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2011-07-21

Bisschen Kiezrabatz

von Jesse-Björn Buckler

Es kommt selten vor, doch manchmal freue ich mich über meine eigenen Irrtümer. So lag ich mit meiner pessimistischen Einschätzung der »Carlo Giuliani-Gedenkdemo« völlig falsch. Die Demons­tration sollte am Samstag in Berlin-Kreuzberg bei Einbruch der Dunkelheit beginnen und ganz bewusst ohne Einwilligung der Polizei stattfinden. Eine sympathische Idee, aber ohne Aussicht auf Erfolg, dachte ich. In der Vergangenheit endete autonomer Verbalradikalismus mit einer Ladung Pfefferspray und anschließender Verbringung in die Gefangenensammelstelle der Polizei. Auch die Berliner Polizei nahm die Sache offenbar nicht allzu ernst und verkündete großmütig am Treffpunkt, dass sich jetzt bitte mal ein Anmelder vorstellen solle. Statt eines einzelnen Verantwortlichen tauchte plötzlich ein vermummter schwarzer Block auf.

»Als sich Einsatzkräfte der Polizei der unfriedlichen Menge näherten, um eine Begleitung der bewusst ohne Versammlungsanmeldung laufenden Personen zu gewährleisten, wurden sie massiv mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern attackiert«, war später in der Pressemitteilung der Polizei zu lesen. Vermutlich von der eigenen Entschlossenheit überrascht, löste sich die Demonstration dann nach nur fünf Minuten etwas voreilig auf. Es folgten kleinere Scharmützel im Kiez. Neben dem Klassiker, den ordinären Kreuzberger Kleinpflastersteinen, wurden auch zwei Molotow-Cocktails in Richtung von Polizeitrupps geworfen. Das bisschen Kiezrabatz und die fünf Minuten unbeaufsichtigtes Demonstrieren verleiten nun einige Autonome zur wilden Selbstüberschätzung. Eine an der Demonstration beteiligte anonyme Gruppe zieht das völlig realitätsferne Fazit: »Wir haben der Staatsgewalt die unsere entgegenzusetzen.« Auch zehn Jahre nach den Todesschüssen von Genua haben manche Bewegungslinke noch nicht verstanden, dass die frontale Konfrontation mit der Staatsgewalt ein hoffnungsloses Unterfangen ist und fatal endet, sobald man als Gegner ernstgenommen wird.

Source: http://jungle-world.com/artikel/2011/29/43638.html