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2007-06-05

Tim Laumeyer: "Das ist schief gelaufen"

Auf der Rostocker Demo gegen den G8-Gipfel liefen sie gemeinsam mit dem Schwarzen Block. Wieso darf der noch dabei sein? Ein Interview mit Tim Laumeyer, Pressesprecher der Interventionistischen Linken.

Von Chris Köver

Ist Steine auf Polizisten werfen und Autos anzünden für euch eine legitime Form der Widerstandes?

Das kann durchaus legitim sein, am Samstag war es aber der falsche Weg. Da war unser Interesse ein großes, möglichst breites Bündnis gegen den G8-Gipfel. Deswegen wollten wir keinen Krawall, sondern eine gemeinsame kämpferische Demonstration.

Wann ist Gewalt eine legitime Form des Widerstandes?

Generell sind wir gegen die sinnlose und wahllose Ausübung von Gewalt. Auch dagegen, dass Menschen verletzt werden - wie das zum Beispiel mit den Polizisten auf der Rostocker Demo geschehen ist. Sachbeschädigung kann aber eine legitime Form von Widerstand sein. Wenn zum Beispiel die Scheiben einer Bank eingeworfen werden oder Böller in den Hof eines Hotels fliegen, in dem die amerikanische Delegation wohnt, finden wir das nicht weiter dramatisch. Das ist eben ein deutlicher Protest, in diesem Falle gegen die Politik der USA.

Die Autonomen, von denen am Samstag in Rostock die Gewalt ausging, liefen in euren Reihen. Wieso lasst ihr das überhaupt zu?
Wir wollen, dass auch Autonome und Linksradikale an den Bündnissen und Demonstrationen beteiligt sind, weil wir ihre Kritik richtig finden. Daran halten wir weiterhin fest. Wir haben immer wieder betont, was wir wollen: Eine gemeinsame politische Demonstration, an der alle teilnehmen können und bei der es keine Straßenschlachten gibt.
Außerdem würden die Autonomen auch dann kommen, wenn wir sie als Veranstalter nicht dabei haben wollen. Die warten auf keine Einladung. Wenn es für sie interessant ist, kommen sie. Da ist es sinnvoller, sie politisch einzubinden. In Rostock hatte der linksradikale Block an die 8000 Teilnehmer, die stellen einen nicht unerheblichen Teil der Demonstration. Da kann man nicht sagen: Ihr seid nicht willkommen.

Hattet ihr Absprachen innerhalb der IL, dass es auf der Demo keine Gewalt gegen Polizisten geben soll?
Ja, ganz deutlich. Offensichtlich ist es uns aber nicht gelungen, das so zu vermitteln, dass sich alle daran halten. Während der Demonstration hat es geklappt, nur bei der Abschlusskundgebung nicht mehr. Unser Resumé: Das ist schief gelaufen, das haben wir so nicht gewollt.

Was ist da falsch gelaufen?
Wir haben handwerkliche Fehler gemacht: Unser Ordnerdienst war zu diesem Zeitpunkt schon abgezogen, also eindeutig zu früh. Allerdings will ich nicht die ganze Schuld auf uns laden. Auch die Polizei hat Fehler gemacht. Nachdem ein Polizeifahrzeug angegriffen wurde, ist eine Berliner Hundertschaft in die Menge gestürmt und hat wahllos um sich geschlagen.
Das war aber erst die Reaktion auf Gewalt, die vom schwarzen Block ausging.
Natürlich gab es im schwarzen Block Personen, die auf Krawall aus waren. Die Polizei hat während der Demo eine Deeskalationsstrategie gefahren, die absolut richtig war. Hätte sie die in jenem Moment durchgehalten, wäre es nicht zur Eskalation gekommen.

Habt ihr Kontakt zu den Leuten, die am Samstag randaliert haben?
Wir kennen nicht alle, aber von einigen wissen wir. Viele sind schon abgereist. Die, die noch hier sind, wohnen in den Camps. Dort wird diskutiert und in diese Diskussionen mischen wir uns mit ein.
Die IL ist auch Teil der Kampagne Block G8, die an diesem Mittwoch eine Massenblockade rund um Heiligendamm plant. Für diese Aktion wollen wir nur zivilen Ungehorsam, keinen Krawall. Wir haben deutlich gesagt, dass die Autonomen dort nicht willkommen sind.

Werden sie sich daran halten?
Vielleicht wird es auch gewalttätige Aktionen geben, dann aber räumlich getrennt von unseren. Die Bilder von Rostock werden sich sicher nicht wiederholen. Schon allein weil man dort auf dem Acker steht. Da gibt es nichts zum Kaputtschlagen.

Viele fragen sich im Moment, was die Autonomen eigentlich wollen. Steht hinter der Gewalt eine Strategie?
Nein, da geht es eher um die generelle Ablehnung von Obrigkeit und Staat. Dass man sich schwarz anzieht und auf Demos mal einen Stein wirft, ist eher Ausdruck einer Lebenshaltung, ein kultureller Code.

Dann ist das also sinnfreie Gewalt.
Nein, die Gewalt richtet sich schon gezielt gegen die Polizei als Symbol der Staatsmacht, Man kann nicht sagen, dass sie hohl oder unpolitisch sei. Außerdem richtet sich die Gewalt immer nach oben. Autonome würden niemals Minderheiten, soziale Randgruppen oder andere Schwächere verprügeln.

Was ist die Haltung der IL dazu?
Für uns ist das keine adäquate zeitgenössische Form, um radikale Kritik zu üben. Vermummung ist retro. Das hat sich überholt.
Hat sich Gewalt als Kritikform überholt?
Nicht unbedingt. Man sollte sich schon verschiedene Aktionsformen strategisch offen halten. Für den Skandal, die Zuspitzung, den Grenzübertritt bin ich immer. Man muss nur sehen, ob es auch sinnvoll ist. Sinnvoll sind zum Beispiel Aktionen wie Block G8 oder Die Überflüssigen.

Nach den Krawallen in Rostock sind viele der Gipfelkritiker verärgert und haben keine Lust mehr, an weiteren Aktionen teilzunehmen. Ärgert ihr euch darüber?
Wir haben jetzt tatsächlich ein Bündnisproblem. Wir groß es ist, wird sich zeigen.

Ziel eures Protestes ist es, die Legitimation der G8 in Frage zu stellen. Jetzt wird die Welt mit Rostock wieder nur Bilder brennender Autos verbinden.
Das ist tatsächlich ein politisches Problem. Aber es gibt ja noch weitere Aktionstage. Wir setzen vor allem auf die Bilder am Mittwoch bei Block G8.

Welche Konsequenzen zieht ihr aus den Ereignissen von Rostock?
Es hat wenig Sinn, jetzt in Gute und Böse einzuteilen. Für uns ist entscheidend, dass es in den kommenden Aktionstagen wieder stärker um Inhalte und andere Protestformen als Krawall geht. Wie es nach dem Gipfel weiter geht, werden wir im Anschluss diskutieren. Im Herbst planen wir einen großen Kongress mit der radikalen Linken, auf dem wir um neue moderne Politikformen ringen.

http://zuender.zeit.de/2007/23/g8-interview-interventionistische-linke