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2008-02-18

Der Staat – und die justiziable Regulierung der Ordnung

Das Jahr 2007….

… stand im Zeichen einer Kriminalisierungswelle
gegen die Linke.

Am 9. Mai führte auf Weisung der BAW ein Großaufgebot
von Bullen des BKA mit Unterstützung der
zuständigen LKAs bundesweit Durchsuchungen von
über 40 Wohnungen und Projekten durch und begründete
dies mit dem Vorwurf „der Bildung einer
terroristischen Vereinigung zur Verhinderung des
G8-Gipfels“ nach §129a – betroffen waren davon 18
Personen – sowie „Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung“ (Militante Gruppe) – betroffen
waren davon 3 Personen.

Den Durchsuchungen waren jahrelange Telefonüberwachungen
in Dutzenden von Fällen vorausgegangen.

Mit den Beschuldigten in Verbindung gebrachte
Treffen wurden abgehört, Fahrzeuge observiert.
Die besondere Bedeutung des Verfahrens begründete
die BAW im Durchsuchungsbeschluss damit:

„…sie stehen in Verdacht, eine terroristische Vereinigung
gegründet zu haben…deren Ziel es insbesondere
ist, mit Brandanschlägen und anderen
gewalttätigen Aktionen den bevorstehenden Weltwirtschaftsgipfel
(G8) im Frühsommer 2007 in Heiligendamm
erheblich zu stören oder zu verhindern.
Diese Straftaten sind dazu bestimmt, die in der
Bundesrepublik Deutschland bestehende Gesellschafts-
und Wirtschaftsordnung zu erschüttern und
können insbesondere die internationale Position der
Bundesrepublik Deutschland als verlässlicher Partner
im Verbund der acht wichtigsten Wirtschaftsnationen
erheblich schädigen“.

Das Kalkül, über die Kriminalisierung von AktivistInnen
und Zusammenhängen die Bewegung gegen
den G8-Gipfel zu spalten, ging nicht auf: Am Abend
des 9.Mai versammelten sich bundesweit über
10.000 Menschen aus verschiedenen Spektren zu
Spontandemonstrationen, davon alleine 5000 in
Berlin und rund 3000 in Hamburg, um unter der
Parole „Wir sind alle §129a“ den Angriff zurückzuweisen..

Statt zu einer Spaltung hat die Repression
vielmehr zu einer starken Mobilisierung für den
Widerstand – nicht nur in der BRD – beigetragen
und unterschiedliche Lager zusammengeführt.
Diese Ermittlungen gegen GlobalisierungsgegnerInnen
im Vorfeld des G8-Gipfels wurden 8 Monate
später vom BGH als rechtswidrig eingestuft. Am
4.Januar 2008 erklärte der 3.Strafsenat des BGH,
dass es keinen „Terrorverdacht“ gäbe, insofern
habe die Bundesanwaltschaft sich zu Unrecht zuständig
gefühlt.

Am 13. Juni 2007, unmittelbar nach dem G8-Gipfel
von Heiligendamm, kam es auf Weisung der BAW
zu einer weiteren Reihe von Hausdurchsuchungen
gegen neun Personen in Hamburg und Bad Oldesloe.
Ziel der Razzien wurde auch das alternative
Jugendzentrum „INIHAUS“ in Bad Oldesloe. Am 19.
Juni folgten drei weitere Durchsuchungen gegen
zwei Beschuldigte in Berlin.

In einem neuen §129a–Verfahren wurde den elf von
den Hausdurchsuchungen Betroffenen die Beteiligung
an vier Brandanschlägen gegen Objekte der
Bundeswehr und gegen eine an Rüstungsprojekten
beteiligte Firma vorgeworfen. Ein Teil der ihnen zur
Last gelegten Aktionen tauchte bereits in den Ermittlungsakten
gegen die Beschuldigten des §129a-
Verfahrens vom 9. Mai auf; ein Umstand, der einmal
mehr dafür spricht, dass es bei den neu eingeleiteten
Verfahren nach §129a in erster Linie um Einschüchterung
und Verunsicherung der radikalen
Linken geht.

Auch bei diesem §129a-Verfahren begründete die
BAW ihren „Anfangsverdacht“ mit an den Haaren
herbeigezogenen Indizien, um den Beschuldigten
eine Tatbeteiligung vorzuwerfen, die im Wesentlichen
in der Unterstellung angeblich konspirativen
Verhaltens am Telefon – gekennzeichnet durch
Nichterwähnen von ‚Straftaten’ – sowie z.T. in der
Beteiligung an antifaschistischer Arbeit als vermeintlicher
Tarnung für anderweitige Betätigungen (!)
bestehen. Inzwischen hat die Bundesanwaltschaft
das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der
„Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“
gemäß § 129a StGB gegen elf Personen aus Norddeutschland
und Berlin fallengelassen und abgegeben.
Ihren vorläufig letzen Angriff auf linke Strukturen
nach §129a startete die BAW am 31. Juli 2007. In
der Nacht wurden drei Personen in Brandenburg
von einem Sondereinsatzkommando verhaftet.
Ihnen wird zur Last gelegt, auf dem Firmengelände
von MAN drei Brandsätze an Bundeswehr LKWs
angebracht zu haben. Am Morgen danach wurden
die Wohnungen und Arbeitsplätze von vier weiteren
Personen in Berlin und Leipzig durchsucht. In diesem
Kontext wurde auch der Sozialwissenschaftler
der Humboldtuniversität Andrej H. verhaftet. Der
gegen die insgesamt sieben Personen erhobene
Vorwurf lautet auf „Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung“ mit der Bezeichnung „Militante
Gruppe“ (MG).

Die MG ist dem Repressionsapparat schon seit
langem ein Dorn im Auge, nicht nur wegen verschiedener
militanter Aktionen, sondern auch wegen
ihrer offensiven Öffentlichkeitsarbeit und die
von ihr angestoßenen Diskussionen über Perspektiven
von Widerstand und Militanz.

Andrej H. wurde vom Ermittlungsrichter des BGH
nach Zahlung einer Kaution und dem Erlass von
Auflagen am 28. August 2007 aus der Haft entlassen.
Der Haftbefehl gegen ihn wurde am 18. Oktober
aufgehoben. Der gegen Florian, Oliver und Axel bestehende Haftbefehl wurde am 28. November
2007 vom BGH unter strengen Auflagen außer
Vollzug gesetzt, da die Richter zum Schluss kamen,
dass die „mg“ nicht als „terroristische“, sondern als
„kriminelle Vereinigung“ nach §129 zu behandeln
sei, da ihre Aktionen nicht darauf angelegt seien,
„die Bundesrepublik Deutschland erheblich zu
schädigen“.

Für mehr Information siehe auch die Webseite:
http://einstellung.so36.net

http://einstellung.so36.net/files/antimilitaristische_broschuere.pdf

Source: einstellung.so36.net