Im Vorfeld der (nicht wie beantragt genehmigten) Antifa-Demonstration gegen den Nazi-Aufmarsch in Rostock am 1. Mai kriminalisiert Innenminister Timm die GegendemonstrantInnen: “Bundesweit bereiteten sich Globalisierungsgegner auf den Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm im kommenden Jahr vor, sagte der Minister. Bereits am 1. Mai wollten mehr als 400 gewaltbereite Autonome aus ganz Deutschland in Rostock die Einsatzbereitschaft der Polizei testen”.
Rostock will Antifa-Demo am 1. Mai verhindern
Tofu-Bratwurst 28.04.2006 01:53 Themen: Antifa
In Mecklenburg-Vorpommern hat man die gewaltbereiten Chaoten entdeckt. Weil sie am 1. Mai für den G8-Gipfel proben wollen, wird eine Antifa-Demo gegen die geplante zentrale NPD-Demonstration für den Tag von den Behörden schikaniert.
Innenminister Timm stellte heute den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2005 vor. Doch anstatt sich Sorgen um die Neonazis im Land zu machen, die im September in den Landtag einziehen wollen, den Alltag in weiten Teilen des Bundeslandes kontrollieren und erst kürzlich in Wismar einen Mann aus Togo krankenhausreif geschlagen haben, kriminalisiert er lieber antifaschistischen Protest.
Mehr als 400 gewaltbereite Linksradikale hat er ausgemacht, die am 1. Mai nach Rostock kommen wollen würden, um Ausschreitungen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm im kommenden Jahr zu üben. 6000 Polizisten werden deshalb in die Hansestadt verfrachtet, Angst vor Bürgerkriegszuständen geschürt. Da ist es nicht verwunderlich, dass eine geplante Antifa-Demonstration gegen den Neonaziaufmarsch de facto verboten wird. Wie die Organisatoren heute mitgeteilt bekommen haben, wurde ihre geplant Route radikal gekürzt. Ihnen wird damit nicht nur die Teilnahme an den anderen geplanten Aktivitäten eines breiten Bürgerbündnisses gegen die NPD verwehrt, zu dem sie hindemonstrieren wollten. Eine Kundgebung am jüdischen Friedhof Rostocks, wo die Antifas der Opfer des nationalsozialistischen Vernichtungswahns gedenken und an den 61. Jahrestag der Befreiung der Stadt erinnern wollten, wurde untersagt.
“Die Verfügung der Rostocker Stadtverwaltung stellt einen eklatanten Eingriff in unser Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit dar”, heißt es vom Antifa-Bündnis in einer kurzfristigen Pressemitteilung. “Szenarien, wonach bei unserer Demonstration für Proteste gegen den G8-Gipfel geübt werden solle, entbehren jeglicher Grundlage und sind nicht mehr als Panikmache. Sie sollen der Polizei vielmehr als Rechtfertigung dienen, am 1. Mai in Rostock gegen antifaschistische Aktivitäten vorzugehen. Antifaschistischer Protest aber ist nicht kriminell, sondern notwendig!” Die Antifas haben in der gleichen Mitteilung angekündigt, juristische Schritte einzuleiten.
Die Neonazis haben unterdessen keine Probleme mit der Stadt. Während sie eine super Route durch die Innenstadt bekommen hat, teilt das wegen Lichtenhagen gegründete Alibi-Bündnis “Bunt statt Braun” mit, dass es die NPD für eine demokratische Partei hält und deren Recht auf Demonstrationsfreiheit verteidigen will. Ob die Neonazis dafür den Bürgermeister als Dankeschön zu ihrem geplanten Konzert am Sonnabend eingeladen haben, ist nicht bekannt. Wird es auch nicht, denn die Veranstaltung ist geheim.
Sollten die angekündigten zwei- bis dreitausend Neonazis am 1. Mai in Rostock ungestört marschieren können, dürfte sich Mecklenburg-Vorpommern umso mehr zu jenem nicht geheimen Tip für Rechte entwickeln, dass es schon lange ist. Es liegt an Antifas, dieser Entwicklung entgegenzutreten.
Links:
aktuelle Pressemeldungen unter http://www.links-lang.de
die Seite des Antifaschistischen Aktionsbündnis Rostock unter http://www.1mairostock.de
Linkspartei wirft Timm Lethargie im Umgang mit Rechts vor
Gottfried Timm, Innenminister in Mecklenburg-Vorpommerngroße Bildversion anzeigen
Der Vorsitzende der Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern/Sachsen-Anhalt der Linkspartei-Fraktion im Bundestag, Jan Korte, hat Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Gottfried Timm (SPD) Lethargie beim Vorgehen gegen den Rechtsextremismus vorgeworfen. Korte reagierte damit auf den Verfassungsschutzbericht des Landes für 2005, den Timm am Donnerstag in Schwerin vorgestellt hatte. Dabei hatte der Minister auf einen starken Mitgliederzuwachs bei der NPD hingewiesen. Korte forderte, die Mitarbeiter der Behörden im Land gesondert zu schulen, um alle Möglichkeiten des Versammlungsrechts für das Verbot rechtsextremistischer Kundgebungen ausschöpfen zu können. “Innenminister Timm scheint hierbei leider ein wenig lethargisch zu sein und lediglich zu bilanzieren, wo Handeln nötig wäre”, kritisierte er.
Mitgliederzuwachs bei der NPD
Timm hatte bei der Vorstellung des Berichts darauf hingewiesen, dass rechtsextreme Organisationen im Nordosten zunehmend Anhänger gewinnen. Die Szene richte ihre Aktivitäten auf die Landtagswahlen im Herbst aus. Bislang hätte sie vorwiegend Protestwähler erreicht, die mit der Arbeit der demokratischen Parteien nicht einverstanden gewesen seien, so Timm. Inzwischen habe sich ihre Anhängerschaft aber zu einem “verfestigten ideologischen Körper” entwickelt. Von 2004 auf 2005 sei die NPD-Mitgliederzahl von 100 auf 200 gestiegen. Mittlerweile seien es 230. Insgesamt stagniere das rechtsextreme Spektrum im Land aber bei rund 1.200 Personen.
Zahl der Straftaten gestiegen
Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund habe jedoch zugenommen. Sie stiegen dem Verfassungsschutzbericht zufolge im vergangenen Jahr um 58 auf 322. Dabei hätten insbesondere die so genannten Propagandadelikte wie etwa Hakenkreuzschmierereien um 22 auf 188 zugenommen. Die Zahl der Gewalttaten sei konstant bei 31 geblieben.
Freundliches Auftreten in der Öffentlichkeit
Der Innenminister wies darauf hin, dass die Rechtsextremen ihr Auftreten in der Öffentlichkeit geändert hätten. Sie träten “freundlich” auf und gründeten Bürgerinitiativen wie etwa “Schöner wohnen auf Usedom”, um neue Mitglieder zu werden. Timm bezeichnete die Organisationen als “Wölfe in Schafspelzen”. Mitglieder der rechtsextremen Szene besuchten auch Veranstaltungen anderer Parteien und Institutionen und nutzten diese, um sich so Öffentlichkeit zu verschaffen.
Gefährdung auch durch Linksextremisten und Islamisten
Auch von Linksextremisten und durch islamistischen Extremismus werde die innere Sicherheit in Mecklenburg-Vorpommern gefährdet. Es gebe rund 100 Personen, die einer gewaltbereiten und anarchistischen Szene angehörten. Anders als im rechtsextremistischen Bereich sei die Zahl der Straftaten von Linksextremisten im vergangenen Jahr weiter zurückgegangen, so Timm. Sie sei um 20 auf 32 Delikte gesunken. Die Zahl der Gewalttaten habe um 10 auf 14 abgenommen. Allerdings rechneten die Behörden mit einer deutlichen Zunahme linksextremistischer Aktivitäten. Bundesweit bereiteten sich Globalisierungsgegner auf den Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm im kommenden Jahr vor, sagte der Minister. Bereits am 1. Mai wollten mehr als 400 gewaltbereite Autonome aus ganz Deutschland in Rostock die Einsatzbereitschaft der Polizei testen. Anlass ist eine Kundgebung der Bundes-NPD, zu der die Behörden bis zu 1.500 Neonazis erwarten. Beim islamistischen Extremismus habe der Nordosten keine Sonderstellung, betonte Timm.
Stand: 28.04.2006 14:45