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06.10.2006

G8- Infotour goes Ostsee

In Deutschland rollt die Infotour schon seit beinahe einem Jahr. Infotouris versuchen den Stand der Planung zur G8 und die Diskussionen um die Planung herum vermehrt auch in andere Länder zu bringen, um sie mit AktivistInnen und anderen Interessierten zu diskuttieren und natürlich auch nach Deutschland zu mobilisieren Wichtig ist vor allem die internationale Vernetzung, der Austausch von Erfahrungen, Protest formen, Träumen und Lebensalternativen.

Die aktuelle Tourder InfotourAG, einer Arbeitsgruppe des Dissent!-Netzwerks, führt uns um die Ostsee herum. In 16 Stationen wird versucht zu erläutern und zu diskutieren, weshalb Menschen gegen die G8 (IMF,WB,NATO, etc.)mobilisieren und protestiert haben was der Stand der Vorbereitung für 2007 in Deutschland. ist und wie sich Menschen in anderen Ländern dezentral oder direkt in Heiligendamm .daran beteiligen können. .

Der Erste Stopp: Bialystock- Ostpolen. Die Tour begann erst soweit im Osten Polens, weil in weiter westlich gelegenen Städten des Landes die InfotourAG auf früheren Fahrten Halt gemacht hat, oder noch halten wird.
Die Szene in Bialystock besteht vor allem aus AntiFa-Hooligans, die bis vor kurzem noch über einen eigenen Squat verfügten. Der wurde jedoch vor kurzem geräumt, weshalb unsere Veranstaltung in einem Theatercafé stattfand. Besonderes interessant war die Diskussion, um Gipfelerfahrungen, die sich nach der Veranstaltung entfaltete. Es gab in Polen die Erfahrung, dass das IWF-Gipfel in Prag einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung der anarchistischen Szene in Polen darstellte. Gipfelproteste können also wichtig sein, um sich zu finden, zu vernetzen und danach verstärkt miteinander zu arbeiten. Eine andere Erfahrung war die des EuropeanEconomicForums 2004 in Warszawa. Es hatte eine große, internationale Mobilisierung gegeben in deren Verlauf sich die anarchistischen Gruppen vernetzten und aktiver zusammenarbeiteten.. Aber über den Gipfel hinaus entstand ein politische Leere, in der sich viele Aktivistinnen wieder entpolitisierten, so daß die Szene im Nachinein nicht stärker war, als davor. Die Erfahrungen aus Bialystock können wir in Deutschland als Warnzeichen verstehen, dass es über den Gipfel hinausweisende politische glocale Zusammenarbeit und Projekte geben sollte, um so die Stärke und den Elan über den Gipfel hinaus retten zu können.

Nach Polen erreichte die Infotour dann mit Litauen das südlichste der drei baltischen Staaten. Hier gab es Veranstaltungen in der Hauptstadt Vilnius und in Kaunas und Klaipeda. Die Szene in Litauen ist noch am Wachsen. Am größten ist sie in Vilnius, wo es bis 2004 einen politischen Squat (green club) gab. Mittlerweile wurde auch schon das Nachfolgeprojekt von der Polizei geräumt. In Vilnius, wie auch in anderen Teilen des Baltikums fiel uns auf, dass Politik hier nicht verstetigt ist, und weniger auf Gruppen und Kampagnen basiert, sondern die Aktivisten sich zu einzelnen Aktionen zusammenfinden. Einzig in Riga gab es eine stabile Gruppe von Umweltaktivisten. In den anderen Städten war weniger von einer explizit politischen Szene die Sprache, sondern mehr allgemein von einer Punk-Szene, die sich auch politisch betätigt, die primäre Identifikation sind also nicht politische Projekte, sondern die Musik und die Kultur. Zu dieser Kultur kann man auch Lifestylekonzepte zählen, die hier einen viel höheren auch politischen Identifikationswert haben, als in Deutschland, wie z.B. Veganismus, Straigt-Edge, D.I.Y.... Auch sind die Zusammenhänge meist viel jünger, als in Deutschland. Ein Großteil der AktivistInnen ist noch SchülerIn und nur sehr wenige sind ArbeitnehmerInnen oder Arbeitslose. Auch von der Militanz bewegen sich die Szenen im Baltikum auf einem anderen Level ? die Aktivitäten begrenzen sich hauptsächlich auf Sprühen, und Distribution von Information (z.B. Infoläden in Vilnius und Riga). Ein weiteres Problem ist, dass es in vielen der Städten, die wir besuchten keine festen Lokalitäten gibt, von denen aus sich politische Aktionen entwickeln könnte. Die Menschen treffen sich vor allem in Privatwohnungen oder ihnen freundlich gesinnten Bars.

Da nur in Ausnahmefällen jemand auf den Veranstaltungen zuvor auf einem Gipfel gewesen war, ging es auch sehr stark darum die Konzeption, Erfahrungen und Inhalte von Gipfelprotesten näher zu bringen. Auf fast jeder der Stationen fanden sich Menschen zusammen, die planen nach Heiligendamm zu kommen. Ein großes Problem stellt dabei jedoch der Zeitraum des Gipfels dar. Der Gipfel findent genau während des Prüfungszeitraums für Schulen und Universtitäten statt.

In Lettland, dem mittleren der baltischen Staaten hielten wir in Liepaja, Kuldiga und der Hauptstadt Riga. Außer in Riga ist die Arbeit hauptsächlich kultureller Art. Kuldiga bekannt für sein Jugendzentrum Zabadaks ist so eine Art Zentrum für die Punkkultur in Lettland, fünf Jahre lang wurde von hier aus das größte Punk-D.I.Y.-Festival des Baltikums vorbereitet. Eine explizit politische Szene scheint es nur in Riga zu geben, der größten Stadt des Baltikum. Hier ist es die 'Grüne Freiheit' ein Infoladen und Büro in dem sich vor allem UmweltaktivistInnen bewegen. Der Unterschied in den politischen Welten macht sich auch daran manifest, wie in Lettland mit dem im November stattfindenen NATO-Gipfel umgegangen wird. Es gibt bisher fast keine Mobilisierung nach Riga. Das liegt nicht nur an der politischen Kultur, sondern auch daran, dass es in Riga kaum Örtlichkeiten gibt, um hunderte geschweige denn tausende Demonstranten unterzubringen. Ziel der lokalen AktivistInnen ist es kurzfristig einige kleinere Aktionen während des Gipfels auf die Beine zu stellen. Es ist geplant einige wichtige Strassen zu blockieren und durch Aktionen auf die Polizeirepression aufmerksam zu machen.
In Riga entstand dann unter den Anwesenden spontan die Idee eine Fahrradkarawane nach Heiligendamm zu machen. Angeregt durch die Erfahrungen der G8-Fahrradkarawane nach St. Petersburg, deren Spuren uns in vielen Stationen während der Tour begegneten. Die Idee per Fahrrad nach Heiligendamm zu kommen wurde auch in Estland freudig aufgenommen, dem nördlichsten Land des Baltikums.

In der estnischen Szene, aber auch sonst im Land ist eine geographische, aber auch kulturelle (uns sprachliche Nähe) zu Finnland zu merken. Die Szene scheint hier im Verhältnis zur größe des Landes am stärksten ausgebildet zu sein. Wir hielten in Tallinn der Hauptstadt und Tartu der Universitätsstadt des Landes. In Tallinn gibt es noch einen halb legalen Wohnsquat, die Veranstaltung fand aber in einer befreundeten Bar statt, in der auch fast alle Punk und Skakonzerte stattfinden.
Das Interesse war erfreulich groß, der Raum war schon fast zu klein für die Menge an Menschen, die kamen, um der Präsentation zu folgen. Und hier gab es auch eine Gruppe von Menschen, die schon gemeinsam als Gruppe zu Gipfeln gefahren war, um dort zu protestieren ? nach St. Petersburg zum G8 Gipfel und nach Helsinki zum ASEM-Treffen, beides 2006.
Auch hier herrschte großes Interesse daran, nach Heiligendamm zu kommen. Aber wie in den anderen Ländern des Baltikums und in Polen war eine der wichtigen Fragen, die der Finanzierung der Anfahrt.
Wenn wir also wollen, dass auch aus diesen Ländern Gruppen von AktivistInnen nach Heiligendamm kommen, muß noch Geld gesammelt werden, um sie darin zu unterstützen.

Alles in allem war die Tour durch das Baltikum ein großer Erfolg. In vielen der Städte war es die erste Veranstaltung dieser Art.

weiterführende Links:

Litauen: www.hardcore.lt (Plattform für Musik, Politik und Diskussion)
Lettland: www.hc.lt (Plattform für Musik, Politik und Diskussion),
www.zb-zeme.lv (Seite der Grünen Freiheit in Riga),
www.nekac.lv (Seite des Zabadaks in Kuldiga)
Estland: www.punamust.org (anarchistische Seite aus Estland),
www.punkar.pri.ee (Punkforum)

Seite der InfotourAG: www.dissentnetwork.org/wiki
Termine und Material unter: www.gipfelsoli.org

[http://germany.indymedia.org/2006/10/158437.shtml]