Bei der großangelegten Razzia gegen linke Projekte ist am Mittwoch auch der Berliner Internetanbieter so36.net ins Visier der Ermittler geraten. Dank einer Anwältin konnte eine Beschlagnahme zwar verhindert werden. Bei der Durchsuchung konnte die Polizei indes eine Reihe von Daten kopieren.
Groß war die Nachfrage nach Rechtskundigen am Mittwochmorgen in Berlin. Die Betreiber des Internetanbieters so36.net im Berliner Stadtteil Kreuzberg hatten Glück im Unglück: Schnell traf eine Rechtsanwältin ein und zeigte den Polizisten, die gerade die Computer beschlagnahmen wollten, ihre Grenzen. »Die hat die BKA-Beamten klipp und klar auf den Text in deren Durchsuchungsbefehl festgenagelt«, sagte ein Mitarbeiter von so36.net.
Danach konnten die Beamten nur den Inhalt von zwei Dutzend E-Mail-Postfächern und einiger Mailinglisten sowie von sieben Internetseiten kopieren. Unter den Daten befand sich auch der E-Mail-Verkehr einer Anwaltskanzlei.
Die Speicherung der Daten zuzulassen, sei eine »Entscheidung zwischen Pest und Cholera« gewesen, räumen die Betreiber von so36.net ein. Aber wären die Server beschlagnahmt worden, wären die gesamten Daten von zahlreichen Initiativen und noch mehr Email-Postfächern in die Hände des Bundeskriminalamtes gelangt. Außerdem wären die Websites von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Initiativen lahmgelegt gewesen. Und nicht zuletzt wäre die Internetkommunikation zum Thema G 8-Widerstand entscheidend geschwächt worden: Auch die Websites von Gruppen, die gegen den Weltwirtschaftsgipfel mobilisieren, laufen über die Rechner von so36.net.
Ein Vorstandsmitglied des eingetragenen Vereins so36.net musste am Mittwoch allerdings eine Hausdurchsuchung in seiner Privatwohnung über sich ergehen lassen. Dazu diente eine »obskure Begründung«, so ein so36.net-Mitarbeiter: Angeblich habe das BKA nicht gewusst, wo die Server des Internet-anbieters stünden und wäre deshalb auch zur Privatwohnung des Vorstandsmitgliedes gekommen. Obwohl sich die Server dort aber offensichtlich nicht befanden, wurden ein privater Rechner und elektronische Geräte beschlagnahmt.
Damit drohe nun eine neue Qualität der Strafverfolgung, befürchtet man bei so36.net. Denn laut Teledienstgesetz müsse ein Internetanbieter nur in Ausnahmefällen privat haften. Es sei unvorstellbar, dass etwa ein Telekom-Mitarbeiter für vermeintlich kriminelle Angebote auf den von der Firma betriebenen Seiten persönlich belangt würde. Mache die Willkür des BKA wie im Fall so36.net aber Schule, müssten die Verantwortlichen von Internet-Anbietern jetzt öfter mit Hausdurchsuchungen rechnen.
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