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2007-11-11

G8 und kein Ende - ['solid]-Mitglied freigesprochen

Am 9.November 2007 fand in einem der Verhandlungssäle des Amtsgerichts Rostock einer von zahlreichen Prozessen, die in Auswertung des G8 Gipfels in Heiligendamm noch geführt werden, statt.

Auf der Anklagebank befand sich der 19 jährige Alexander S., derzeit Student an der Universität Göttingen und ['solid] - Mitglied. Grund für die Verhandlung war folgender Sachverhalt: Im Rahmen des Protestes gegen den G8 Gipfel in Heiligendamm entschloss sich Alexander S. ebenfalls nach Rostock zu reisen und an Kundgebungen sowie Demonstrationen teilzunehmen.

Aus reiner Vorsichtsmaßnahme und aus Angst vor zu Gewaltausbrüchen neigenden Staatsdienern hatte der Angeklagte auf dem Weg zu einer Kundgebung im Rahmen der Blockaden, einen Mundschutz mit sich geführt, Zahnersatz ist heutzutage teuer und Alexander hatte einfach nur Angst, seinen Zähnen könnte etwas zustoßen.

Der besagte Mundschutz stellte sich im Verlauf der Verhandlung als einfache Beißleiste, gefertigt aus Silikon und normalerweise eher zur Abmilderung von Zähneknirschen während des Schlafs dienlich, heraus.

Bild: Daniel Rosenthal

Der Angeklagte führte diesen Mundschutz in einer kleinen blauen Plastikbox, wie sie auch für Klammern benutzt werden, mit sich, hatte ihn also nicht einmal angelegt. Nichtsdestotrotz war es genau diese Blaue Box samt Inhalt, die Alexander auf dem Weg zur Kundgebung zum Verhängnis wurde. In einer polizeilichen Vorkontrolle wurde aus diesen Gegenständen ein Gefährdungsindiz konstruiert. In den Augen der Polizei stellte dieser banale Mundschutz einen Gegenstand dar, der dazu genutzt werden könnte, im Rahmen einer Versammlung sich Vorteile bei der möglichen Widersetzung gegen die Staatsgewalt zu verschaffen. Mit anderen Worten, der vermeintliche Mundschutz könnte als passive Bewaffnung gelten und verstößt somit gegen das Versammlungsgesetz §2 (3). Dies führte zu einer sofortigen in Gewahrsamnahme am Protesttag und infolge dessen zu einem Strafbescheid über nicht wenige Euros.

Bei der Absurdität dieses Ereignisses sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dagegen Einspruch zu erheben, wie auch geschehen. So kam es zu diesem heutigen Prozess. Die junge Staatsanwältin trug die Vorwürfe gegen Alexander S. vor. Der Sachverhalt wurde so dargestellt, dass es ja hätte möglich sein können, dass Alexander eine Konfrontation mit der Staatsgewalt gesucht haben könnte und aus diesem Grund besagten Mundschutz mit sich führte. Daraufhin ergriff die Verteidigung das Wort und brachte einen ähnlichen Rechtsfall zur Sprache, bei dem festgestellt wurde, dass ein Mundschutz nicht als passive Bewaffnung gelten kann. Nachdem dann der Angeklagte selbst das Wort ergriff und noch einmal beteuerte, dass er nach den Bildern aus Rostock vom 2.Juni 2007, einfach nur Angst vor willkürlicher Polizeigewalt hatte und ihm seine Zähne sehr am Herzen liegen, zogen sich die Staatsanwaltschaft und die Richterin zu einer kurzen Beratung zurück.

Nach der kurzen Pause wurde das Plädoyer der Staatsanwaltschaft verkündet. Sie schloss sich im Wesentlichen der Verteidigung an und ging davon aus, dass dieser Mundschutz zwar dazu geeignet sein könnte, ein etwas offensiveres Verhalten gegenüber der Polizei zu forcieren, aber er ist nicht dazu geeignet ( da im geschlossenen Mund zu tragen ) für ein martialisches Auftreten zu sorgen, noch einen wesentlichen Vorteil gegenüber der Abwehr von Staatsgewalt zu erzeugen. Die Staatsanwältin plädierte daraufhin für einen Freispruch Alexanders. Mit der Bemerkung, dass man sich diese Farce auch hätte sparen können und eigentlich schon die damaligen Polizeibeamten hätten erkennen müssen, dass ihre Behauptungen haltlos sind, wiederholte die Verteidigung die Forderung auf Freispruch.

Dem konnte Alexander in seinen Abschlussworten auch nur zustimmen, und so verkündete die Richterin kurz darauf das Urteil. Wie zu erwarten, lautete dieses Freispruch. In der Urteilsbekundung schwang allerdings noch eine bedenkliche Auslegung des Urteils mit. Die Richterin war der Meinung, dass es sich weniger um einen Mundschutz, als vielmehr um eine Beißleiste handelt. Wäre es jedoch solch ein Mundschutz, wie ihn auch Boxer verwenden, wäre die Sachlage anders zu beurteilen!? Denn dann könnte dieser Mundschutz auch als Wurfgeschoss verwendet werden!???

Also, man sieht mal wieder, womit sich der Rechtsstaat alles so beschäftigt. Kosten für derartige Beschäftigungen tragen die Allgemeinheit und die Nerven/Zeit der Angeklagten. Hunderte ähnlich abstruse Prozesse im Rahmen der G8 werden noch folgen. Wer also Wert auf authentische Unterhaltung legt, ist im Amtsgericht Rostock noch auf lange Zeit gut aufgehoben.

Source: www.solid-web.de