Florian Rötzer 31.05.2007
Viel interessanter als der G8-Gipfel sind die Vorbereitungen als Indikator der politischen Kultur – mitsamt den "geheimen Polizeiplänen", die die Bildzeitung verrät
Das Drumherum um den G8-Gipfel ist zumindest bislang wesentlich interessanter als das Treffen der Regierungschefs, das höchstens darin spannend zu werden droht, wie sich die vielen Konflikte und Differenzen ausprägen werden. Interessant sind die Vorbereitungen zum G8-Gipfel allemal als Indikator für die politische Kultur in diesem Land – vor und hinter dem Sicherheitszaun.
Auch die Bahn beteiligt sich am G8-Gipfel. Sie transportiert keine Fahrräder in Richtung Heiligendamm, dafür aber betätigt sie sich als Spitzel. Wie sich [extern] herausstellte, sind die Zugbegleiter angewiesen worden, größere Reisegruppen zu melden, die in Richtung G8-Gipfel fahren: "Da die globalisierungskritische Szene nicht unbedingt als solche zu identifizieren ist", ist das Zugpersonal verpflichtet worden, "anlassbezogen eine Vormeldung von größeren Reisegruppen in Richtung Mecklenburg-Vorpommern (z.B. Rostock) an interne Stellen vorzunehmen". "Möglichem Gefahrenpotenzial" sei durch "polizeiliche bzw. betriebliche Maßnahmen frühzeitig und konsequent entgegenzuwirken".
Am 2. Juni findet die erste Großdemonstration der G8-Kritiker in Rostock statt. Erwartet werden hier bis zu 100.000 Teilnehmer. Parallel wollte die NPD ihren völkisch-nationalen [extern] Protest in Schwerin mit mehreren Tausend Teilnehmern demonstrieren – Linke, Antifaschisten und andere Gegner der Braunen hatten ihrerseits Aktionen dagegen angekündigt. Der Schweriner Stadtverwaltung scheint die Angelegenheit zu brenzlig geworden zu sein. Sie hat jetzt die Demonstration der NPD und die drei angekündigten Protestveranstaltungen aus Sicherheitsgründen [extern] verboten.
Es hätten sich "Personen mit Störabsichten" angekündigt. Die Polizei sei überfordert und könne die notwendigen Kräfte nicht stellen, um Krawalle zu verhindern. Von den angeforderten 3.700 Polizisten seien nur 1.900 zugesichert worden. Sowohl die NPD als auch die Veranstalter einer Demonstration antifaschistischer Gruppen wollen gegen das Verbot Klage einreichen. Die Polizei hat angekündigt, zur Durchsetzung des Verbots einen Gürtel von Kontrollstellen um die Stadt einrichten und die geplanten Versammlungsplätze freizuhalten.
Noch ist unklar, wie sich das Oberverwaltungsgericht Greifswald nach der mündlichen Anhörung am Mittwoch über das Demonstrationsverbot in Heiligendamm entscheiden wird. Das Verwaltungsgericht Schwerin hatte das von der Polizei erlassene weitreichende Versammlungsverbot teilweise aufgehoben und Proteste bis 200 Meter vor dem Sicherheitszaun zugelassen, wogegen sowohl die G8-Polizeieinheit Kavala als auch die Organisatoren des geplanten Sternmarsches am 7. Juni Beschwerde eingelegt hatten. Das Gericht will in den nächsten Tagen entscheiden. Die Organisatoren des Sternmarsches können, sollte das OVG gegen ihre Wünsche entscheiden, noch vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Die Polizei hat auch gegen das vom Verwaltungsgericht Schwerin aufgehobene Demonstrationsverbot um den Flughafen Rostock-Laage Beschwerde eingelegt. Auch hier steht eine Entscheidung noch aus.
Derweil [extern] klärt die Bild-Zeitung ihre Leser über die Themen und die "Streitgefahren" des G8-Gipfels auf: "48 Stunden Weltpolitik. Es geht um Atomwaffen, die Armut in Afrika und die Klimakatastrophe." Bei der Afrika-Hilfe sei die Streitgefahr niedrig, erfahren wir, bei der Klimapolitik sehr hoch, beim iranischen Atomprogramm ("Es geht um iranische Atomwaffen!"), mittel und beim Schutz der Markenprodukte sehr gering. Aber Bild verrät auch die [extern] geheimen Polizei-Pläne. So sollen "gewaltbereite Störer an empfindlicher Stelle" getroffen werden: "bei Koordination und Kommunikation!"
Die Polizei setzt möglicherweise Störsender ein, sog. "Jammer" (verwendet auch der Secret Service des US-Präsidenten). Sie unterbrechen Handy-Gespräche, Funk- und E-Mail-Verkehr.
Für den Notfall ("Gefahrenabwehr") erwägt die Polizei, die örtlichen Mobilfunknetze ganz lahmzulegen. Das soll Chaoten an der Koordinierung ihrer Aktionen hindern. Dazu können die Netzbetreiber auf Anfrage der Behörden einzelne Funkmasten abschalten.
Die Polizei ist technisch auch in der Lage, unter bestimmten rechtlichen Auflagen Handy-Nutzer zu orten und Gespräche abzuhören.
Neben Bodyguards, Kampftauchern oder Scharfschützen oder AWACS-Flugzeugen und Luftabwehrraketen soll aber auch die Sondereinheit GSG 9 für die Sicherheit der Regierungschefs in der Hochsicherheitszaune Heiligendamm sorgen:
Die legendären Anti-Terror-Kämpfer sind die Chef-Schützer des Gipfels. Sie bewachen die "Rote Zone", den innersten Tagungsbereich. Waffen: Pistole Glock 17 (schießt unter Wasser) und Maschinenpistole Heckler & Koch MP5. Sie kennen die Baupläne des Hotels auswendig, haben trainiert, die Gebäude bei Geiselnahmen zu erstürmen.
[http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25401/1.html]