Straßburg — Im Prozess um den Tod eines Demonstranten beim G-8-Gipfel von Genua hat die italienische Regierung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte das Vorgehen der Polizei gerechtfertigt. Rund 70 gewalttätige Demonstranten hätten sich "wie eine Meute Wölfe" auf einen Geländewagen der Polizei gestürzt, sagte der Rechtsvertreter Italiens, Nicola Lettieri, vor dem Straßburger Gericht.
Bei den Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften am Rande des G-8-Gipfels vom Juli 2001 war der damals 23 Jahre alte Carlo Giuliani von einem jungen Polizisten angeschossen und anschließend von einem Geländewagen der Polizei überfahren worden. "Die Polizisten haben in legitimer Notwehr gehandelt", betonte Lettieri. Die gewalttätigen Demonstranten hätten mit ihrer "Guerilla"-Aktion nicht nur die Polizei angegriffen, sondern auch die Bürger Genuas. Dafür dürfe der italienische Staat nicht zum "Sündenbock" gemacht werden.
Carlo Giuliani habe an dieser "Guerilla" teilgenommen, sagte der Vertreter der Berlusconi-Regierung weiter. Er habe andere in Gefahr gebracht und damit auch sich selbst. Er dürfe nun nicht auf den "Sockel des Märtyrers" gehoben werden. Lettieri zufolge nahmen an den Demonstrationen rund 100.000 Gipfel-Gegner teil. Etwas Zehntausend von ihnen seien gewalttätig gewesen.
Die Eltern und die Schwester des getöteten Demonstranten werfen Italien vor, unverhältnismäßig hart gegen die Demonstranten vorgegangen zu sein. Die Polizisten seien nicht mit Gummigeschossen sondern mit scharfer Munition ausgerüstet gewesen, sagte der Anwalt der Hinterbliebenen, Nicolo Paoletti. Der nur 20 Jahre alte Polizist, der den tödlichen Schuss abgefeuert hatte, sei zudem völlig unerfahren gewesen. Er habe nur ein dreimonatiges Training erhalten, was für den Einsatz bei den Demonstrationen völlig unzureichend gewesen sei.
Die Beschwerdeführer werfen den Behörden des damaligen und heutigen Regierungschefs Silvio Berlusconi außerdem vor, keine wirksamen Ermittlungen gegen den fraglichen Polizisten vorgenommen zu haben. Der Fall sei nie vor Gericht gebracht, sondern einfach zu den Akten gelegt worden. "Wir sollten uns schämen für das, was passiert ist", sagte Paoletti vor den 17 Richtern der Großen Kammer des Gerichtshofs. Ds Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.
Source: http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5jl6fmhdIxt-KJQZnRmz-4cuZDAGA?docId=CNG.eef2c128e9c7c9eb2c7c85db31f072ef.4a1