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2001-07-30

Hausarrest in Genua - Wuppertaler in Haft

Die bsz hatte im August Opfer der Polizeiübergriffe nach den G8-Protesten in Genua eingeladen, um über die in Westeuropa kaum vorstellbaren Willkürakte von Polizei und Justiz zu berichten – von Misshandlungen, Demütigungen, von ‚Beweismitteln‘, die entweder an den Haaren herbeigezogen oder sogar untergeschoben waren.

Die Bundestagsabgeordnete Heidi Lippmann konnte an der Veranstaltung nicht teilnehmen, da sie erneut nach Italien aufbrechen mußte, doch der Ermittlungsausschuss Oberhausen und der Freund eines Wuppertaler Schülers, der noch in Italien sitzt, berichteten über ihren Einsatz für die Gefangenen. Er antwortete der bsz.

Jan, auf unserer Veranstaltung hast du über eure willkürliche Verhaftung nach den Protesten in Genua beichtet. Was wurde euch vorgeworfen? Was waren eure Erlebnisse in der Haft?

Am Montag, 23. August, wurden Björn aus Schwelm, ein Bekannter von mir aus Berlin und ich um zehn Uhr morgens von insgesamt fünf Polizisten überfallen. Sie fingen direkt an, uns zu schlagen, als wir versuchten, den Grund für die Durchsuchung zu erfahren. Sie schlugen uns ins Gesicht und traten uns mit ihren festen Schuhen in den Bauch. Nachdem wir unser Gepäck wieder eingeräumt hatten, wurden wir unter Androhung von weiteren Schlägen aufgefordert, in die Streifenwagen einzusteigen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nicht, was uns vorgeworfen wurde! Ich hielt es nach der von den Beamten erfahrenen brutalen Gewalt für möglich, dass sie uns in einer ruhigen Ecke verprügeln und zum Dienst zurückkehren. Die Fahrt endete in einer Polizeistation in Genua. Wir wurden dort 6–8 Stunden in eine Zelle eingesperrt. Faktisch während der ganzen Zeit waren wir einer latenten Gewalt von den ca. 20 Beamten auf der Wache ausgesetzt, immer wieder kamen Beamte in unsere Zelle und schlugen auf uns ein, mal zu zweit, mal zu fünft. Wir mussten uns permanent knien, mit dem Kopf an der Wand und den Händen über dem Kopf. Wir durften unseren Blick nicht von der Wand richten, wenn die anderen verprügelt wurden. Der immer noch inhaftierte Björn W. aus Schwelm verweigerte, ein auf italienisch verfasstes Dokument zu unterschreiben. Er wurde daraufhin am schlimmsten von uns verprügelt. Er war apathisch und stand unter schwerem Schock, der eine lange Zeit nicht vorüber ging.

Viktor und ich haben aus Angst vor Folter unterschrieben. Abends um ca. 8 Uhr wurden wir zur Kripo gebracht. Sie schlugen uns weiter, und lachten über uns. Als sie Fragen stellten, teilte ich ihnen mit, das ich ohne meinen Anwalt nichts mehr sagen wolle, woraufhin mir ein Polizist den Mund zutackern wollte. Im Knast wartete ich fünf Tage auf meinen Prozess. Ich wurde wegen Bankraub angeklagt und freigesprochen.

Björn wird immer noch in Genua festgehalten. Wie geht es ihm und was ist der Stand der Dinge?

Björn ist „frei“. Er befindet sich zur Zeit bei einer Freundin der Eltern, im sog. Hausarrest der in Genua vollzogen werden muss. Aus meiner Perspektive ist es eine enorme Verbesserung, da die von ihm und anderen geschilderten Konflikte mit den Schließern im Knast Marassi faktisch wegfallen. Er hat jetzt Internet, Telefon, und wahrscheinlich einen sehr viel angenehmeren Tagesablauf. Das bedeutet leider keine Verbesserung der juristischen Situation.

Wie reagiert die Öffentlichkeit auf diese unglaublichen Willkürakte?

Es gab eine Reihe von Bitten um Interviews mit den unterschiedlichsten Intentionen. Focus und Co waren auf der Black Block-Schiene, und wollten uns darauf festnageln. Haben sie nicht geschafft. Positive Beispiele waren der WDR und mit einigen Abstrichen die Westdeutsche Zeitung. Ersterer hat eine objektive Öffentlichkeit geschaffen. Der größte Teil der ‚Öffentlichkeit‘ zeigt sich betroffen und mitleidig, hat aber die Geschichte nach ein paar Tagen wieder vergessen. Zu den Politikern: Buntenbach und Co. waren in Genua und haben durch ihren Besuch die Haftbedingungen verbessert. Erst kürzlich hat sich eine weitere Delegation von Grünen- und PDS-Abgeordneten auf den Weg gemacht. Wir hatten ein öffentliches Treffen mit Herrn Volmer von den Grünen, er hat weder versprochen etwas für die Gefangenen zu tun, noch auf diplomatischem Weg zu handeln. Ebenfalls lediglich eine inhaltslose Antwort auf eine Bitte um Hilfe erhielten wir von Herr Rau von der SPD.

Spenden: Rechtshilfekonto Wuppertal
Stichwort „BJÖRN“ Kontonr. 939348
Sparkasse WUPPERTAL, BLZ 330 500 00