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2003-01-17

DISOBBEDIENTI - Ein Video von Oliver Ressler, in Kooperation mit Dario Azzellini

Video, 54 Min., 2002.

Das Video “Disobbedienti” thematisiert die Entstehungsgeschichte, die
politischen Grundlagen und die Aktionsformen der Bewegung der Disobbedienti
(die Ungehorsamen) anhand von Gesprächen mit sieben Beteiligten.

Die Disobbedienti gingen während der Demonstrationen gegen den G8-Gipfel im
Juli 2001 in Genua aus den Tute Bianche hervor. “Tute Bianche” war die
Bezeichnung für jene weiß gekleideten AktivistInnen aus Italien, die ihre
durch Schaumstoff, Reifen, Helme, Gasmasken und selbst gemachte Schilde
geschützten Körper bei direkten Aktionen und Demonstrationen als Waffe des
zivilen Ungehorsams einsetzten. 1994 traten die Tute Bianche erstmals in
Italien in einem gesellschaftlichen Umfeld in Erscheinung, in dem der in den
70er Jahren in der Produktion und in Arbeitskämpfen eine zentrale Rolle
spielende “Massenarbeiter” schrittweise durch prekäre postfordistische
Beschäftigungsformen abgelöst worden war. Die Tute Bianche beteiligten sich
an Protesten gegen prekarisierte Arbeitsbedingungen und am Kampf der
MigrantInnen für Bewegungsfreiheit, indem sie mit der speziell entwickelten
Aktionsform der Demontage die Schließung von Abschiebelagern erzwangen. Die
Tute Bianche waren Teil der Demonstrationen gegen die WTO in Seattle 1999
und den IWF in Prag 2000, entsandten Delegationen in den Lakandonischen
Regenwald in Chiapas und begleiteten die zapatistischen Comandantes 3000
Kilometer weit nach Mexiko-Stadt.
Beim G8-Gipfel in Genua beschlossen die Tute Bianche, die
identitätsstiftenden und namensgebenden weißen Overalls abzulegen, um in der
Multitude der 300.000 DemoteilnehmerInnen aufzugehen. Der Übergang von den
Tute Bianche zu den Disobbedienti, den Ungehorsamen, ist auch eine
Entwicklung vom “zivilen Ungehorsam” zum “sozialen Ungehorsam”.
Durch das repressive Vorgehen und die Massaker der Polizeikräfte in Genua
wurde die Praxis des sozialen Ungehorsams von der Straße in die
verschiedensten gesellschaftlichen Bereiche hineingetragen. Der
Disobbedienti-Sprecher Luca Casarini beschreibt daher im Video die Tute
Bianche als subjektive Erfahrung und kleine Armee, die Disobbedienti
hingegen als Multitude und Bewegung.
Die Disobbedienti setzen die Politikform der Tute Bianche fort und
versuchen, eine gerechtere Legalität von unten zu schaffen. Es werden
weiterhin spektakuläre Aktionen gegen Abschiebelager durchgeführt, wie die
im Video gezeigte Demontage des Abschiebelagers in der Via Mattei in Bologna
am 25. Januar 2002. Dazu kommen Versuche, den “sozialen Ungehorsam” als
kollektive Praxis unterschiedlicher Gruppen weiterzuentwickeln, Waren- und
Kommunikationsflüsse zu blockieren, Streiks einzelner Gruppen zu
generalisieren, Generalstreiks zu planen und durchzuführen.
Die Gespräche mit den Disobbedienti wurden im Juli 2002 in Bologna und Genua
auf Italienisch geführt. Das Video “Disobbedienti” gibt es mit deutscher und
englischer Untertitelung.

Konzept, Interviewvorbereitung, Schnitt, Realisation: Oliver Ressler;
Interviews, konzeptionelle Mitarbeit, Übersetzung: Dario Azzellini; Kamera:
Claudio Ruggieri; Ton: Rainer Antesberger; GesprächspartnerInnen: Luca
Casarini, Ulia Conti, Gianmarco de Pieri, Enrico Ludovici, Federico
Martelloni, Francesco Raparelli, Francesca Ruocco.

Zu bestellen bei oliver.ressler@chello.at für 35 €.