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2007-05-18

Polizei macht "Hausbesuche" bei G8-Gegnern

Berlin/Hannover (dpa) - In Niedersachsen stattet die Polizei gewalttätigen Globalisierungsgegnern vor dem G8-Gipfel Hausbesuche ab. Sie würden vor einer Reise nach Heiligendamm gewarnt, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums. «Den Leuten wird signalisiert, dass wir sie im Visier haben.»

Innenstaatssekretär August Hanning sagte in der ARD, man wisse von Aktionen, die zumindest gefährdenden Charakter haben, auch wenn der überwiegende Teil der Demonstrationen friedlich verlaufen werde. Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm rechnet ebenfalls mit Stör- und Blockadeaktionen. Laut ZDF-Politbarometer meinen 38 Prozent der Bundesbürger, dass für den G8-Gipfel zu viele Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. 48 Prozent halten sie für genau richtig.

Trotz eines Demonstrationsverbots sind nach den Worten von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Protestaktionen während des G8-Gipfels Anfang Juni in Heiligendamm jedoch möglich. «Es gibt überhaupt nicht die geringste Besorgnis, dass Demonstrationen nicht auch abgehalten werden können», sagte Merkel am Freitag bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Samara. Friedliche Demonstrationen «sind bei uns möglich». Die Organisatoren eines geplanten Sternmarsches zum Tagungsort Heiligendamm kündigten unterdessen Klage gegen das weiträumige Demonstrationsverbot an. Eine Alternativ- Demonstration in Rostock wurde genehmigt.

Die globalisierungskritische Organisation Attac sprach von einer Unterhöhlung der Demonstrationsfreiheit. Der abgeschirmte Gipfel der sieben führenden Industriestaaten und Russlands (G8) treibe in Richtung «russische Verhältnisse», sagte Attac-Vertreter Peter Wahl unter Anspielung auf das harte Vorgehen der russischen Polizei gegen Demonstranten. Attac wolle friedlich demonstrieren, versicherte Wahl. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte in Berlin, die Entscheidungen zu Heiligendamm würden in Mecklenburg-Vorpommern getroffen. «Die Bundesregierung hat darauf keinen Einfluss genommen.» Die Regierung habe hohen Respekt vor dem Engagement und dem Idealismus der vielen jungen Menschen.

Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, künftiges Mitglied von Attac, warnte vor zu weitgehenden Einschränkungen. «Wenn die Polizeiführung das Demonstrationsrecht so einschränkt, dass die Adressaten der Demonstration davon gar nichts mehr mitbekommen, dann wird das Demonstrationsrecht natürlich ad absurdum geführt», sagte er der Hörfunkagentur dpa/Rufa. Die Kritik müsse auch vernehmbar sein. Geißler sagte er, wolle mit seiner Attac-Mitgliedschaft das Recht auf gewaltfreie Demonstration unterstützen.

Nach dem Verbot sind wegen einer «andauernden Bedrohungssituation» vom 30. Mai bis 8. Juni in einer 200-Meter-Zone vor dem Sicherheitszaun um das Ostseebad alle Versammlungen und Aufzüge verboten. In einem fünf bis zehn Kilometer breiten Gürtel um den Ort sind in dieser Zeit unangemeldete Proteste verboten. Vom 5. Juni an sind auch in dieser Zone keine öffentlichen Versammlungen mehr erlaubt.

Der vom Organisationsbündnis für einen Sternmarsch beauftragte Hamburger Anwalt Carsten Gericke kündigte einen Eilantrag beim Schweriner Verwaltungsgericht an. Es gebe keine Anhaltspunkte für Gefahren, die vom Sternmarsch am 7. Juni unter dem Motto «Den Protest nach Heiligendamm tragen» ausgingen. Die Voraussetzung für ein allgemeines Demonstrationsverbot, ein polizeilicher Notstand, sei für ihn angesichts von rund 16 000 Polizisten, die das Treffen schützen sollten, nicht nachzuvollziehen, sagte Gericke der Deutschen Presse- Agentur dpa. Notfalls wollen die Organisatoren bis zum Bundesverfassungsgericht gehen.

Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) räumt Klagen gute Chancen ein. Das «Brokdorf-Urteil» des Bundesverfassungsgerichts von 1985 besage, dass das Demonstrationsrecht auch dann stark bleibe, wenn mit Ausschreitungen zu rechnen sei, sagte er in der ARD.