Interview: Claudia Wangerin
Bilanz der Auseinandersetzungen auf der Anti-G-8-Demonstration in Rostock. Ein Gespräch mit Elke Steven
Sie waren als Beobachterin des Komitees für Grundrechte auf der Anti-G-8-Demonstration am vergangenen Samstag in Rostock. Wie ist Ihre Bilanz?
Es ist schwer, eine Gesamtbilanz zu ziehen. Auf der einen Seite war es wirklich ein bunter und breiter Protest mit erstaunlich vielen Teilnehmern. Auch war es erfreulich, daß unsere Befürchtungen, die Polizei würde die Anreise behindern und Eingangskontrollen vornehmen, sich nicht bewahrheitet haben.
Camp-Teilnehmer berichten allerdings, daß es schon bei der Anreise massive Kontrollen und Beschimpfungen seitens der Polizei gab.
Im Rostocker Camp gab es das nicht, als wir angereist sind – und auch nicht, als wir in großen Gruppen von dort losgegangen sind. Bei den wenigen Kontrollen, die wir vor der Demonstration erlebt haben, waren die Polizisten sehr freundlich. Daß auch ganz andere Geschichten passiert sind, ist klar. Man muß eindeutig zwischen dem trennen, was vor und was nach der Demonstration passiert ist. Auf dem Weg zum Camp Reddelich hatte nach der Demonstration eine Fahrradgruppe Auseinandersetzungen mit der Polizei. Auf der Hinfahrt hatte die Polizeibegleitung einer Fahrradgruppe ja noch eher zu deren Schutz gedient. Um ein klares Bild zu erhalten, wann die Situation umgeschlagen ist, haben wir Berichte von 20 bis 25 Demo-Beobachtern zusammengetragen.
Wie haben Sie die Ereignisse während der Demonstration wahrgenommen?
Ich war an verschiedenen Stellen und relativ lange beim sogenannten schwarzen Block, der vom Hauptbahnhof zum Ort der Abschlußkundgebung zog und auf diesem Weg um einige Teilnehmer anwuchs. Da hielt sich die Polizei im Hintergrund und ging allenfalls in kleinen Gruppen seitlich der Demonstration, was nicht selbstverständlich ist. Oft verhält sie sich bei solchen Demonstrationen von Anfang an völlig anders. Dann ging alles sehr schnell. Nachdem der »schwarze Block« erst mal nicht weiter kam, entstand eine völlig andere Situation, die man differenziert beschreiben muß. Eine kleine Gruppe von rund 20 Polizisten der »Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten«, die zuvor etwas abseits gestanden hatte, stürzte sich plötzlich auf eine Wiese, um zwei bis drei Leute herauszugreifen, die als mutmaßliche Straftäter identifiziert worden waren.
Welche Folgen hatte das?
Die Situation eskalierte sofort. Die Polizisten wurden angebrüllt. Als nächstes flogen Flaschen und sehr schnell auch Steine. Deshalb mußte sich die Polizei erst einmal zurückziehen. Sobald ihre Einheiten in den Demonstrationszug reingingen, wurden sie mit Flaschen, Steinen und auch mindestens einem brennenden Molotow-Cocktail attackiert – ich habe es selbst gesehen. Eine andere Beobachterin hatte dann etwas Brennendes vor den Füßen. Geworfen wurde es in Richtung der Polizeikräfte, aber dazwischen standen Demonstrierende, die dadurch gefährdet wurden. Auch Steine wurden immer wieder geworfen – auch als die Polizei sich zunächst zurückzog. Sie versuchte dann, an anderer Stelle wieder einzudringen.
Wie haben Sie persönlich diese Situation erlebt?
Die Wurfgeschosse gefährdeten alle Umstehenden. Es wurde ja nicht nur treffsicher auf die Polizei geworfen. Dafür war die Situation auch zu unübersichtlich. Andererseits muß gesagt werden: Diese Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten haben teilweise so agiert, daß sich die Demonstranten bedroht fühlen mußten. Zumal von der Polizei überhaupt nicht kommuniziert wurde, was sie eigentlich wollte. Sie hatte das Ziel, einzelne Leute festzunehmen, und setzte es rücksichtslos durch. Damit traf sie am Ende die ganze Demonstration und wurde von den Teilnehmern nur noch als brutal wahrgenommen, weil sie einfach nur wild um sich schlug. Die Polizei drang ja auch an Stellen in die Demo ein, an denen sich die Leute völlig friedlich verhalten hatten, nachdem sie an anderer Stelle nicht durchgekommen war. Viele bekamen nur mit, daß plötzlich eine Einheit reinstürzte und zwei Leute relativ gewalttätig festnahm. Jeder fühlte sich bedroht, und keiner verstand, was los war.
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