Die Berliner Polizei hat Berichte zurückgewiesen, wonach Beamte bei einer Demonstration am Freitag im Bezirk Mitte ohne Vorwarnung auf Teilnehmer eingeprügelt hätten.
Berlin – “Die Teilnehmer haben eigenmächtig ihre Route geändert und dagegen sind wir eingeschritten”, sagte ein Polizeisprecher. Die Veranstalter der G8-Protestaktion unter dem Titel “Sportlicher Parcours” vom Pariser Platz zur Dorotheenstraße hatten zuvor erklärt, Beamte hätten auf Demonstranten eingeprügelt und die Technik eines Lautsprecherwagens vorsätzlich beschädigt. Insgesamt seien zehn Demonstranten leicht verletzt worden.
Nach Angaben des Polizeisprechers waren die Demonstranten “wissentlich” von ihrer genehmigten Wegstrecke abgewichen. Dazu sei auch aus dem Lautsprecherwagen aufgerufen worden. Die Beamten seien dagegen vorgegangen, dabei sei auch der Einsatzleiter tätlich angegriffen worden. Weil aus dem Wagen zum Abweichen von der Route aufgerufen wurde, hätten Beamte das Mikrofon “nicht sachgerecht” von der Lautsprecheranlage getrennt, räumte der Sprecher ein. Insgesamt nahm die Polizei vier Teilnehmer der Demonstration fest. Ihnen wurde unter anderem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen.
[http://www.tagesspiegel.de/berlin/nachrichten/100975.asp]Berlin: Parcours Global – Fit für den Gipfel
27.4.2007 + Parcours Global in Berlin-Mitte + 200 AktivistInnen machen sich inhaltlich und motorisch fit für den Gipfel + Symbolische Aktionen zum G8 Gipfel in Heiligendamm, zu Krieg, Rassismus, Kolonialismus, Biopiraterie und internationaler Solidarität mit Gewerkschafts-AktivistInnen in Kolumbien + Bullen wollen Eier, kriegen aber nur Möhren + (deshalb?) Eskalation vor Dussmann i.d. Friedrichstraße – Lauti samt Besatzung von Bullen entführt +
Am Freitag gegen 18 Uhr fand sich ein bunt bis sportlich verkleideter Haufen am Pariser Platz ein, vorm Adlon-Kempinski-Hotel. Der großartige „Parcours Global: Kombinationsgymnastik gegen G8“ stand auf dem Programm, das Happening, auf das wirü alle schon seit Wochen und Monaten hingefiebert hatten. Das Wetter war mit Blick auf ein solches Ereignis angemessen – ca. 29°C im Schatten.
Die freundliche Wettkampfleitung begann nach einer kurzen Begrüssung, die AktivistInnen in vier Teams aufzuteilen – Team Genua, Team Seattle, Team Prag und Team Heiligendamm. Alle Teams erhielten schicke Stirnbänder, es folgte eine kurze Aufwärmübung – und los ging’s.
Station 1 – das Kempinski-Hotel am Pariser Platz
Ziel war es, die Beherbergung der acht Staats- und Regierungschefs durch die Kempinski-Kette mindestens zu kommentieren. Alle Teams sollten sich also als Buchstabenballet formieren, sprich aus einem bereitgestellten Alphabet im A2 Format möglichst aussagekräftige Parolen bilden. Heraus kamen Wortungeheuer wie „G8ISTOBERWÜRG“ oder „G8VERSENK N“, aber auch lustige Reime: „WEHATEG8“. Zeit, Kreativität und die Zahl der verwendeten Buchstaben wurden von der Wettkampfleitung nach bisher unbekannten Kriterien bewertet.
Dann ging’s weiter durch Berlin-Mitte. Mit Turnschuh, Rollerblades und vielen Fahrrädern starteten wir in Richtung Friedrichstrasse. Die ersten Reihen gaben ein ordentliches Tempo vor, da kann sich so manche Latschdemo ’ne Scheibe von abschneiden. Ein besonderer Spaß war nebenbei das Herausdrängen der Fahrrad-Bullen aus unserer Demo – Leute mit so lächerlichen Helmen und grünen Fahrrädern wollen wir nämlich nicht.
Station 2 – Friedrichstraße, Ecke Möhrenstraße – Coke kills
Der CocaCola-Konzern hat hier seine Berlin-Residenz, relativ unscheinbar und leicht zu übersehen. Ziel dieser Station war es, dies zu ändern und speziell auf die Situation von GewerkschaftsaktivistInnen in Kolumbien aufmerksam zu machen. In den letzten Jahren hat es in Kolumbien mindestens acht Morde an Gewerkschaftsvertretern gegeben, zuletzt 2002. Beschäftigte der Coke-Abfüllanlagen, die sich für ihre Rechte einsetzen, werden bis heute mit Drohungen, auch gegen ihre Familien, terrorisiert, viele GewerkschafterInnen mussten fliehen.
Vor der Cola-Residenz wurde also die Straße etwas verschönert, die Konzern-Politik in dieser Hinsicht kritisiert. Die vier Teams mussten jeweils mit dem Buch „No Logo“ von Naomi Klein einige Coke-Flaschen umkegeln – für was Bücher alles gut sind… Im Anschluss musste eine Coke-Werbefläche zertrümmert und umgestaltet werden. Besonders das gelbe Team glänzte bei dieser Aufgabe.
Station 3 – Möhrenstraße
Hier sollte noch einmal der Forderung von linken „GemüselieferantInnen“ aus dem Jahr 2003 Nachdruck verliehen werden, der Mohrenstraße einen angemessenen und nicht die deutsche Kolonialgeschichte verherrlichenden Namen zu geben. (Einen Bericht der Aktion von 2003 findet ihr hier: GemüsehändlerInnen gegen Kolonialismus ). Aus diesem Grund wurden die Strassenschilder mit Möhren geschmückt. Aus dem O wurde außerdem ein Ö – das sieht so wirklich besser aus.
Station 4 – Rheinmetall
Rheinmetall ist einer der führenden deutschen Rüstungskonzerne. Er stellt so ziemlich jedes Mordwerkzeug her. Nach 9/11 hat Rheinmetall zudem ein weiteres, lukratives Geschäftsfeld entdeckt: Public security. Zur Unterbindung von Migration baut Rheinmetall Sensoren, luftgestützte Überwachungssysteme, und Kontrolleinrichtungen für Grenzübergänge.
Ziel dieser Aktion war, um die Rheinmetall Residenz einen Gürtel aus „Berliner Tretmienen“ zu legen – Hundescheiße für den Scheißkonzern. Leider wurde die in den letzten Tagen eifrig gesammelte Scheiße in irgendeiner WG vergessen. Aber wie heisst es so schön: Heute ist nicht alle Tage…
Station 5 – das Bundesministerium für Justiz
Hier wurden die vier Team aufgeteilt, um den gerne übersehenen Konflikt um Patente und geistiges „Eigentum“ zu verdeutlichen– zwei Teams hatte die wenig ruhmreiche Aufgabe, die Kapitalseite zu spielen. Sie waren ausgestattet mit Ballons, welches mehr schlecht als recht „unser Wissen“ darstellen sollten, mit welchem sich das Kapital davonmachen will. Die anderen zwei Teams verblidlichten den globalen Widerstand gegen diese Schweierei, sie sollten das Kapital umzingeln – was eigentlich ganz gut gelang. Wobei: „unser Wissen“ zerplatzte vor allem, an dieser Stelle muß die Widerstands-Praxis also noch nacharbeiten.
Kritik fand an dieser Station also die Privatisierung des Wissens. Der Bereich geistiger Eigentumsrechte wird immer stärker ausgeweitet. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren Patente auf Pflanzen undenkbar, heute sind sie schon fast Alltag. Für Bäuerinnen und Bauern war es früher völlig normal, Teile ihrer Ernte wieder auszusäen. Heute müssen sie dafür Gebühren bezahlen. Große Konzerne aus dem Agrar- und Pharmabereich, aus der Software- und Unterhaltungsbranche dagegen profitieren. Sie haben Geld und das technische und rechtliche Wissen, um Patente zu beantragen und durchzusetzen. Diese Konzerne kämpfen für die Ausweitung geistiger Eigentumsrechte und werden dabei von Regierungen tatkräftig unterstützt. Geistige Eigentumsrechte machen Natur und Mensch,Wissen und Kunst zur Ware. Hingewiesen wurde an dieser Station auch auf den „Aktionstag globale Landwirtschaft“ am 3. Juni in und um Rostock.
Kurzer Halt
Kurz vor dem Endspurt wurde die Demo aufgehalten. Die Bullen behaupteten, dass neben den schon genutzten Möhren auch Eier verteilt worden seien. Es folgte ein von Seiten der Bullen sehr verwirrtes hin und her und zwei bis drei eher absurde Durchsagen („Bitte geben sie die Eier bei der Versammlungsleitung ab.“). Am tollsten: Haufenweise Anti-Konflikt-Teams schwärmten aus, um alle AktivistInnen einzeln zu fragen, ob sie denn Eier dabei hätten. Irgendwann war es den Bullen offensichtlich peinlich und der Endspurt konnte starten.
Station 6 – Dussmann als Profiteur rassistischer Ausgrenzungspolitik
Die Station 6 hatte den Bullen anscheinend am meisten Angst eingeflösst. Ziel war eine Kundgebung vor dem Dussmann-Kulturkaufhaus gewesen. Diese war in den Demo-Auflagen mit der Begründung verboten worden, Dussmann sei „ein wichtiger Unternehmer“ und seine Geschäfte dürften nicht gestört werden. Noch während der Demo, in Folge der Diskussion um die mitgeführten Eier, wurde von der Einsatzleitung zudem die Demo-Route spontan geändert, so dass wir noch nicht einaml mehr am Haupteingang der Dussmann-Filiale vorbeiziehen konnten, sondern über die für eine sportliche Demo völlig ungeeignete Charlottenstraße hinter der Filiale langjoggen bzw- -fahren mußten.
Ziel dieser Station war es, den Filialleiter, am besten natürlich Peter Dussmann selbst, zum Verzehr von Toastbrot mit Bierwurst und Schmelzkäse zu bewegen. Alle Team erhielten also ein Tablett mit eben diesem Essen. Hintergrund ist folgender: Dussmann bereichert sich an rassistischer Ausgrenzungpolitik, indem er das „Ausreisezentrum“ Motardstraße mit „Essen“ versorgt. Pro Essen erhält Dussman von der Stadt Berlin 7 €, der Wert des Verpflegungspaketes, das einen Menschen einen Tag lang ernähren soll, dürfte um ein paar Euros darunter liegen. Das Essen wird von den BewohnerInnen der Motardstraße als ekelhaft beschrieben.
Eskalation der Berliner Bullen
Zu der Übergabe der Tabletts kam es aber nicht mehr. Wie gesagt hatte die Berliner Polizei extrem viel Angst um den „wichtigen Unternehmer“ Peter Dussmann. Als die Demo also in die Friedrichstraße einbog, um – natürlich direkt vor der Filiale – der Kritik an Dussmann und rassistischer Ausgrenzung Verhör zu verschaffen, wurde sie von den Bullen gestoppt. Als Begründung wurde genannt, dass die Auflagen zur Demo sagen würden, die Kundgebung müsse 30 Meter weiter Richtung S-Bahnhof, also auf keinen Fall vor Dussmann selbst stattfinden.
Dann ging alles recht schnell. Die Bullen drängten ohne Vorwarnung oder Durchsage die ersten Reihen recht brutal zurück. Gleichzeitig schubsten sie den Lauti-Schutz zur Seite und nahmen, die vier Leute fest, die sich im Lauti befanden. Der Lauti selbst wurde beschlagnahmt. Die Demo wurde 30 Meter Richtung S-Bahnhof gedrängt. Dort durfte dann, ohne Lauti und ohne unsere vier Freunde und Freundinnen, die Abschlusskundgebung stattfinden. (Der Lauti und die vier kamen nach knapp zwei Stunden wieder frei. Ob der Lauti beschädigt wurde ist uns momentan nicht bekannt. Die vier mussten Personalien abgeben und wurden fotografiert – natürlich mit Perücke.)
Fazit, Teil 1
Die Eskalation der Bullen am Ende ist ein Skandal. Das sie, zudem symbolische (mensch könnte auch sagen spielerische) Kritik am Dussmann-Konzern mit dieser dreisten Eskalation verhindert, ist bezeichnend. Zudem ist es wohl auch ein Versuch, kurz vor dem ersten Mai und kurz vor den Aktionswochen in Rostock und Heligendamm potentiell unkontrollierbaren Protest und Widerstand durch ihre billigen Einschüchterungsversuche zu be- oder verhindern. (Was nicht funktionieren wird.)
Fazit, Teil 2
Der Parcours Global war eine gelungene Mitmach-Demo und wie wir finden eine großartige Abwechslung zu ansonsten leider oft berechenbaren und passiv-konsumierten Demos und Aktionen. Das ist für eine linke Berliner schon was besonderes. Mitmachen und eine Demo selbst mitgestalten ist hier ja meist nicht angesagt. (Eine Demo distanziert kommentieren dagegen schon.) Die Stimmung war ausgesprochen gut, der Zeitpunkt war goldrichtig, um neben der ganzen anstrengenden G8-Vorbereitung auch mal was zu wuppen – auf der Strasse. Unser Fazit also: Spass kann auch Widerstand machen – mehr davon!
Wie weiter?
Am 9. Mai gibt es eine große Berliner G8-Protest-Vollversammlung. Der Ort ist noch unklar, achtet auf Ankündigungen!!! Der Parcours Global fand im Rahmen der „fit für den gipfel“-Reihe staat. In den nächsten Wochen gibt es noch weitere Aktionen – checkt Fit für den Gipfel: http://gipfel.blogsport.de
[http://de.indymedia.org/2007/04/174130.shtml]