Home » Heiligendamm 2007 » G8 2007 deutsch » 2 Jahre Vorbereitung » Arbeitsgruppen » Medienzentrum  

 Recent

Watch also...



print
2007-05-13

Antirepressions-Merkblatt

zum Umgang mit Bild- und Filmmaterial auf Demos und Aktionen und zum Verhalten bei einer Festnahme Version

Medienaktivismus - ein paar Überlegungen

Filmen, Fotografieren, Interviewen auf einer Demo oder während einer Aktion sehen wir als Aktionsform wie z.B. auch Sprayen, Redebeiträge halten oder Transpis tragen. Du bist nicht aussenstehend, sondern Teil der Demo / Aktion. Deshalb und im Speziellen weil Dein aufgenommenes Material nützlich sein kann, interessieren sich die Bullen für Dich.

Bei vergangenen Demos wurde die Erfahrung gemacht, dass Leute mit Kameras gezielt von der Polizei abgegriffen wurden oder Material (auch im Nachhinein z.B. zu Hause) beschlagnahmt wurde. Dieses kann von der Justiz als Beweismaterial verwendet werden.

Als FilmerIn / FotografIn hast Du Verantwortung für das aufgenommene Material und deshalb gilt es, entsprechend damit umzugehen! Du bist Teil einer kollektiven Aktion.

Am besten werden Überlegungen zum Rahmen der Veröffentlichung schon im Voraus gemacht. Infoabende, Vorbereitungstreffen und Solipartys eignen sich gut dafür.

Filmen und Fotografieren sollen Teil der Proteste gegen den G8 in Heiligendamm sein! Es kann nicht der Sinn von Medienaktivismus sein, dass sich x Leute ein Privatarchiv "zur Erinnerung" anlegen.

Bei ‘brenzligen’ Situationen wie Festnahmen und Prügeleien ist Deine Kamera Zeugin. Nutze sie auch so! Das Wissen, das alles aufgenommen wird, kann manchmal deeskalierende Wirkung haben.

Praktisches zu Medienaktivismus

Führt eure Aktionen nicht einzeln durch, sondern in Gruppen bestehend aus abgesprochenen Leuten. Wie beim Sprayen gilt es, dass Leute Schutz vor Polizei-Übergriffen organisieren.

Überlegt euch vorher, wie ihr an die Demo / Aktion kommt und wie ihr nach Haus oder einen anderen Ort gelangt.

Macht euch, BEVOR ihr auf den Auslöser drückt, Gedanken darüber, was ihr aufnehmen wollt. Aktionen zu filmen / fotografieren, insbesondere illegale, ist sehr heikel, denn damit werden andere gefährdet.

Denke jedes Mal von Neuem darüber nach, ob Du gerade Sensationsbilder machst oder nützliche Informationen sammelst. Der Schutz der Leute, die Du filmst, sollte immer vor der Sensationslust stehen!

Sprecht mit den Leuten, bevor ihr sie aufnehmt: klärt, ob, und wenn ja, wie sie aufgenommen werden wollen und ob sie mit einer Veröffentlichung des Materials einverstanden sind.

Anonymisierung

In Deutschland herrscht bei Demos vielerorts ein Vermummungsverbot; d.h., dass das Argument "wer nicht erkannt werden will, kann sich vermummen" nicht so einfach zu akzeptieren ist. Es gibt genügend Gründe (Repression, Faschos, etc.), sich an Demos zu vermummen. Das heisst noch lange nicht, dass Menschen, die sich nicht vermummen, gerne in Grossformat auf Bildern erscheinen. Um eine Stimmung und politische Inhalte einer Demo / Aktion mitzubekommen, müssen die Gesichter von Menschen nicht zu sehen sein. Du kannst auch von hinten Aufnahmen machen. Denk gleich beim Aufnehmen daran, was gesehen werden soll und was nicht!

Wenn ihr euer Material ins Netz stellen wollt, ist das sicher eine gute Idee, da es somit für viele Leuten zugänglich gemacht wird. Das Internet ist ein schnelllebiges Medium und ihr wollt sicher möglichst wenig Zeit verlieren. Nehmt euch aber vor jeder Veröffentlichung auf alle Fälle die Zeit, die "heiklen" Bildaufnahmen und Gesichter zu anonymisieren. Wichtig ist dabei auch der "Augenbalken", da die Polizei bei der Auswertung von Bildern oft den Augenabstand misst. Das Anonymisieren gehört zum Filmeschneiden. Macht euch kundig, wo ihr dafür technische Unterstützung erhalten könnt - schaut z.B. auf www.videoactivism.de unter ‘training und anleitungen’ -> Reader Videoaktivismus -> Pixeln

Ein paar konkrete Tipps

Handling beim Filmen / Fotografieren:

* Oft ein neues Band / eine neue Chip-Karte verwenden; am Besten verschiedene Aktionen auf verschiedenen Bändern / Chip-Karten aufnehmen. Auf jeden Fall nach ‘brenzligen’ Aufnahmen das Band / den Chip austauschen und das Material an eine Person Deines Vertrauens geben, die es in Sicherheit bringen kann.

Zum Verhalten, falls es trotz aller Vorsicht zu einer Festnahme kommt:

* Filme auch Deine eigene Festnahme, bis es nicht mehr geht. Es kann sich nachher als nützlich für eine Rekonstruktion erweisen.
* Sich mit dem Presseausweis zu schützen versuchen. Theoretisch müssen JournalistInnen ihr Material nicht rausgeben. Wie die Erfahrung gezeigt hat, kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Polizei dieses Recht respektiert.
* Falls klar wird, dass die Polizei auf Dein Material aus ist, versuche, es zu vernichten / verschwinden zu lassen, bevor es in ihre Hände gerät
* Verlange unbedingt eine Quittung für das beschlagnahmte Material. Zwar kann es immer noch sein, dass deine Sachen "leider verloren gegangen sind", wenn du sie später abholen willst. Wenigstens kannst du so aber nachweisen, dass die Bullen dir tatsächlich Material weggenommen haben.
* Verlange eine Versiegelung deiner Bänder und Filme und zwar sofort bei der Konfiszierung des Materials, meist also auf dem Bullenposten. Dabei landet dein Material in einem versiegelten Behälter. Verlange dazu auch eine Quittung und den Namen des Polizeibeamten. Durch die Versiegelung kann das Material erst bei einem Verfahren verwendet werden. Wenn es zu einem Verfahren gegen dich kommt, muss die Polizei dir mitteilen dass sie das Material anschauen will, wogegen du wiederum Einspruch einlegen kannst.
* Des weiteren gilt: mach von deinem Recht, die Aussage zu verweigern Gebrauch! Ausser deinen Personalien und der Meldeadresse musst du den Bullen nix sagen, auch wenn sie anderes behaupten mögen! Lass dich nicht in Gespräche verwickeln, auch nicht übers filmen, fotografieren etc. (siehe auch Antirep-Broschüre: Annaund Arthur halten’s Maul)
* Wenn du verhaftet oder kontrolliert wurdest, ist es hilfreich, unmittelbar danach (in den ersten ruhigen Minuten danach), ein Gedächtnisprotokoll zu verfassen. Beschreibe darin auch das Aussehen der Wachtmeister, mit denen du zu tun hattest, da diese "Details" im Gedächtnis nicht ewig realitätsgetreu abrufbar sind.

Zum Schluss

Auch eine Überwachungskamera lebt nicht ewig. Reclaim your media!

[http://de.indymedia.org/2007/05/176835.shtml]