.6.2007, S. 21, 107 Z. (TAZ-Bericht), REIMAR PAUL

[http://www.taz.de/dx/2007/06/12/a0205.1/text]