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2007-05-25

Testlauf für G8-Proteste in Hamburg

Florian Rötzer 25.05.2007

In Hamburg durchsucht der Staatsschutz in einem Postamt Briefe, bei den Razzien Anfang Mai wurden Seminarlisten mit Namen bei einem des Terrorismus beschuldigten Dozenten der Uni Bremen beschlagnahmt

Wenn am Samstag gegen die Bildungspolitik und am Pfingstwochenende in Hamburg gegen das [extern] asiatisch-europäische Gipfeltreffen ASEM Demonstrationen stattfinden, wird von Sicherheitskräften und Demonstranten schon einmal in einer bereits aufgeheizten Stimmung getestet, was sich kurz darauf zum G8-Gipfel in Heiligendamm unter schwierigeren Bedingungen und in größeren Dimensionen abspielen könnte.

Am Samstag finden in Hamburg und Berlin von großen Bündnissen organisierte Demonstrationen unter dem Motto [extern] G-8-Bildungspolitik in die Zange nehmen! statt. Gefordert wird für den Auftakt der g8-Proteste: "Für Bildung frei von Sachzwängen und Verwertungskriterien. Gegen den globalen wettbewerbsorientierten Umbau von Bildung. Gegen Elitenbildung und marktorientierte Eingriffe in das Bildungsangebot."

Am Pfingstmontag werden in Hamburg bis zu 10.000 Teilnehmer bei der internationalen Demonstration unter dem Motto [extern] Gate to global Resistance erwartet, denen 2.500 Polizisten gegenüberstehen. Aufgerufen wird u.a. mit dem Slogan: "Wir sind die TerroristInnen!" Im Unterschied zum abgelegenen, durch einen Sicherheitszaun abgeschirmten Heiligendamm finden Konferenz und Protestaktionen in der Stadt statt. Rhetorisch hat man sich schon eingeschossen. Verfassungsschutzchef Heinz Fromm erklärte, es gebe "massive Drohungen" im Hinblick auf die ASEM-Konferenz. Ebenso massive Protestaktionen und Störungen kündigten die Organisatoren der Protestaktionen an, während Innensenator Nagel immer wieder darauf hinwies, dass eine "Null-Toleranz-Strategie" gefahren werde. Die Kritiker sprechen wie beim G8-Gipfel vom "Versenken". Die Veranstalter der Demonstration suchen mit dem Aufruf zum Übergehen von Auflagen eine Konfrontation:

Natürlich werden wir am Ort des Geschehens, nämlich auf den Rathausmarkt in Hamburg, dort wo die "Musik spielt", unsere Abschlusskundgebung durchführen. Wir werden unsere Meinung über Transparente öffentlich machen und lassen uns nicht vorschreiben, welche Länge diese besitzen dürfen, oder wo und wie wir diese tragen. Wir werden unseren Protest öffentlich äußern. Öffentlich bedeutet, ohne einen faktischen Wanderkessel durch eine Umschließung der Demonstration von Polizeikräften und ohne die Verbannung in menschenleere Straßenschluchten am Rande der City.

Nach der Razzia in der Roten Flora, die die Stimmung in Hamburg aufgeheizt hat, kam es bei einer Demonstration zu ersten Auseinandersetzungen. Dann flogen in Hamburg Farbbeutel und Steine gegen die Häuser eines CDU-Politikers und eines Lufthansa-Chefs sowie gegen ein Hotel, das Auto von BILD-Chefredakteur Kai Diekmann wurde zum Ziel eines Brandanschlags. Die Polizei hat nicht nur den Objektschutz verstärkt, auch der Staatsschutz ermittelt und es wird fieberhaft, wenn auch bislang vergeblich versucht, die Täter zu finden. Auf der Suche nach militanten Linken wird auch die Post im Briefzentrum Mitte in Hamburg systematisch und mit großem Aufwand [extern] durchgeschnüffelt, wie die Taz [extern] berichtet. Möglicherweise sollen so Bekennerbriefe frühzeitig abgefangen werden, sonst dürften etwaige Militante kaum etwas über Briefe verbreiten. Da die Razzien aufgrund von § 129a, also aufgrund des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung, mit den entsprechenden weitreichenden Befugnissen durchgeführt wurden, darf man davon ausgehen, dass Telefon- und Internetkommunikation derzeit unter scharfer Beobachtung stehen.

Abgelehnt hat die Polizei für die angemeldete Demonstration den 68-jährigen Physiker Fritz Storim als Versammlungsleiter, weil der Dozent der Uni Bremen, Atomkraftgegner der ersten Stunde und Mitglied bei Attac, ebenfalls Ziel der Razzien gewesen war. Er wurde beschuldigt, an Brandanschlägen der vergangenen Jahre beteiligt gewesen zu sein. Seine Wohnräume wurden ebenso durchsucht, wie Räumlichkeiten an der Universität durchsucht. Der AStA Bremen [extern] schreibt in einem Solidaritätsaufruf:

Laut Durchsuchungsbeschlüssen sollten an der Uni Bremen Vergleichskopien an den Storim zur Verfügung stehenden Kopierern angefertigt werden, sowie sein Uni-Büro durchsucht und sein Dienstcomputer beschlagnahmt werden. Da Storim an der Uni jedoch kein Büro und kein Computer zur Verfügung stehen, konnten die Polizeibeamten lediglich Kopiergeräte untersuchen. Außerdem wurde sein privates Email-Konto im Uni-Rechenzentrum eingesehen.

Mitgenommen hat die Polizei allerdings Listen vom Studenten, die Storims Veranstaltung "Neue Technologien, Menschenbild und Ethik vor dem Hintergrund der Liberalisierungs- und Globalisierungsoffensive" an der Uni Bremen besucht haben, in der Privatwohnung beschlagnahmt, wie die Taz [extern] berichtet. Es könnte sich um 16 Teilnehmerlisten von vergangenen Seminaren handeln. Der Asta-Vorsitzender Martin Seibert befürchtet, dass jetzt alle Seminarteilnehmer in Verdacht geraten. Ihre Namen könnten damit in den Kontext von Ermittlungen nach §129a gegen den Terrorismus rücken. Der Asta [extern] warnt die Studenten, dass "die gewonnenen Erkenntnisse sowie die Verbindung zu einem aus Sicht der Bundesanwaltschaft potenziellen Terroristen in den entsprechenden Datenbanken gespeichert werden".

[http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25367/1.html]