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2007-05-15

Interview mit dem Planungschef Gleneagles

Arite Vetters, EPÖA & Annett Czybulka, EA 1

Ich war 30 Jahre Polizeibeamter im Zuständigkeitsbereich von Tayside, Polizeidirektion Dundee, Schottland, wo ich die gesamte Palette operativer Aufgaben wahrzunehmen hatte.

Dies erstreckte sich sowohl auf die Führung von Einsätzen als auch die Einsatzunterstützung. Ich war unter anderem Leiter einer einsatzunterstützenden Einheit (Diensthunde, Suche, Waffen, Notfallplanung, Entwicklung von Einsatzkonzeptionen). Aufgrund meiner umfangreichen Einsatzerfahrungen wurde ich als Planungschef des G8-Gipfels in Gleneagles ausgewählt. Wir hatten in Schottland insofern eine abweichende Ausgangslage, als wir die Verantwortung für den gesamten Austragungsort Gleneagles und Umgebung, den Flughafen und die Bewältigung des täglichen Dienstes in der Region übertragen bekamen. Sie handhaben dies etwas anders, denn Sie unterscheiden zwischen dem Bereich Hotel und dem Außenbereich als direkten Zuständigkeitsbereich.

Herr Powrie, wir heißen Sie Willkommen in unserem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Welche Eindrücke haben Sie schon über unsere Region gesammelt?

Die Gegend ist sehr schön, im Moment nicht so überlaufen. Ich gehe davon aus, dass dies im Sommer eine sehr gefragte Region sein dürfte.
Warnemünde und das Hotel gefallen mir ausgesprochen gut. Ich könnte mir gut vorstellen, meinen nächsten Urlaub hier zu verbringen.

In einem ersten Gespräch mit dem Polizeiführer der BAO Kavala LPD Knut Abramowski konnten Sie sich einen Überblick von dem aktuellen Planungsstand und den Aufbau der BAO Kavala verschaffen. Welche Unterschiede oder Parallelen stellen Sie zu den polizeilichen Vorbereitungshandlungen und der Struktur Ihrer Behörde zum G8-Gipfel 2005 in Gleneagles und der BAO Kavala fest?

Vieles ist sehr ähnlich, denn Ihr Polizeiführer hatte sich bei uns in Gleneagles vorher informiert, um zu sehen, wie es bei uns funktioniert. Ich hatte das in Vorbereitung des Gipfels in Schottland ebenso gemacht und war nach Sea Island in Amerika gefahren. Ich stellte kaum polizeiplanerische Unterschiede fest, mit Ausnahme zu berücksichtigender regionaler Unterschiede, kultureller Besonderheiten, örtlicher Zuständigkeiten und unterschiedlicher Rechtsvorschriften. Das traf gleichermaßen für den kanadischen G8-Gipfel KANANASKIS 2002 zu. Hervorzuheben ist, dass niemand in irgendeinem Land über ausreichende Erfahrungen für die Planung und Bewältigung derartiger Großlagen verfügt und ohne internationale Hilfe auskommen kann. Der diesbezügliche Erfahrungsschatz wäre an die jeweiligen regionalen Besonderheiten anzupassen, um dann die dort gebotenen Maßnahmen daraus ableiten zu können. Ich glaube, wir haben ein Recht, eine Art polizeiliche Intersprache zu entwickeln. In Japan bin ich bereits für die Vorbereitung des nächsten G8-Gipfels gewesen. und letztes Jahr war ich anlässlich des vergangenen Gipfels in Russland. Sea Island- Gleneagles- St. Petersburg – Ihr Gipfel - Japan. Der Austausch von Erfahrungen der Führungskräfte ist sinnvoll.
Ich wirke an solch einem Programm, genannt IPO, mit. Hierbei geht es um die Entwicklung von speziellen Kompetenzen bezüglich der Planung und Bewältigung von Großlagen im Rahmen einer langfristigen Erarbeitung von Sicherheitskonzeptionen für die jeweiligen Regierungen. Dies ist notwendig, da die Erfahrungen für derartige Lagen wie Olympische Spiele, besondere Sport-Events pp., bei denen die Bedürfnisse der Besucher, der Sponsoren, der Athleten und der Regierungen zu beachten sind, in der Regel fehlen. Ähnlich wie bei einem Gipfel sind Vertreter unterschiedlicher Nationen beteiligt, um spezielle Schutzmaßnahmen zu treffen. Die Rolle der Medien muss besonders beachtet werden. Ein Erfahrungspool ist dringend notwendig.

Der damalige Tagungsort, das Gleneagles Hotel, weist räumliche Ähnlichkeiten mit der Tagungsstätte in Heiligendamm, dem Kempinski Grand Hotel, auf. Beide Orte befinden sich nicht in Ballungsräumen haben jedoch in unmittelbarer Nachbarschaft größere Städte. Dies hat natürlich auch Einfluss auf die Protestaktionen der Gipfelkritiker und Gipfelgegner. Wo befanden sich beim G8-Gipfel 2005 die größten Protestaktionen und gab es in der Nähe des Tagungsortes größere Versammlungen oder Veranstaltungen?

Ein wichtiger zu berücksichtigender Faktor ist der Austragungsort. Diesmal ist bzw. war ein Hotel Austragungsort im engeren Sinne (Gleneagles Hotel und Kempinski Hotel) und hier sind Parallelen festzustellen. Darüber hinaus ähneln sich die Protestszenen in GB und in Deutschland sehr. Das Recht auf Demonstrationsfreiheit und freie Meinungsäußerung ist in beiden Verfassungen verankert.
Die Medien wollen es oft anders darstellen, aber die Mehrheit der Demonstrierenden erweist sich als friedlich. Die Mehrheit derjenigen, die ihr Recht auf Protest ausüben, verursacht möglicherweise zu viel Lärm, bewegt sich jedoch im rechtlich zulässigen Rahmen und sucht auch die Unterstützung durch die Polizei. Leider wird dieser Aspekt manchmal für bestimmte Zwecke missbraucht oder einfach künstlich aufgebauscht.
Wir hatten eine Reihe von Demonstrationen, besonders am Mittwoch, Donnerstag und Freitag. Das erste Ereignis war der Anti-Armuts- Marsch. Wahrscheinlich waren es eine Viertel Mio. Teilnehmer in Edinburgh, circa 75 km entfernt vom Austragungsort. Diese Stadt eignete sich für einen Protestmarsch solchen Ausmaßes. Das Ziel der Demonstration war es, die Armut in Afrika zu beseitigen. Teilnehmer waren Vertreter gut organisierter karitativer Gruppen, darüber hinaus viele junge Leute und Studenten. Es gab keine Festnahmen, keinen Ärger. Nur eine kleine Gruppe von 50 Leuten wurde vorsorglich isoliert. Es herrschte fast eine karnevalistische Stimmung. So etwas Ähnliches habe ich auch in Berlin gesehen. Es gab keine gewalttätigen Ausschreitungen.
Wir betrachteten den G8-Gipfel als normales Großereignis, ohne uns unter Druck zu setzen. Wir hatten ein hohes Informationsaufkommen und reagierten angemessen auf Störungen. Am Sonntag und Montag war alles bis auf kleinere Protestaktionen und Störungen relativ ruhig. Die Medien bauschten alles ein wenig auf. Es sah wie eine Fußball-Hooligan-Szene aus.
Auf beiden Seiten wurden nur wenige Personen verletzt. Das alles ereignete sich weit entfernt vom Austragungsort. Wir hatten wöchentlich stattfindende Demonstrationen im Vorfeld des Gipfels. Kleinere Ausschreitungen gab es während des Gipfels in der Nähe des Austragungsortes. Als Problem erwies sich, dass unsere Polizeibeamten für den Einsatz im innerstädtischen Bereich ausgebildet waren, und dass zudem ihre Ausrüstung nicht für den Einsatz im ländlichen Raum geeignet war. Es gab bei diesem Einsatz keine Beschwerden über die Polizei.
Ernsthafte Konflikte gab es in einem von örtlichen Organen zugelassenen Camp. Die Aktionen dort waren nicht mehr im Rahmen dessen, was gesetzlich zugelassen ist. Viele ausländische Protestteilnehmer nutzten die Möglichkeit für Randale.

Bereits vor dem 11. September 2001 bestand eine latente Bedrohung durch den weltweiten Terrorismus. Das 31. Gipfeltreffen in Gleneagles wurde am zweiten Tag der Konferenz, dem 7. Juli durch die Anschläge auf die Londoner U-Bahn überschattet. Wie haben Sie in dieser Phase des Einsatzes auf die Anschläge reagiert und welche polizeilichen Maßnahmen hatte dies in Gleneagles und Umgebung zur Folge?

Der terroristische Bombenanschlag in London und unser G8 –Gipfel stehen in keinem Zusammenhang. Hätte es etwas Vergleichbares am Austragungsort gegeben und wäre die Sicherheit davon beeinflusst gewesen, wären wir in der Lage gewesen, angemessen zu reagieren. Für uns gab es nur ein zusätzliches Notfallkonzept. Hier sehe ich den Versuch, eine Balance zwischen dem Aufwand und Nutzen zu finden. Wir waren auf alles vorbereitet. Ein Abbrechen des Gipfels wäre für uns nicht in Frage gekommen. Jedoch steht immer die persönliche Sicherheit der Staatsgäste im Vordergrund. Wir wollen bereits im Vorfeld Angriffe verhindern.

Der Weltwirtschaftsgipfel in Gleneagles liegt nun schon fast zwei Jahre zurück. Welche Eindrücke und Erfahrungen nahmen Sie aus Ihrer Arbeit als Planungschef des Einsatzes anlässlich des G8-Gipfels 2005 mit und welchen Rat werden Sie dem Polizeiführer LPD Knut Abramowski mit auf den Weg geben?

Bei KAVALA wird erstklassig gearbeitet. Es wurde ein überzeugendes, klar strukturiertes Planungskonzept entwickelt, wo jeder Mitarbeiter hervorragend an dessen Umsetzung mitwirkt. Die Reputation der deutschen Sicherheitskräfte insgesamt ist weltweit im Spitzenbereich. Dies hat nicht nur mit der erfolgreichen Sicherheitsstrategie während der Fußball-WM zu tun oder mit dem Besuch des amerikanischen Präsidenten in MV. Durch KAVALA wurde eine umfassende Vorbereitung des G8-Gipfels vorgelegt. Deutschland nutzt den umfangreichen Erfahrungsschatz der internationalen Gemeinschaft beziehungsweise den Informationsaustausch und die Vorteile der internationalen Zusammenarbeit.
Der Weg zur Lagebewältigung: Ich konnte bisher nur einen kurzen Einblick in deutsche Polizeistrukturen und politische Interferenzen erlangen. Die Organisationsstruktur der Polizeibehörden ist grundsätzlich verschieden. Sie sollten auf alles vorbereitet sein. „Be prepared for anything rather than everything“ - Was ich damit meine, ist, dass niemand seine bewährte Arbeitsweise verändern sollte, nur weil es sich hier um einen G8-Gipfel handelt. Der Plan sollte so einfach wie möglich sein, wenn mehr als 16000 Leute miteinander kommunizieren müssen. Der Plan muss darüber hinaus flexibel sein.
Führungskräfte sollten ihren Unterstellten bei der Umsetzung der einzelnen Planteile ihre jeweilige Eigenverantwortlichkeit im Rahmen der Gesamtstrategie bewusst machen.

Sie arbeiten jetzt für die Organisation UNICRI. Können Sie uns diese Organisation kurz darstellen und Ihre Arbeit innerhalb der UNICRI skizzieren?

Die Aufgaben von UNICRI und zugleich mein Betätigungsfeld:
Die Website bietet detaillierte Informationen und wird wöchentlich aktualisiert. UNICRI ist ein kleines Institut der UN mit 50-60 Mitarbeitern in drei Abteilungen zur Unterstützung von verschiedenen Organisationen. Die erste Abteilung befasst sich mit Menschenhandel insbesondere zum Nachteil von Frauen afrikanischer Länder. Die zweite Abteilung ist für Zeugenschutzprogramme verantwortlich. Hauptsächlich für Südamerika. Hierbei arbeiten wir eng mit Staatsanwälten, Richtern und Sozialarbeitern zusammen. Dies gilt auch für die Drogen- und der Terrorismusbekämpfung. Die dritte Abteilung ist sehr klein und entspricht dem IPO-Programm, das heißt internationales Programm zur permanenten
Begleitung von Großereignissen ab der Vorphase. Das jeweils gastgebende Land fordert uns als Referenten für Großlagen an. So war ich z.B. im November in Peking als Berater tätig. Ein Hauptschwerpunkt war die strategische Rolle von „lächelnden Polizeibeamten“ bei Großveranstaltungen, was sich als besonders wichtig bei Olympischen Spielen erwiesen hat.
Auch die Analyse der sicherheitsrelevanten Aspekte bei den Sponsoren und Medien sind Teil unserer Beratung. Wir agieren nur auf Anforderung und stellen uns auf unterschiedliche Bedürfnisse ein. Wir geben unsere Erfahrungen weiter und verfügen über keine operativen Kräfte. Besonders hervorhebenswert finde ich, dass KAVALA bereits im Vorfeld des Gipfels intensive Öffentlichkeitsarbeit betreibt und eine sehr offene Beziehung zur Bevölkerung pflegt.
Dies haben wir in Gleneagles ebenso gehalten.

Herr Powrie, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.


[http://www.polizei.mvnet.de/images/stories/G8/kavala_report_ii.pdf]