Während des Klima- und Antiracamps löste der Hamburger Einsatzleiter Dudde (nicht nur) eine Kundgebung vor dem Kohlekraftwerk Moorburg mit der Begründung auf das ganze habe den Steuerzahler genug Geld gekostet und sei ohnehin nur ein Musikveranstaltung ohne politischen Charakter. Die AktivistInnen die der Auflösung nicht nachkommen wollten wurden mit Bußgeldern und Widerstandsklagen überzogen. Dagegen wurde sich vielfach erfolgreich gewehrt, doch auch gegen die Polizei und ihre Versammlungsauflösung wurde Klage eingereicht. Mit Erfolg: Jetzt musste die Behörde die Rechtswidrigkeit der Auflösung vor Gericht einräumen. Weitere Klagen gegen Einschränkungen des Versammlungsrechts laufen noch.
Was das Versammlungsrecht anbelangt ist Hamburg seit langem trauriges Pflaster. Auch unter Schwarz- Grün hat sich der Trend Demonstrationsfreiheiten immer weiter einzuschränken fortgesetzt. Es ist spätestens seit Schill zum Normalzustand geworden, dass polizeiliche Wanderkessel Demonstrationen den Großteil ihrer politische Direktaußenwirkung nehmen. In den letzten Jahren kam vermehrt dazu, dass Gesetzlich bislang noch unangetastete Versammlungrechte von Innenbehörde und Einsatzleitung einfach ignoriert wurden und wiederholt selbst vor Gericht erstrittenes (z.B. Demonstrationsrouten) bewusst ignoriert wurde. Während die Hamburger Innenbehörde jeden kleinen Naziaufmarsch durchprügeln will, werden selbst linke Großdemonstrationen aus der Innenstadt verbannt, willkürlich aufgelöst und anschließend diejenigen dafür belangt, deren Demonstrationsrechte mit Füßen getreten wurden.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Situation im August 2008 zu sehen. Das Antira- und Klimacamp hatte erhebliche Mediale Wellen geschlagen und sich mit der öffentlich Angekündigung von Blockade des Hamburger Abschiebeflughafens und Besetzung der Kohlekraftwerksbaustelle in HH-Moorburg beim Senat nicht Grad beliebt gemacht. Militante Aktionen gegen die verantwortlichen des Abschieberegimes und rechte Attacken der SPD hatten den CDU Innensenator Ahlhaus dazu motiviert spätestens ab Mitte des Camps zu Demonstrieren das ihm kein Weicher Kurs gegenüber dem Protest unterstellt werden könne. Am Mittwoch wurde ein völlig Harmloser Stadtrundgang auf St. Pauli zusammengeschlagen. Am Abend besetzten ca. 30 AktivistInnen überraschend den Bauplatz des Kraftwerks Moorburg (die eigentliche Massenbesetzung war für den Samstag angekündigt) und seilten sich mit einem großen Transparent „Energiekonzerne Enteignen! Kapitalismus Abschaffen!“ von einem Baukran ab.
Als dann einige Hundert KlimaaktivistInnen zum Bauplatz eilten um die BesetzerInnen zu unterstützten wurde es der Polizei schnell zu Bunt. Per Polizeilautsprecher wurde die Kundgebung für Aufgelöst erklärt und dies vom Einsatzleiter Hartmut Dudde (der sich vorher mit Gesamteinsatzleiter Peter Born abgesprochen hatte) gegenüber dem Anmelder damit gerechtfertigt, dass das ganze den Steuerzahler genug Geld gekostet hätte. Außerdem sei auf der Kundgebung überwiegend Musik gespielt worden und daher handele es sich nicht mehr um eine politische Versammlung. Es wurde sich nicht mal die Mühe gemacht zumindest Pro-Forma dem Instrumentarium des Versammlungsrechts zu folgen und Beispielsweise polizeiliche Auflagen zu erlassen.
Die meisten Anwesenden AktivistInnen kamen der Auflösung der Versammlung nicht nach, sondern formierten sich zu einer Sitzblockade. Diese wurde von der Polizei äußerst Brutal geräumt. Im Nachhinein wurden viele der Anwesenden mit Bußgeld-Forderungen der Stadt überzogen. Ausgerechnet der Pressesprecher des Klimacamps wurde gar wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt, weil er sich bei der Räumung untergehakt habe. Gegen diese Schikane wurde sich vielfach erfolgreich gewehrt und dabei das Thema kleinen Aktionschen und einer offensiven Pressearbeit immer wider in die Medien getragen. Darüber hinaus wagten die KlimaaktivistInnen die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Polizeibehörden. Dies war nur Möglich, weil die innenpolitische SprecherIn der Hamburger Linksfraktion die Klage politisch und als Person finanziell Unterstützte und Rechtsanwalt Carsten Gericke vom Republikanischen Anwaltsverein die praktische Arbeit übernahm.
Am vergangenen Montag den 9. November musste die Polizei-Justitiarin Andrea Horstmann vorm Verwaltungsgericht offiziell einräumen, dass die Versammlungsauflösung Rechtswidrig war. Erfreulicher weise wird der juristische Sieg von einem breiten Medienecho in Hamburg begleitet. So bleibt zu hoffen, dass die Klage ein Mosaikstein in der Verteidigung des Versammlungsrechts spielen kann. Weitere Klagen u.a. gegen die vorzeitige Versammlungsauflösung bei der Flughafenbesetzung sind weiter anhängig.
Linke AktivistInnen bis hin zur Linkspartei wollen in der nächsten Zeit den Polizeibehörden stärker auf die Pelle rücken. In diesem Zusammenhang wird diskutiert die Rolle von Dudde und Born stärker zu problematisieren und öffentlich zu Thematisieren. Beide hebeln seit Jahren mit Deckung der Innenbehörde dreist das Versammlungsrecht aus. Ein gezieltes & öffentliches Vorgehen breiterer linker Kreise gegen diese Wiederholungstäter könnte einen stärkeren Einfluss auf die Polizeistrukturen und -strategien der Hansestadt haben als irgendwelche gewonnenen Klagen. So ist in der Debatte bei zukünftigen Versammlungen öffentlich dazu Aufzufordern Dudde und Born nicht einzusetzen, bzw. ihren Einsatz als Eskalationsstrategie und von oben geplanten Rechtsbruch zu thematisieren. Auch wenn allen klar sein sollte, dass es die Strukturen von Behörden und Senat sind, die den Rechtsbruch hervorbringen, so besteht so vielleicht die Chance Kräfteverhältnisse in der Stadt wider zu Gunsten des Demonstrationsrechts zu verschieben.
Source: http://de.indymedia.org/2009/11/265316.shtml