Pressemitteilung
Unter Richter Scherhans hob das Landgericht Rostock eine 10 monatige
Haftstrafe für einen 21 jährigen spanischen Gipfelkritiker auf.
Stattdessen kam der Richter mit einem deutlich verringerten Strafmaß von 7
Monaten und dessen Aussetzung auf 2 Jahre zur Bewährung dem Antrag der
Verteidigung fast vollständig entgegen. Es sei, so der Richter, von einer
günstigen Sozialprognose auszugehen. Der Mann seie strafrechtlich bislang
noch nicht in Erscheinung getreten und habe sogar den ihm zur Last gelegten
Steinwurf während der Demonstration am 2.Juni 2007 gegen den G8 Gipfel in
Rostock noch vor der Beweisaufnahme eingeräumt.
Während des Prozesses stellte sich heraus, daß der zweite Grund, der zur
drakonischen Strafe im Schnellverfahren führte, nämlich die gefährliche
Körperverletzung des vom Stein getroffenen Polizisten, wohl eher dem
Wunschdenken der ermittelnden Polizisten entsprang. Es konnte noch nicht mal
ermittelt werden, welcher Polizist überhaupt vom Stein getroffen wurde,
geschweige denn, ob es überhaupt eine Verletzung gab.
So mußte auch
Staatsanwalt Schrader den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung fallen
lassen und plädierte noch im Verfahren seinerseits auf versuchte schwere
Körperverletzung und Verringerung des Strafmaßes.
Die Verteidigerin Silke Studzinsky kritisierte während des Prozesses das
Schnellverfahren, welches in ihren Augen eher einem politischen Schauprozess
entsprach, um dem Wunsch der Öffentlichkeit zu entsprechen, daß mit
Straftätern kurzer Prozess gemacht werde. Dabei sind rechtsstaatliche
Normen massiv mißachtet worden. So seien bei acht am 6.6 im Schnellvefahren
abgeurteilten Demonstranten in keinster Weise auf deren besonderen
individuellen Lebensumstände eingegangen worden, wie es bei der Frage der
Aussetzung zur Bewährung rechtlich vorgeschrieben seie.
Daß darüber hinaus, so Studzinsky, in der Urteilsbegründung des
Schnellverfahrensrichters ausgeführt wurde, daß eine Bewährung nicht
gegeben werden könne, da der Angeklagte als Ausländer das Gastrecht
mißbraucht habe, löste selbst beim Staatsanwalt Herrn Schrader
Kopfschütteln aus. „Die Ausländereigenschaft dürfe nicht relevant bei
der Strafzumessung sein“, so Schrader.
Auch Richter Scherhans stimmte der Verteidigung in weiteren Punkten bezgl.
der Kritik am Schnellverfahren zu. Weder wurde das junge Alter des
Angeklagten angemessen berücksichtigt, noch sei überhaupt eine
Sozialprognose erstellt worden.
Für die Prozessbeobachtungsgruppe Rostock alles in allem ein Schlag ins
Gesicht der für den G8 extra installierten Kavala Justiz. Es wurde ein
weiteres Mal deutlich, daß bei den damaligen Schnellverfahren überhaupt
kein Interesse daran bestand, Straftbestände richtig zu beurteilen. Ziel
war ausschließlich, der Öffentlichkeit schnell irgendwelche Menschen als
Straftäter und harte Strafen präsentieren zu können, um so den Protest
als kriminell zu stigmatisieren, egal ob und egal was die Angeklagten
tatsächlich gemacht haben. Dabei schreckten die Schnellverfahrensrichter
noch nicht einmal vor ausländerfeindlichen Argumentationen zurück,
erklärte ein Sprecher heute gegen Ende des Prozesses.
Prozessbeobachtungsgruppe Rostock
Source: Prozessbeobachtungsgruppe