Im Frühsommer 2007 häuften sich die Erfolgsmeldungen aus dem Hause von Generalbundesanwältin Monika Harms. Im Mai ließ ihre Behörde in sechs Bundesländern bekannte Linken-Treffpunkte filzen und stellte 18 Personen, darunter mehrere autonome Rentner, unter Terrorverdacht. Der Vorwurf: Sie alle seien Teil einer "militanten Kampagne" gegen den G8-Gipfel. Mitte Juni gesellten sich nach Razzien in Hamburg und Bad Oldesloe elf Verdächtige dazu. Ende Juli dann der größte Coup: Nach sechs frustrierenden Jahren verhafteten die Ermittler erstmals vermeintliche Mitglieder der vermeintlich linksextremistischen "militanten gruppe" (mg).
Ihnen allen glaubt die Bundesanwaltschaft die Bildung einer terroristischen Vereinigung nach Paragraf 129a nachweisen zu können. Dafür blieb zuletzt nichts unversucht: Verdächtige wurden auf Schritt und Tritt überwacht; die Ermittler fingen Post an Zeitungen ab und belauschten auch die Telefongespräche von Journalisten. Sogar Stasi-Akten wurden nach belastenden Indizien durchstöbert. So entstand der Eindruck, als seien Harms' Häscher einer großen terroristischen Verschwörung auf der Spur. Gut möglich, dass davon nun wenig übrig bleiben wird.
Vermutlich noch in dieser Woche will sich der Bundesgerichtshof (BGH) in Sachen Linksterror äußern. Und was von dort schon jetzt nach außen drang, lässt die Bundesanwaltschaft wohl nichts Gutes ahnen.
Es bestünden, so der BGH, "erhebliche Zweifel" daran, dass die im Vorfeld des G8-Gipfels Beschuldigten einer terroristischen Vereinigung zuzurechnen seien. Ähnliches gelte für die "militante gruppe". Offenbar glaubt der BGH in beiden Fällen allenfalls an eine kriminelle Vereinigung. Der Unterschied ist immens, nicht nur, was das Strafmaß betrifft. Auch die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft stünde dann infrage. Die antwortete denn auch prompt. Ob sie die Richter umstimmen kann, ist fraglich.
Nach FR-Informationen wandte sich Harms' Behörde am 31. Oktober in einem neunseitigen Schreiben an den BGH. Darin versuchen die Ermittler wortreich darzulegen, dass und wie die mindestens vier verschiedenen Verfahren gegen die "militante gruppe" miteinander zusammenhängen und dass man hier sehr wohl von Terror reden könne. Das Problem: Es gibt kaum konkrete Beweise. Sieht man einmal davon ab, dass die "mg" in Bekennerschreiben zu rund zwei Dutzend Brandanschlägen einen kommunistischen Umsturz propagiert und - wie die Ermittler akribisch herausgefunden haben - dabei ein "einheitliches Layout" verwendet.
Der große Rest bleibt überwiegend Mutmaßung. So etwa die Behauptung, die "mg"-Mitglieder verhielten sich "hoch konspirativ" - Beweis: ein E-Mail-Account wurde unter Angabe einer fiktiven Adresse eingerichtet. Als sicheres Indiz wertet die Bundesanwaltschaft zudem, dass bei einer Razzia in der Wohnung des beschuldigten Wissenschaftlers Andrej Holm eine Ausgabe der Zeitschrift mit dem Namen radikal gefunden wurde - aufgeschlagen just an der Stelle, wo es um Bombenbau geht. Zwar räumt die Behörde ein, dass Einzelheiten über das Wie, Wer und Wann noch "durch die weiteren Ermittlungen gewonnen werden müssen". Die aber müssten - trotz der dünnen Beweislage - um jeden Preis weitergeführt werden. Andernfalls, so der fast schon verzweifelte Appell, sei der Terror-Paragraf 129a auch in anderen Fällen "kaum mehr anwendbar".
Genau darin, da ist sich der Beschuldigten-Anwalt Sven Lindemann sicher, bestehe der eigentliche Zweck dieses Instruments: "Der 129a ist ein Ausforschungs- und Ermittlungsparagraf", sagte Lindemann der FR. Er erlaube den Ermittlern alles, und wenn ein Gericht dem Treiben Monate oder gar Jahre später einen Riegel vorschiebe, verfügten die Behörden längst über einen "ungeheuren Pool an Informationen". Dabei gehe es aktuell um "uralte Beißreflexe gegen radikale Linke, denen man sowieso alles zutraut". Er glaube nicht, so Lindemann, dass Ermittler in einem Wirtschaftsverfahren mit ähnlich großen Freiheiten ausgestattet worden wären.
Wieder einmal sei "mit wilden Konstrukten" ein 129a-Verfahren geführt worden, das nun kurz davor stehe zu kollabieren, sagt auch Anwältin Christina Clemm. So gesehen habe die wochenlange Inhaftierung ihres Mandanten Andrej Holm wenigstens ein Gutes gehabt: "Die Öffentlichkeit schaut jetzt zum ersten Mal genauer hin."
Source: www.fr-online.de