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2009-12-18

Auswertung der antimiliaristischen Aktionstage im Juni 2007 aus autonomer Sicht

Nachfolgend ein bisher nicht weit verbreiteter Text zu den antimilitaristischen Aktionstagen während den G8-Protesten 2007 bei Heiligendamm.

Militarisierung und Krieg immer und allerorten. Neo-koloniale Verhältnisse prägen die kapitalistische Globalisierung und werden in letzter Instanz militärisch durchgesetzt, weltweit. Die Verantwortlichen für diese Kriege befinden sich im permamenten Austausch. Nicht nur während eines G8-Gipfels, aber auch. Die G8-Staaten sind hauptverantwortlich für die meisten Kriege, die an verschiedenen Orten der Erde geführt werden. Damit lag es nahe, auch 2007 am Thema Krieg entlang zu mobilisieren und der militärischen Infrastruktur am Gipfelort diverse Aktivitäten zu widmen. Ein erstes bescheidenes Ziel haben wir erreicht: Wir haben antimilitaristische Inhalte in die G8-Vorbereitung getragen, der 5. und der 6. Juni, an dem die mächtigen Staatschefs auf dem Militärflughafen Rostock-Laage laden sollten, wurden zu Aktionstagen gegen Krieg, Folter und Militarismus ausgerufen.

Bild: Fünf Finger

Antimilitaristische Mobilisierung und Aktionen militanter Gruppen

Die thematische Mobilisierung zu den Aktionstagen fand Unterstützung durch zahlreiche, thematisch klar ausgerichtete, militante Aktionen lange vor Gipfelbeginn. So stand am 17. Oktober 2006 das Gästehaus des Auswärtigen Amtes in Flammen. “autonome gruppen / militant people (mp)” waren am Werk, um “die neue deutsche Außenpolitik, sprich Großmachtpolitik im ökonomischen und militärischen Sinne, offensiv anzugreifen” und erklärten darüberhinaus:
“Die Militarisierung wird auch in den reichen Ländern des Nordens zunehmend alltäglich. In der neuen europäischen Verfassung wird Aufrüstung zur nationalen Verpflichtung erklärt. Koordiniert wird das von der ‘Europäischen Verteidigungsagentur’ (EDA), deren Aufgabe u. a. die Stärkung und Konzentration der europäisches Rüstungsindustrie ist. Für die Außen- und Verteidigungspolitik der EU sind keine Entscheidungs- oder Kontrollbefugnisse der EU vorgesehen. Der wiedererstarkende militärisch-industrielle Komplex baut seine Eigenständigkeit aus. Das deutsche KSK tötet seit Jahren in Afghanistan wen sie wollen und schweigt dazu. Vorbei am Friedensgefasel der Bundesregierung baut der Daimler-Rüstungskonzern EADS seit Jahren seinen Laden aus und bewirbt sich u. a. für die Produktion von Hubschraubern und Tankflugzeugen für die US-Armee.”
Am Heiligabend 2006 bekam dann der Hamburger Finanzstaatssekretär Thomas Mirow Besuch von der “AG Kolonialismus und Krieg in der militanten Anti-G8-Kampagne”. Mirow war von der Bundesregierung mit der Vorbereitung des G8-Treffens betraut worden. Schöne Bescherung: Sein Auto brannte fast vollständig aus. Außerdem wurde sein Haus mit blauen Farbbeuteln weihnachtlich “dekoriert”. Einen Monat später brannte dann – wiederum in Hamburg – das Auto eines Vorstands von Thyssen-Krupp Marine Systems. Sein Haus und das eines Kollegen hatten “Revolutionäre Anti-Militaristische AktivistInnen” mit Farbbeuteln markiert und wandten sie sich damit gegen die Geschäfte der Rüstungsindustrie. Ausdrücklich ging es um die Unterstützung der Kampagne gegen die Nato-Sicherheitskonferenz in München und der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel. Auch die “militante gruppe” leistete im Januar 2007 mit Brandsätzen unter Bundespolizei-Fahrzeugen einen militanten Beitrag für eine antirassistische Mobilisierung gegen den G8-Gipfel und hatte damit auf Objekte eines der Apparate gezielt, die das Militarisierungsprogramm nach Innen durchsetzen. Weiter ging es in Berlin. Laut Berliner Morgenpost vom 14. Februar waren “betroffen … der Dienstsitz des Katholischen Militärbischofs am Weidendamm, eine Filiale des Software-Unternehmens SAP an der Rosenthaler Straße und das Gebäude der Bertelsmann-Stiftung, Unter den Linden. Ein weiterer Brandanschlag traf in derselben Nacht das Wohnhaus eines langjährigen Beraters des Bundesverteidigungsministeriums. In allen Fällen wurden Fensterscheiben eingeworfen und Wände mit Parolen beschmiert. Zu den Anschlägen bekannte sich eine Gruppe namens ‘Autonome AntimilitaristInnen’, bezeichnete die Anschläge als ‘Protest’ gegen die ‘Profiteure’ von Kriegen und Rüstungsgeschäften.”
Dass Genoss/innen damit auf ihre Art eigene Akzente setzten, wurde in der linksradikalen und autonomen G8-Vorbereitung begrüßt und mit unverhohlener Freude zur Kenntnis genommen. Solche Aktionen seien richtig und notwendig. Sie brachten die Kriegs- und Rüstungspolitik in Zusammenhang mit dem anstehenden Gipfel und bundesweit in die Presse. Und sie erreichten eine ganz andere Öffentlichkeit noch einmal ganz anders. Damit ergänzten sie die nichtklandestinen Aktivitäten, Mobilisierungsveranstaltungen, Kundgebungen, Blockadetrainings oder Flugblattverteilungen.
Mit ihren Anschlägen und Aktionen brachten die militanten Genoss/innen eine Unversöhnlichkeit gegenüber den Herrschenden und Kriegstreibern klar zum Ausdruck. Sie zogen einen klaren inhaltlichen Trennstrich: Der antagonistische Teil der Gipfelmobilisierung und das Spektakel der Herrschenden – da geht nichts, aber auch gar nichts zusammen. Deutlicher: Wir halten uns nicht an die von oben vorgegeben Regeln, wir üben keine konstruktive Kritik, wir wollen die immer wieder militärisch durchgesetzten und gesicherte Dominanz der kapitalistischen Produktionsweise beenden. Dazu ist sind Mitteln notwendig, die in der Logik der Herrschenden und ihrer Journalie, aber auch in den taktischen, zu Distanzierungen neigenden Erkärungen von NGOs und Mitgestaltungs-Aktivisten mit Begriffen wie Gewalt oder Terror charakterisiert werden. Mit diesem entschiedenen Ausdruck nahmen sie auch die offene und massenhafte Unversöhnlichkeit der Rostocker Auftaktdemonstration vorweg.

Antimilitaristische Aktivitäten als Auftakt der Gipfelungehorsamkeiten

Am 31. Mai 2007, einem Donnerstag, als es um Rostock und Heiligendamm noch verhältnismäßig ruhig war und man auf den Camps die aufgeschlagenen Zelte noch zählen konnte, platzte der Termin einer Werbeveranstaltung der Bundeswehr im Rostocker Arbeitsamt. Wie bereits in den Monaten zuvor in Köln und Berlin reichte schon die Ankündigung der als G8-Mobilisierung gedachten Proteste vor und in der Arbeitsagentur, um die Bundeswehr zum Rückzug und zur Absage ihrer angekündigten Rekrutierungsshow zu bewegen.
Einige hundert Globalisierungsgegner/innen besetzten dann am 1. Juni einen Teil des geplanten Bombenabwurfplatzes der Bundeswehr in der Kyritz-Ruppiner Heide, etwa 150 km von Heiligendamm entfernt. Am Nachmittag zogen sie in das von der Bundeswehr gesperrte Gelände an der Landesgrenze zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Unter dem Motto “Von der Heide zum Strand” stand die Platz-Besetzung als erste größere Aktion am Anfang der Gipfelproteste. Das allgemeinere politische Ziel war klar: den Protest in der Region zu ergänzen um Formen des massenhaften zivilen Ungehorsams, die vielleicht neu für die Region aber nicht unerträglich für die Menschen sein sollten, die kein Bombodrom wollen. Das Bündnis war sehr breit: Von Leuten, die sich zur BI zählen, über Gewerkschafter/innen, Linksparteimitglieder, Ökos, Tourismus- und Landwirtschaftskleinunternehmer, Kirchengemeindemitarbeiter/innen, autonome und aber auch pazifistische Aktivisten aus Berlin und aus der Region, Menschen aus sozialen Diensten, die Orchestergruppe Lebenslaute und wahrscheinlich noch weitere, die wir nächstes Mal mitaufzählen. Gemeinsam mit Initiativen und Bevölkerungsteilen von vor Ort blieben die Besetzer/innen einen Tag und eine Nacht auf dem sogenannten Bombodrom. Das spektrenübergreifende, breite Vorbereitungsbündnis dieser Aktion “No War – No G8” erklärte: “Wir bleiben heute Nacht hier”. Ein Wachturm wurde rosarot angemalt und damit zum Pink Point II. Überall entstanden rosafarbene Pyramiden. Die Zielpyramide, über der nach Vorstellungen des Kriegsministeriums Militärflugzeuge bald ihre Bomben abwerfen sollen, hatte die Bundeswehr schon vor den angekündigten Protesten selbst entfernt. Die Proteste richteten sich gegen eine “Militarisierung der Innen- und Außenpolitik” sowie gegen die Politik der G8, in deren Kriegsplanungen ein geschützter, riesiger Luftkampfübungsplatz wie das Bombodrom eine wichtige Bedeutung hat. Auch auf der gemeinsamen Webseite g8andwar.de kam zum Ausdruck, wie sehr sich die Aktionen auf dem Bombodrom und am Flughafen Rostock-Laage aufeinander bezogen.
Das ungehorsame auf den Platz gehen und dann das bunte Treiben um dem neuen Pink Point gelangen so gut, dass es am Vorabend der großen Gipfelproteste an der Ostseeküste zum heimlichen Auftakt der weltweiten Proteste wurde. Mit der pinken Pyramide gelang es dem Bündnis, ein Symbol nicht nur mit Wiedererkennungs- sondern auch mit Gebrauchswert zu etablieren. Zuerst verbrachten alle die Nacht auf dem Bombodrom in den pinken Pyramiden und dann konnten sie mit den Pyramiden im Schlepptau viel Aufmerksamkeit bei diversen Demonstrationen in Rostock auf sich ziehen. Die Perspektive des Bündnisses erweiterte sich über die einmalige Besetzung anläßlich der Gipfelproteste hinaus – immer mit der Botschaft: Wir haben gezeigt, was auf dem Platz geht, wir wissen, dass noch viel mehr geht, wir haben den Platz und das drumherum im Auge und wenn es soweit ist, dann kommen wir wieder. Damit die Bundeswehr ihre weltweiten Kriegseinsätze nicht ganz so ungestört üben kann, wie sie das gerne täte.

Ein bis zwei Aktionstage gegen Krieg, Militarismus und Folter

Weitere Aktionstage verketteten die Proteste der folgenden Tage inhaltlich. Neben Landwirtschaft und Migration hielten die Menschen in der Gesamtvorbereitung auch Krieg für ein Thema, dem ein Aktionstag gewidmet werden sollte. Ein erstes Vorbereitungstreffen fand in Berlin statt. Im einem besetzten Haus traf sich ein ganzer Haufen Menschen aus unterschiedlichen Spektren, von denen einige schon ganz konkret einen Tag lang miteinander vorbereiteten und gestalteten und andere, die nur mal zuhören wollten. Als Ziel und Aktionsort bot sich der auch zivil genutzte Militärflughafen Rostock-Laage an. Mit dem Jagdgeschwader 73 “Steinhoff” ist der Flughafen wichtiger Teil der militärischen Infrastruktur der NATO. In den dort stationieren Eurofightern werden Piloten ausgebildet und kommende Luftangriffe vorbereitet. Außerdem, so schätzte die Protestvorbereitung richtig ein, würde Rostock-Laage zur Infrastruktur des G8-Gipfels gehören: Dorthin würden die Gipfelteilnehmer eingeflogen. Gründe genug, eine Flughafenblockade zu erträumen, über Möglichkeiten nachzusinnen, auf das Gelände zu kommen, das Gelände für seinen beschissenen Zweck unbrauchbar zu machen, damit die Gipfelschweine es es vielleicht gar nicht erst an ihre Tröge schafften.
Auf den nachfolgenden Treffen stellte sich bald heraus, dass sich nur verhältnismäßig wenige in die Vorbereitung einbringen würden, dass für viele Autonome das Thema kein zentrales war. Letztlich stellte ein kleiner Vorbereitungskreis aus erfahrenen Antiimps und Friedensbewegten, sowie alten und jungen Autonomen die beiden Tage auf die Beine. Viele rechneten zunächst mit der Ankunft der Staatsgäste für Dienstag, den 5. Juni und darauf basierten auch die Planungen für die Blockade von Rostock-Laage. Für Mittwoch, den 6. Juni und Heiligendamm stand demnach das Konzept “Block G8” auf dem Plan und die Abdichtung des Tagungshotels, wie sie PAULA-Genoss/innen beworben hatten. Dann aber stellte sich heraus, dass sich die Ankunft der hohen Gesellschaften um einen Tag verschieben würde. Kurzhand mussten wir das Datum auf dem Plakat zum Aktionstag in Rostock-Laage korrigieren: Auf einem Vorbereitungstreffen wurde mit Hilfe wasserfester Stifte aus allen Fünfern Sechser. Das war das kleinste Problem. Schwieriger war: Wir standen plötzlich mit einem frei gewordenen 5. Juni da. Am Ende sah sich der nicht größer gewordene Vorbereitungskreis also in der Notwendigkeit, zwei Aktionstage gegen Krieg, Militarismus und Folter zu gestalten: den 5. und den 6. Juni.
Kurzerhand entstand eine antimilitaristische Stadtrallye, die einige Standorte der Rüstungsindustrie und des Militärs bekannt machen und Gelegenheit zum gemeinsamen Vorbeischauen bieten sollte. Los gings bei Caterpillar. Gegen die Beteiligung von Caterpillar-Bulldozern an der Zerstörung von Dörfern, Häusern und ziviler Infrastruktur in Palästina demonstrierte eine Kundgebung vor der Zweigstelle der Firma Zeppelin – dem deutschen Vertriebspartner von Caterpillar, nahe am Rostocker Camp. Einen Tag später meldeten die linken Nachrichtenticker dort einen Brandanschlag. Dann startete die Stadtrallye-Demo in den Rostocker Norden, nach Warnemünde, mit einer Kundgebung in der Nähe des Firmensitzes von EADS – einer der fünf großen Rüstungsfirmen, die auch in Rostock ihren Sitz haben und ging bei der Marinewerft in Rostocks Norden vorbei. Sie endete gegenüber dem Marinestützpunkt Hohe Düne – einem Führungszentrum der deutschen Marine. Von dort liefen Schnellboote 2006 an die Küste des Libanon aus. In Rostock haben Kriegsschiffe ihren Heimathafen, die an der Operation Enduring Freedom und zur “Piratenjagd” im Golf von Aden am Horn von Afrika eingesetzt sind. Der Standort wird mit fünf Korvetten neuester Bauart aufgerüstet; sie sind von zentraler Bedeutung für die Ausweitung der Kriegführungsfähigkeit der deutschen Kriegsmarine. Am Nachmittag führte der Abschluß der Rallye zum ersten Mal nach Rostock-Laage. Denn George W. Bush (Seine Unsäglichkeit) sollte nun doch schon am Abend des 5. Juni anreisen, um sich separat mit Angie noch ein paar Stunden zusätzlich treffen zu können, bevor dann am folgenden Tag die anderen nachkommen.

Proteste am Flughafen Rostock-Laage

Für viele war die Anreise des US-Präsidenten Bush am Abend des 5. Juni Grund genug nach Rostock-Laage zu kommen. In dem Örtchen Weitendorf nahe der zivilen Flughafeneinfahrt begannen ab 17 Uhr die Proteste mit Musikkampfwagen und Volxküche auf einer stimmungsvollen Kundgebung. Viele Teilnehmer waren auf ihrer Anreise kontrolliert worden, die wenigen organisierten Busse waren gestoppt, durchsucht und die Insassen einer Personalienkontrolle unterzogen worden. Als gegen 19 Uhr die Maschinen mit der amerikanischen Delegation und dem US-Präsidenten landeten, wurden die über 1.000 Kundgebungsteilnehmer/innen laut. Während es viel Krach gab, versuchten einige über die Felder an den Absperrgittern an der Polizei vorbeizukommen. Nachdem gegen Mitternacht der Heimtransport der letzten Kundgebungsteilnehmer/innen sichergestellt war, war auch klar: Mit einer solchen Zahl von Leuten können wir morgen nicht noch einmal rechnen. Der nächste Bahnhof war zu weit weg, die Busse konnten mit stundenlangen Gängel-Kontrollen durch die Polizei ausgeschaltet werden und selbstorganisierter Transport war nicht absehbar. Zudem mobilisierte die Initiative Block G8 zeitgleich zu Fußmärschen auf Heiligendamm. Das bedeutete: Unser Mobilisierungspotential war weggebrochen. Es würde nichts großes werden am 6. Juni um Rostock-Laage. Da kam die Idee auf, die Flughafenblockade abzusagen und alle Kapazitäten in eine Autobahnblockade zu stecken. Diese Idee wurde aber nicht weiter verfolgt. Viele von uns wollten der – bei der zu erwartenden sehr, sehr abgespeckten Flughafenaktion – absehbaren eigenen Festnahme entgehen, nicht zuletzt, weil wir uns in der Verantwortung für diejenigen sahen, die trotz aller Widrigkeiten doch noch zu einer der vier rund um den Flughafen angemeldeten Kundgebungen kommen würden. Dennoch gab es am 6. Juni tatsächlich wiederholt kurzzeitige Blockaden auf der Autobahn A 19 – direkt bei der Abfahrt Flughafen Rostock-Laage, genau auf der Protokollstrecke, die die G8-Delegationen in Richtung Heiligendamm fahren wollten. Zu Hochzeiten waren maximal 100 Menschen auf einer der Kundgebungen und viele Angereiste fuhren nach kurzer Zeit wieder zurück, um sich an den mit fünfstelliger Teilnehmerzahl wesentlich größeren Blockadeaktionen um den Zaun von Heiligendamm zu beteiligen. Die Kundgebungen waren zu klein, um etwa um den Flughafen herum vorbereitete Aktionen zu starten. Die Blockade des Militärflughafens Rostock-Laage, die Verhinderung der Anreise der Gipfelherrscher schon am Flughafen, war gescheitert.

Und was bedeutet das?

Das Camp auf dem Bombodromgelände am 1. Juni 2007 war ein sehr guter Anfang der antimilitaristischen Gipfelmobilisierung. Dass so unterschiedliche Leute mit ihren unterschiedlichen Ansätzen letztlich erfolgreich und für alle befriedigend zwei Jahre intensiv zusammen gearbeitet haben, liegt unseres Erachtens an mindestens drei Punkten. Erstens gab es von Anfang an ein klares, gemeinsames politisches Ziel – die Vorbereitung einer Aktion zivilen Ungehorsams auf dem geplanten Bombenabwurfplatz. Zweitens gab es einen festen zeitlichen und politischen Anlaß, den G8-Gipfel mit seiner weltweiten Aufmerksamkeit für Themen von Krieg, Frieden, Folter, Patriarchat und Militarisierung, die wir nutzen wollten. Und drittens gab es bei allen Beteiligten ein Minimum an Offenheit und Bereitschaft für einen gemeinsamen sozialen Prozeß jenseits der rein pragmatischen Vorbereitung einer gemeinsamen Aktion. Dieser soziale Prozess fand seine Bestätigung darin, dass das Gelände auch im Juli 2008 erneut besetzt wurde. Hatten wir 2007 einen Tag und eine Nacht lang mit mehreren Hunderten besetzt, so gelangen 2008 drei Tage Besetzung trotz Räumungsandrohung. Gute antimilitaristische Aktionen und Diskussionen, sowie Aktivitäten gegen Genfeldversuche, bei denen es um den Komplex Hunger, Krieg, Gentechnologie ging, rundeten die Besetzung ab. Offensichtlich hat mit der globalisierungskritischen Bewegung im weitesten Sinne ein weiterer Aktivistenkreis das Bombodrom längerfristig “entdeckt”. Was zum Auftakt der Gipfeltage gelang – dass verschiedene antimilitaristische Initiativen aus diversen Regionen, autonome und friedensbewegte Gruppierungen zusammen agierten – war eine neue Entwicklung für den regionalen Widerstand gegen diese überregional bedeutende militärische Infrastruktur. Und es zeigte, dass Gipfelproteste nicht einmaliges Event bleiben müssen, sondern in längerfristige und konkretere soziale Kämpfe münden können. Das Bombodrom eignete und eignet sich als Kristallisationspunkt, um die zunehmend militarisierte Innen- und Außenpolitik theoretisch und praktisch zu kritisieren, und um die Inbetriebnahme wichtiger Infrastruktur zur Kriegsvorbereitung und -führung tatsächlich zu behindern. Soviel war jetzt klar.

Die Demonstration im Rahmen der Antimil-Rallye am 5. Juni nach Warnemünde war mit über 2.000 Teilnehmer/innen eine der größten antimilitaristischen Demonstrationen in der BRD der letzten Jahre. Sie bildete den Höhepunkt der antimilitaristischen Mobilisierung während des Gipfels. Zur Demo kamen mehr Menschen als später am Abend zur Landung von Bush und am kommenden Tag zur Flughafenblockade nach Rostock-Laage. Warnemünde war mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrad erreichbar. Der Transport vieler Menschen nach Rostock-Laage erwies sich dagegen mit den schwachen vorhandenen Mitteln als logistisch nicht machbar. Hier behielten die Skeptiker recht, die das schon in einem frühen Stadium der Aktionsidee eingewandt hatten. Eine weitere Folge des terminlichen Hin- und Her war die unvorhergesehene zeitliche Parallelität zweier örtlich voneinander getrennter Aktivitäten am 6. Juni: Plötzlich war die Flughafenblockade auf den Tag gerutscht, den das Konzept Block G8 schon länger für den Beginn der Blockadeaktionen um den Zaun herum vorgesehen hatte. Politisch betrachteten sich die Vorbereitungskreise als gegenseitige Ergänzung nach dem Motto: “Gemeinsam wirken wir stark”. In Echt war das natürlich ein Problem, denn wenn zwei notwendigerweise groß angelegte Blockadeaktionen auf einen Tag fallen und sich die Leute entscheiden müssen, dann leidet die gemeinsame Stärke in der Praxis doch spürbar – wenigstens an einem Ort. Allerdings haben die – im Nachhinein und je nach Standpunkt als großmäulig oder größenwahnsinnig zu bezeichnende – Mobilisierung nach Rostock-Laage und die (kleinen aber feinen) Kundgebungen am Flughafen wahnsinnig viele Bullen und Material gebunden, das im Norden bei Heiligendamm gefehlt haben dürfte. Somit haben wir zum Durchbruch an den Zaun um Heiligendamm beigetragen. Tatsächlich gab es Leute, die das so nachträglich als Erfolg verkaufen wollten. Dabei können wir offen zugeben: Geplant war das nie. An die Bindung von Polizeikräften wurde in der Vorbereitung kein Gedanke verschwendet. Wir hatten – wie schon so oft und eigentlich immer – Größeres vor.

Source: http://www.info.libertad.de/blogs/0/243