Deutscher Bundestag Drucksache 14/6960
14. Wahlperiode 25. 09. 2001
Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 21. September 2001 übermittelt.
Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Carsten Hübner
und der Fraktion der PDS
– Drucksache 14/6769 –
Nach dem G-8-Gipfel in Genua häufen sich die Berichte über schwerste
Polizeiübergriffe auf Globalisierungsgegner im Zusammenhang mit diesem
Gipfel. Ein Sprecher der „Bewegung für Gewaltfreiheit“ in Italien sprach im
Zusammenhang damit von „chilenischen Zuständen“.
Die italienische Regierung hat die Erschießung eines 23 Jahre alten Demonstranten
durch zwei Schüsse, einen in den Kopf und einen in die Brust, als
„berechtigte Notwehr“ eingestuft. In der Öffentlichkeit aber wird diese Erschießung
vielfach als „Mord“ eingestuft, so auf Demonstrationen in zahlreichen
italienischen Städten, an denen sich Ende Juli etwa 100 000 Menschen
beteiligt haben.
Bis heute ist nicht klar, auf welcher Rechtsgrundlage die Polizeirazzia in den
Morgenstunden des 22. Juli 2001 auf das Sozialforum und die gegenüberliegende
Schule in Genua erfolgte. Unübersehbar dagegen sind die Hinweise auf
schwerste Übergriffe im Zusammenhang mit dieser Aktion.
93 Personen sollen bei dieser Aktion verhaftet worden sein, darunter 42 Deutsche.
50 der Verhafteten wurden dabei verletzt. Teilnehmer berichten, die
Polizisten hätten „die jungen Leute im Schlaf überrascht und sofort ohne
Grund losgeprügelt. Die eingesetzten Beamten seien Mitglieder gefürchteter
Sondereinheiten gewesen, die vermummt und mit Schlagknüppeln bewaffnet
die Schule stürmten. […] Journalisten wurden nicht hineingelassen. Doch die
am Ausgang aufgenommenen Fotografien sprechen eine deutliche Sprache:
Kaum einer der Abgeführten kam ohne blutende Wunden aus dem Haus, viele
mussten auf Tragen hinaus gebracht werden. […] Auf […] Bildern sind große
Blutlachen auf dem Boden und an Heizkörpern zu erkennen. Die Inneneinrichtung
ist komplett zerstört. Augenzeugen berichten, Polizisten hätten die
jungen Leute mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen, bis die Opfer am
Boden lagen und sich nicht mehr bewegten“ (SPIEGEL ONLINE, 23. Juli
2001).
Ein junger Mann aus Stuttgart, der bei der Festnahme einen Kieferbruch erlitt,
erklärte gegenüber der Presse, die Polizisten hätten „auf alles eingeschlagen,
was sich bewegte“ (SPIEGEL ONLINE, 25. Juli 2001). Einer Frau, der die
Zähne ausgeschlagen wurden, wurde erst nach Intervention des deutschen
Konsulats ärztliche Hilfe zugebilligt (SPIEGEL ONLINE, 25. Juli 2001).
Die italienische Zeitung „La Repubblica“ berichtet, von einem angeblichen
„Widerstand gegen die Staatsgewalt“ der Opfer des Überfalls habe niemand,
auch kein Anwohner etwas bemerkt.
Der italienische Journalistenverband hat gegen die Polizeiaktion Beschwerde
eingelegt. Von Seiten der Polizei wurden nach der Aktion auf einer Pressekonferenz
als angebliche „Waffen“, die beschlagnahmt worden seien, neben zwei
Molotow-Cocktails und zwei Maurerhämmern, 25 Messer, darunter etliche
Küchenmesser, ein Stock, Taucherbrillen, Verbandszeug, Latex-Handschuhe,
Fotoapparate und Damenbinden vorgeführt (SPIEGEL ONLINE, 23. Juli
2001). Opfer des Angriffs bezeichneten die Vorlage dieser „Waffen“ als Verhöhnung,
das Schulgebäude werde gerade renoviert, dass die Polizei dann
zum Beispiel Maurerhämmer finde, sei da wohl nicht verwunderlich.
Ein 21-jähriger Berliner wurde bei dem Überfall so schwer verletzt, dass er
vorübergehend ins Koma fiel und längere Zeit in Lebensgefahr schwebte. Sein
Zustand ist weiter ernst.
Auf den Polizeiwachen sollen die Quälereien und Misshandlungen weitergegangen
sein, berichten Opfer und sprechen von Nazi-Symbolen, die auf den
Wachen an den Wänden hingen. In der italienischen Zeitung „La Repubblica“
(25. Juli und 26. Juli 2001), in der französischen Zeitung „Le Monde“ und der
spanischen Zeitung „El Pais“ erschienen Berichte, in denen Anwälte der Inhaftierten
und Inhaftierte, die in der Kaserne der mobilen Einheit Bolzaneto
inhaftiert waren, sogar von „Folter“ sprechen. Ähnliche Berichte sind inzwischen
auch in der deutschen Presse erschienen, u. a. im Berliner „TAGESSPIEGEL“
vom 27. Juli 2001.
Die meisten, eventuell sogar alle der bei dem Überfall auf die Schule und das
Sozialforum Festgenommenen wurden wenige Tage später wieder freigelassen.
Gleichzeitig häufen sich auch die Hinweise auf den Einsatz staatlicher Provokateure
bei den Ausschreitungen. Das italienische Fernsehen RAI 3 zeigte am
Sonntag, dem 22. Juli 2001, zahlreiche Aufnahmen von Polizisten in „Demo-
Zivil“ – mit Helmen und Eisenstangen – mitten im „Schwarzen Block“. Mehrere
Videoaufnahmen wurden gezeigt, bei denen vermummte und behelmte
„Demonstranten“ mit Eisenstangen aus den Kasernen der Polizei und der Carabinieri
hinein und heraus laufen, in Polizeifahrzeuge ein- und aussteigen und
sich zum Teil in aller Öffentlichkeit länger mit höheren Polizeibeamten unterhalten
(El Pais, 23. Juli 2001).
„Der schwarze Block agierte fast ungestört, während wir mit roher Gewalt
vertrieben wurden“, zitiert „SPIEGEL ONLINE“ (24. Juli 2001) einen Berliner
Teilnehmer der Demonstrationen. Die von den Organisatoren erhobenen
Vorwürfe über eine angebliche Kooperation zwischen den Gewalttätern des
schwarzen Blocks und der Polizei erscheinen diesem Nachrichtenmagazin
„nicht mehr völlig abwegig“. Weiter heißt es: „Italienische Zeitungen veröffentlichten
am Dienstag (also am 24. Juli 2001) Fotos von Vermummten, die
bewaffnet aus einer Polizeiwache kommen.“
Die italienische Zeitung „Secolo XIX“ veröffentlichte laut dpa (26. Juli 2001)
darüber hinaus Auszüge aus einem Geheimdossier der italienischen Polizei,
wonach etwa 25 bis 30 bewaffnete Rechtsextremisten, Mitglieder der Gruppe
„Forza Nuova“, in die Reihen der Globalisierungsgegner eingeschleust wurden,
um die Sicherheitskräfte anzugreifen und damit die Globalisierungsgegner
in Verruf zu bringen.
Seitens der Bundesregierung waren im Vorfeld lediglich undifferenzierteWarnungen
vor „Krawalltouristen“ zu hören. Mehrere Personen, darunter auch
solche, die wegen keiner einzigen Straftat rechtskräftig verurteilt worden sind,
erhielten Meldeauflagen und damit faktisch Ausreiseverbote (z. B. junge Welt
vom 14. Juli 2001), die Außerkraftsetzung des „Schengener Abkommens“
durch die italienische Regierung wurde offiziell begrüßt und unterstützt. Nach
Bekanntwerden des Todesopfers und den Berichten über zahlreiche Übergriffe
hüllt sich die Bundesregierung dagegen in Schweigen, als gingen sie diese
Hinweise auf schwere Menschenrechtsverletzungen und Polizeiübergriffe
nichts an.
Demgegenüber hat die griechische Regierung bei der italienischen Regierung
bereits offiziell Protest wegen der Einreiseverbote und Übergriffe auf griechische
Demonstranten eingereicht und von der italienischen Regierung Unterlagen
zur Rechtfertigung ihres Vorgehens verlangt (Neue Zürcher Zeitung,
23. Juli 2001).
1. Wie viele Demonstrantinnen und Demonstranten wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung bei den Auseinandersetzungen in Genua verletzt?
Wie viele davon wurden schwer verletzt oder werden bleibende Schäden
davontragen (bitte die Verletzungen bzw. bleibenden Schäden im Einzelnen
aufführen)?
Der Bundesregierung liegen weder Angaben zur Gesamtzahl der Verletzten
noch zum Grad der Verletzungen vor.
2. Wie viele der unter Frage 1 genannten Personen waren deutsche Staatsangehörige
bzw. aus Deutschland nach Genua gereiste Personen?
Über die Gesamtzahl der im Zusammenhang mit Ausschreitungen ärztlich behandelten
Deutschen liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Nach
dem Polizeieinsatz in der Diaz-Schule wurden 25 deutsche Staatsangehörige in
Genueser Krankenhäusern ambulant oder stationär behandelt. Vgl. hierzu auch
die Antwort auf die Frage 10d.
3. Welche Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld haben die unter
Frage 2 genannten Personen gegen deutsche oder andere, zum Beispiel
italienische Stellen?
Welche Hilfestellung haben deutsche Stellen dafür in den letzten Tagen
bereits gegeben bzw. werden sie wann geben?
Inwieweit bezüglich der unter Frage 2 genannten deutschen oder aus Deutschland
angereisten Demonstrantinnen und Demonstranten bei den Auseinandersetzungen
in Genua die Voraussetzungen für Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche
gegen deutsche Stellen gegeben sein könnten, ist nicht
ersichtlich. Eine Haftung deutscher staatlicher Stellen käme nur dann aus dem
Gesichtspunkt der Amtshaftung (§ 839 BGB i. V. m. Artikel 34 GG) in Betracht,
wenn ein in ihrem Dienst stehender Amtsträger vorsätzlich oder fahrlässig
eine gegenüber dem Anspruchsteller bestehende Amtspflicht verletzt und
diese Amtspflichtverletzung einen Schaden verursacht hätte.
Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz scheiden schon deshalb aus,
weil dieses voraussetzt, dass die Schädigung auf deutschem Hoheitsgebiet erfolgt
ist.
Ansprüche auf Ersatz materieller Schäden oder auf Schmerzensgeld gegen italienische
Stellen beurteilen sich nach dem konkreten Einzelfall. Bisher sind
dem Auswärtigen Amt keine konkreten Schadensersatzforderungen von Deutschen
bekannt geworden.
Im Rahmen der konsularischen Betreuung wurden den Inhaftierten auf Wunsch
italienische Anwälte vermittelt, die auch Ansprechpartner für die Beratung zu
eventuellen Schadensersatzansprüchen sind. Gegebenenfalls können weitere
fachkundige deutschsprachige Anwälte vermittelt werden.
4. Haben die unter Frage 2 genannten Personen, sofern gegen sie keine
rechtskräftigen Urteile wegen Straftaten im Zusammenhang mit ihrer Verhaftung
ergehen, Anspruch auf Opferhilfe?
Ein Anspruch auf Opferhilfe im Sinne eines Entschädigungsanspruchs nach
dem deutschen Opferentschädigungsgesetz besteht nicht (s. Antwort zu
Frage 3).
5. Wie viele aus Deutschland eingereiste Personen bzw. deutsche Staatsangehörige
wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang mit
dem G-8-Gipfel in Genua vorübergehend festgenommen?
Der Bundesregierung sind 71 Personen namentlich bekannt. Soweit in der
schriftlichen Unterrichtung durch den Bundesminister des Auswärtigen, Joseph
Fischer, welche dem Auswärtigen und dem EU-Ausschuss des Deutschen Bundestages
am 8. August 2001 übermittelt wurde, die Zahl der vorübergehend
festgenommenen Deutschen mit 70 angegeben ist, so erklärt sich dies daraus,
dass die italienischen Behörden in einem Falle irrtümlich zunächst von einer
österreichischen Staatsangehörigkeit ausgegangen waren.
6. Wie lange dauerten diese Festnahmen und auf welcher gesetzlichen
Grundlage erfolgten sie?
Nach Kenntnis der Bundesregierung dauerten die Festnahmen von deutschen
Staatsangehörigen in
In einem Fall ist die Haftdauer unbekannt, die betreffende Person wurde jedoch
nach gesicherter Erkenntnis auf freien Fuß gesetzt.
In 23 Fällen war Untersuchungshaft richterlich angeordnet worden. Hiervon
wurde in 18 Fällen die Untersuchungshaft zwischenzeitlich aufgehoben. In fünf
Fällen wurde die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet, wobei in einem
Fall Hausarrest gewährt wurde.
Der Bundesregierung wurde von den italienischen Behörden mitgeteilt, die
Festnahmen stützten sich zum einen auf die italienische Strafprozessordnung,
wonach bei Verdunkelungs-, Flucht- oder Wiederholungsgefahr Untersuchungshaft
angeordnet werden kann. Darüber hinaus beruft sich die italienische
Polizei auf Artikel 41 der Gesetzessammlung über die öffentliche Sicherheit
(Dekret Nr. 773 vom 18. Juni 1931, „Testo Unico delle Leggi di Pubblica
Sicurezza“). Danach sind Festnahmen bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit
und Ordnung zulässig.
7. Gegen wie viele dieser Festgenommenen wurden nach der Festnahme
Strafverfahren eingeleitet, die zu einer gerichtlichen Nachprüfung der gegen
sie erhobenen Vorwürfe führen werden, welche Vorwürfe werden in
diesen Verfahren gegen sie erhoben und in wie vielen Fällen wurden diese
Ermittlungen bzw. Strafverfahren nach der Freilassung inzwischen wieder
eingestellt?
Den 15 deutschen Staatsangehörigen, bei denen ursprünglich die Fortdauer der
Untersuchungshaft angeordnet worden war, wurde in 13 Fällen die „Mitwirkung
in einer bewaffneten Vereinigung“ (Artikel 416 Abs. 2, 4 und 5 des italienischen
Strafgesetzbuches) sowie „Beteiligung an Verwüstung und Plünderung“
(Artikel 110 und 419 des italienischen Strafgesetzbuches) vorgeworfen, in zwei
Fällen wurde der Tatvorwurf auf „Beteiligung an Verwüstung und Plünderung“
reduziert. Eine gerichtliche Nachprüfung der Vorwürfe fand bisher nur im Rahmen
von Haftbeschwerdeterminen statt, die zuletzt am 1. September 2001 zur
Freilassung von zehn Deutschen führten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft
Genua wurden gegen alle Personen, die vorläufig festgenommen und später
ausgewiesen worden waren, Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Zum Stand dieser Verfahren liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse
vor. Vgl. im Übrigen die Antwort zu Frage 6.
8. Wie viele Personen wurden insgesamt nach Kenntnis der Bundesregierung
im Zusammenhang mit dem Gipfel in Genua vorübergehend festgenommen?
Nach italienischen Presseberichten, welche die Staatsanwaltschaft Genua
gegenüber dem Generalkonsulat Mailand bestätigt hat, wurden insgesamt
301 Personen vorübergehend festgenommen. Davon wurden 73 umgehend
wieder freigelassen. Für 228 Personen wurde Untersuchungshaft angeordnet.
9. Wie viele dieser Festnahmen wurden später bei der gerichtlichen bzw.
richterlichen Überprüfung als illegal bzw. rechtswidrig eingestuft und
sofort wieder aufgehoben?
Die Haftprüfungstermine finden in einem nichtöffentlichen Verfahren statt. Der
Ausgang solcher Verfahren ist der Bundesregierung nur bei Beteiligung deutscher
Staatsangehöriger bekannt (vgl. Antwort zu Frage 6). Eine Einstufung als
rechtswidrig oder illegal sieht das Haftprüfungsverfahren nicht vor.
10. a) Wer hat die Polizeirazzia am 22. Juli 2001 auf das Sozialforum und
die daneben liegende Schule nach Kenntnis der Bundesregierung mit
welcher Begründung und auf welcher Rechtsgrundlage angeordnet?
Als Rechtsgrundlage für Durchsuchungsmaßnahmen wird von italienischer
Seite Artikel 41 der Gesetzessammlung zur öffentlichen Sicherheit (Dekret
Nr. 773 vom 18. Juni 1931 „Testo Unico delle Leggi di Pubblica Sicurezza“)
angeführt. Danach kann die Polizei bei Vorliegen bestimmter Anhaltspunkte
dafür, dass in öffentlichen oder privaten Räumen Waffen, Sprengstoffe oder
Munition ohne Genehmigung oder sonst missbräuchlich aulbewahrt werden,
die sofortige Durchsuchung der Räume und die Beschlagnahme dieser Gegenstände
anordnen.
Der Polizeieinsatz vom 22. Juli 2001 ist Gegenstand der laufenden Untersuchungen
in Italien durch Regierung, Justiz und Parlament. Mehreren übereinstimmenden
Darstellungen in der italienischen Presse zufolge wurde die Anordnung
am Abend des 21. Juli 2001 in der Quästur (Polizeipräsidium) von
Genua durch ein Gremium getroffen, zu dem die für die öffentliche Sicherheit
Verantwortlichen gehörten, an ihrer Spitze der stellvertretende Polizeichef Italiens,
der Direktor der Anti-Terrorismus-Einheit UCIGOS und der Polizeipräsident
von Genua (sämtlich nicht mehr in diesen Funktionen).
b) Wie viele Beamte waren bei dieser Aktion eingesetzt und aus welchen
Einheiten kamen diese Beamten?
Nach Angaben der zuständigen Staatsanwaltschaft in Genua waren 160 Beamte
eingesetzt, und zwar
c) Wie viele Personen wurden bei dieser Aktion festgenommen?
Wie viele Deutsche waren unter den Festgenommenen?
Nach Angaben der italienischen Polizei wurden insgesamt 93 Personen festgenommen,
darunter 42 deutsche Staatsangehörige.
d) Wie viele der Festgenommen wurden bei dieser Aktion
Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden insgesamt 61 Festgenommene
verletzt. Über den Schweregrad der Verletzungen bei diesem Personenkreis liegen
der Bundesregierung nur im Einzelfall Erkenntnisse vor. Soweit bekannt,
wurden 25 Deutsche in Krankenhäusern behandelt, acht davon stationär. Sie
sind inzwischen alle nach Deutschland zurückgekehrt. Bei den Verletzungen
handelt es sich im Wesentlichen um Kopfverletzungen und Knochenbrüche, in
einem Fall um ein Schädelhämatom, in einem anderen um eine Lungenblutung.
e) Wohin wurden die Festgenommenen nach ihrer Festnahme geschafft?
In die Polizeikaserne Bolzaneto am Stadtrand von Genua, sofern nicht in Krankenhäuser.
f) Wie viele der Festgenommenen berichten nach Kenntnis der Bundesregierung
selbst oder über ihre Anwälte von weiteren Misshandlungen,
Beleidigungen bis hin zu direkten Folterungen nach ihrer Festnahme?
Alle Festgenommenen, mit denen die deutschen Konsularbeamten Gespräche
führen konnten, berichteten von weiteren Übergriffen. Das Auswärtige Amt hat
auf die Möglichkeit hingewiesen, Strafanzeige zu stellen.
g) Ist die Bundesregierung diesen Vorwürfen nachgegangen?
Mit welchem Ergebnis?
Die Bundesregierung hat Vorwürfe gegen italienische Sicherheitskräfte gesammelt
und der italienischen Regierung am 2. August 2001 durch den Geschäftsträger
der Botschaft Rom eine Liste von Einzelfallschilderungen, darunter
auch solchen über den Polizeieinsatz in der Diaz-Schule, mit der Bitte um
Aufklärung übermittelt. Bisher haben die italienischen Behörden die Prüfung
noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung hat im Wege von Demarchen
des Geschäftsträgers der Botschaft Rom im italienischen Außenministerium
am 10. und 16. August 2001 erneut um Aufklärung gebeten und auf baldige
Stellungnahme zu den Vorwürfen gedrängt. Der Staatsminister im Auswärtigen
Amt, Dr. Ludger Volmer, hat darum erneut am 4. September 2001 in Rom
gebeten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen.
h) Wie viele der Festgenommenen wurden inzwischen wieder freigelassen,
Alle in der Diaz-Schule festgenommen deutschen Staatsangehörigen wurden
aus dem Polizeigewahrsam bzw. der Untersuchungshaft entlassen. Die Begründung
für die Freilassungen ist der Bundesregierung nicht bekannt.
i) Gegen wie viele der bei der Aktion Festgenommenen laufen jetzt
noch Ermittlungsverfahren?
Was wird ihnen vorgeworfen?
Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen.
j) Hat die Bundesregierung Kenntnis von irgendwelchen richterlichen
Feststellungen über den Einsatz generell, Art und Ausmaß des Einsatzes,
der Inhaftierungen, über richterlich bereits festgestellte Misshandlungen
und Ähnliches?
Die Bundesregierung hat von richterlichen Feststellungen keine Kenntnis. Die
Staatsanwaltschaft Genua hat jedoch angekündigt, dass sie gegen alle an der
Razzia in der Diaz-Schule beteiligten Sicherheitskräfte Ermittlungsverfahren
einleiten will.
k) Welche Schritte will die Bundesregierung ergreifen, um eine restlose
Aufklärung dieser Aktion zu erreichen?
Die gegen die Sicherheitsbehörden erhobenen Anschuldigungen sind Gegenstand
von Ermittlungen der zuständigen italienischen Staatsanwaltschaft. Darüber
hinaus hat das italienische Parlament die Einsetzung einer Kommission zur
Untersuchung der Vorfälle von Genua beschlossen.
Die italienische Regierung hat der Bundesregierung, zuletzt am 4. September
2001 beim Besuch des Staatsministers Dr. Ludger Volmer in Rom, zugesichert,
dass sämtliche Vorwürfe im Zuge dieser Untersuchungen rechtsstaatlich und
angemessen überprüft werden. Die Bundesregierung wird die Untersuchungen
durch ihre Auslandsvertretungen aufmerksam verfolgen.
Vgl. im Übrigen die Antwort auf Frage 10g.
11. Treffen Berichte zu, dass die Bundesregierung die Familien der in Genua
festgenommenen Personen aus Deutschland durch Polizeibeamte von der
Verhaftung ihrer Angehörigen in Italien unterrichtet hat?
Wenn ja, wer hat eine solche Form der Unterrichtung zu verantworten?
In allen Fällen, in denen deutsche Staatsangehörige im Ausland in eine Notlage
geraten und eine Ermittlung bzw. Verständigung der in Deutschland lebenden
Angehörigen erforderlich ist, erfolgt diese Ermittlung bzw. Verständigung der
Angehörigen über die zuständigen innerdeutschen Behörden, in der Regel also
über Beamte der örtlich zuständigen Polizei.
Auf ausdrücklichen Wunsch von Betroffenen hat das Generalkonsulat in einigen
Fällen auch selbst mit den Angehörigen Kontakt aufgenommen.
12. Werden die in Genua festgenommenen Personen aus Deutschland nun in
hiesigen Polizeidateien wie der „Gewalttäterdatei“ gespeichert?
Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage geschieht das?
Die in Genua festgenommenen Personen wären in den Dateien des Bundeskriminalamts
(BKA) „Landfriedensbruch“, „APIS“ (Arbeitsdatei PIOS Innere
Sicherheit) und „Gewalttäter Links“ zu speichern, soweit die Voraussetzungen
vorliegen, die sich aus den Errichtungsanordnungen der jeweiligen Dateien ergeben.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 8 Abs. 1 und 2 Bundeskriminalamtgesetz
(BKAG). Im Zusammenhang mit den Festnahmen in Genua wurde bisher keine
der Personen aus Deutschland durch das BKA in einer der genannten Dateien
erfasst.
Vgl. hierzu auch die Antwort zu Frage 30.
13. Hat die Bundesregierung Schritte unternommen, um die in der Öffentlichkeit
gegen die italienischen Sicherheitskräfte erhobenen Vorwürfe der
Misshandlung und der Übergriffe auf Demonstranten – darunter auch gegen
deutsche Staatsangehörige – nachzuprüfen?
Wenn ja, welche Schritte wurden im Einzelnen unternommen und was
waren die Ergebnisse dieser Nachprüfung?
Wenn nein, warum nicht?
Der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, hat seinen italienischen
Amtskollegen Renato Ruggiero am 31. Juli 2001 telefonisch auf die schockierenden
Berichte deutscher Staatsangehöriger über Übergriffe durch die italienische
Polizei angesprochen und auf Untersuchung und Klärung dieser Ereignisse
gedrängt. Der deutsche Botschafter in Rom hatte dies bereits am 26. Juli
2001 im italienischen Außenministerium gefordert. Im Nachgang zum Telefonat
der beiden Außenminister übergab der Geschäftsträger an der Botschaft
Rom am 2. August 2001 im italienischen Außenministerium eine Liste mit Einzelfallschilderungen.
Bei einem Gespräch des italienischen Botschafters am
gleichen Tage im Auswärtigen Amt wurde die große Besorgnis der Bundesregierung
sowie ihr dringendes Interesse an Untersuchung und Aufklärung beDeutscher
kräftigt. Die italienische Seite wurde außerdem um Haftverschonung für die
noch Inhaftierten gebeten. Bei allen Gelegenheiten hat die italienische Seite
eine umfassende Aufklärung der Ereignisse zugesagt. Hieran ist bei Demarchen
im italienischen Außenministerium am 10. und 16. August 2001 erinnert
worden.
In weiteren Telefonaten mit dem italienischen Außenminister Renato Ruggiero
am 17. und 19. August 2001 trat Bundesminister Joseph Fischer erneut für eine
Untersuchung und Aufklärung ein und bat dabei auch um baldige Reaktion auf
die Einzelfallschilderungen. Er bat ferner um Haftverschonung für die noch Inhaftierten
und setzte sich für eine Lösung in der Frage der Einreisebeschränkungen
für abgeschobene Demonstranten ein. Außenminister Renato Ruggiero
sagte umfassende Aufklärung zu.
Zuletzt hat Staatsminister Dr. Ludger Volmer am 4. September 2001 in Rom
gegenüber Vertretern des Außenministeriums und den Staatssekretären Mantovano
und Vietti von Innen- und Justizministerium möglichst rasche Aufklärung
erbeten, die diese auch zusagten.
Auf die Antwort zu Frage 10k wird verwiesen.
14. Hat die Bundesregierung Kenntnis von dem in der Presse berichteten Geheimdossier
der italienischen Polizei, wonach bei den Ausschreitungen in
Genua auch Rechtsextremisten beteiligt waren, und wie beurteilt sie diesen
Vorwurf?
Der Bundesregierung liegen hierzu keine über entsprechende Presseveröffentlichungen
hinausgehenden Erkenntnisse vor.
15. Hat die Bundesregierung Kenntnis von den Vorwürfen, dass Personen,
die in der Öffentlichkeit als „schwarzer Block“ eingestuft wurden, aus
Polizeikasernen bzw. Polizeifahrzeugen kamen bzw. dorthin ein- und ausgingen,
und wie beurteilt sie diese Vorwürfe?
Der Bundesregierung liegen hierzu keine über entsprechende Presseveröffentlichungen
hinausgehenden Erkenntnisse vor.
16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Kritik der Oppositionsparteien
im italienischen Parlament und von Menschenrechtsorganisationen
in Italien und anderen Ländern an dem Vorgehen der italienischen
Sicherheitskräfte im Zusammenhang mit dem G-8-Gipfel?
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesen Kritiken?
Bei der Parlamentsdebatte am 1. August 2001 ist ein Misstrauensantrag der Opposition
gegen Innenminister Claudio Scajola ebenso an der Regierungsmehrheit
gescheitert wie ein Antrag auf Einsetzung eines ordentlichen parlamentarischen
Untersuchungsausschusses.
Die Bundesregierung hat die Diskussionen im italienischen Parlament und in
der italienischen Öffentlichkeit zum Vorgehen der italienischen Sicherheitskräfte
im Zusammenhang mit dem G-8-Gipfel mit großer Aufmerksamkeit verfolgt.
Dabei wurde deutlich, dass das Vorgehen der Sicherheitskräfte in Italien
selbst sehr unterschiedlich bewertet wird und zum Teil sehr umstritten ist.
17. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die aus Kreisen der Anwälte
der im Zusammenhang mit dem G-8-Gipfel inhaftierten und verletzten
Personen erhobenen Vorwürfe gegen die italienischen Sicherheitskräfte?
Welche Vorwürfe werden von diesen Anwälten nach Kenntnis der Bundesregierung
im Einzelnen erhoben und wie bewertet die Bundesregierung
diese Vorwürfe?
Die Bundesregierung steht mit den Anwälten der noch Inhaftierten zu Fragen
der konsularischen Betreuung und des Rechtsschutzes in Kontakt. Weder gegenüber
der Botschaft Rom noch gegenüber dem Generalkonsulat Mailand
wurden bisher aus dem Kreis der Anwälte Vorwürfe gegen die italienischen
Sicherheitskräfte erhoben.
18. Welche Schritte will die Bundesregierung ergreifen, um eine restlose
Aufklärung der jetzt in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfe gegen die
italienischen Sicherheitskräfte zu gewährleisten und eine Wiederholung
solcher Übergriffe zu verhindern?
Die Vorwürfe sind Gegenstand umfangreicher Untersuchungen durch die italienische
Regierung, die italienische Justiz und das italienische Parlament. Das
Ergebnis dieser Untersuchungen ist noch nicht bekannt. Im Übrigen wird auf
die Antworten zu den Fragen 10g, 10k und 13 verwiesen.
19. Hat die Bundesregierung wegen der Vorwürfe gegen die italienischen Sicherheitskräfte
bereits Kontakte mit anderen EU-Staaten aufgenommen?
Wenn ja, in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?
Die deutsche Botschaft in Rom hat sofort Kontakt zu den Vertretungen der
Länder aufgenommen, von denen bekannt war, dass ihre Staatsbürger betroffen
sind. Für ein gemeinsames Vorgehen hat sich angesichts der Unterschiedlichkeit
der Einzelfälle keine Grundlage ergeben.
20. Hat die Bundesregierung bei der italienischen Regierung wegen der
Übergriffe auf Globalisierungsgegner in irgendeiner Form Beschwerde
erhoben?
Wenn ja, wann und in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?
Ja, siehe Antwort zu Frage 13.
21. Welche anderen Regierungen in der EU haben nach Kenntnis der Bundesregierung
bei der italienischen Regierung bereits ihre Beschwerde,
ihren Protest oder andere Kritik am Verhalten der Sicherheitskräfte vorgetragen?
Nach Kenntnis der Bundesregierung haben aus dem Kreise der EU-Partner bisher
Großbritannien und Österreich auf unterschiedlichen Ebenen bei der italienischen
Regierung interveniert. Griechenland hat gegen die Zurückweisung
zweier Reisebusse an der italienischen Grenze protestiert.
22. Hält die Bundesregierung ein solches Vorgehen der Sicherheitskräfte für
vereinbar mit den Europäischen Verträgen, insbesondere mit der EUGrundrechtecharta?
Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage hält die Bundesregierung ein solches
Vorgehen für vertretbar?
Wenn nein, welche italienischen oder EU-Rechtsgrundsätze wurden nach
Einschätzung der Bundesregierung möglicherweise oder sicher verletzt
und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Bundesregierung?
Die Proklamation der EU-Grundrechtecharta ist ein wichtiges Ergebnis des
Gipfeltreffens von Nizza. Die Bundesregierung ist bestrebt, die Grundrechtecharta
in die Europäischen Verträge einzubeziehen.
Für eine abschließende rechtliche Würdigung des Vorgehens der italienischen
Sicherheitskräfte müssen jedoch zunächst die italienischen Untersuchungsergebnisse
zur Sachverhaltsaufklärung abgewartet werden.
23. Wie viele deutsche Beamte waren bei den Auseinandersetzungen in Genua
zur Unterstützung der italienischen Sicherheitsbehörden eingesetzt?
Das BKA hat drei Beamte in die von den italienischen Sicherheitsbehörden
eingerichtete Einsatzzentrale für ausländische Verbindungsbeamte entsandt.
Im Übrigen wird auf Absatz 3 der Vorbemerkungen zur Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jelpke und der Fraktion der
PDS – Bundestagsdrucksache 14/6756 – verwiesen.
24. Waren am Einsatz der Sicherheitskräfte in Genua auch deutsche Beamte
beteiligt?
Nein. Im Übrigen wird auf Absatz 3 der Vorbemerkungen zur Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jelpke und der
Fraktion der PDS – Bundestagsdrucksache 14/6756 – verwiesen.
25. Waren an der Vorbereitung, Planung und Durchführung der Aktion gegen
das Sozialforum und die daneben liegende Schule deutsche Beamte in
irgendeiner Weise beteiligt?
Nein. Im Übrigen wird auf Absatz 3 der Vorbemerkungen zur Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jelpke und der
Fraktion der PDS – Bundestagsdrucksache 14/6756 – verwiesen.
26. Wurden die in Genua eingesetzten deutschen Beamten nach ihrem Einsatz
zu den in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfen wegen Übergriffen,
Misshandlungen etc. befragt?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?
Die in der Antwort zu Frage 23 bezeichneten Beamten versahen ihren Dienst in
der genannten Einsatzzentrale. Ihre Aufgabe bestand darin, die Kommunikation
zwischen den deutschen und italienischen Behörden sicherzustellen. Es war
nicht Aufgabe der Verbindungsbeamten, vor Ort eigene Ermittlungen durchzuführen. Sie verfügen aus diesem Grunde ausschließlich über die offiziellen
Lageinformationen der italienischen Sicherheitsbehörden. Im Übrigen wird auf
Absatz 3 der Vorbemerkungen zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Abgeordneten Jelpke und der Fraktion der PDS – Bundestagsdrucksache
14/6756 – verwiesen.
27. Waren unter den eingesetzten deutschen Beamten auch zivile Beobachter
der Demonstrationen?
Für welche Behörden waren diese Zivilbeamte im Einzelnen tätig und
was haben sie nach ihrem Einsatz berichtet?
Nein. Im Übrigen wird auf Absatz 3 der Vorbemerkungen zur Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jelpke und der
Fraktion der PDS – Bundestagsdrucksache 14/6756 – verwiesen.
28. Wie viele nicht gerichtlich vorbestrafte Personen wurden im Zusammenhang
mit dem G-8-Gipfel durch deutsche Behörden am Verlassen ihres
Wohnortes durch polizeiliche Anordnungen gehindert?
Die Anordnungen von Maßnahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr obliegen
den hierzu jeweils zuständigen Behörden der Bundesländer. Auskünfte über
tatsächlich durchgeführte Maßnahmen der Bundesländer können daher nur von
dort erteilt werden.
29. Hält die Bundesregierung solche Anordnungen gegenüber nicht gerichtlich
vorbestraften Personen für mit rechtsstaatlichen Grundsätzen wie
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Unschuldsvermutung
vor einem gerichtlichen Urteil für vereinbar?
Wenn ja, auf welche Gerichtsurteile und internationale Konventionen
stützt sie diese Meinung?
Die Beurteilung ist Sache der Länder. Grundsätzlich dürfen derartige Anordnungen
zur Gefahrenabwehr und allein aufgrund einer auf den Einzelfall bezogenen
Gefahrenprognose getroffen werden. Soweit die Gefahrenprognose dies
im Einzelfall rechtfertigt, können Meldeauflagen, die sich nur auf wenige Tage
innerhalb eines Jahres beziehen, eine verhältnismäßige Einschränkung der verfassungsrechtlich
garantierten Freizügigkeit sein.
Im Übrigen haben die Gerichte, soweit bekannt, die von den zuständigen Landesbehörden
erlassenen Anordnungen jeweils bestätigt.
30. Wird die Bundesregierung Schritte einleiten, um die „Gewalttäterdatei“
des Bundeskriminalamtes dahin gehend zu korrigieren, dass in Zukunft
nur Daten von Personen erfasst und weitergegeben werden, die rechtskräftig
verurteilt wurden?
Die Dateien „Gewalttäter Links“ sowie die weiteren phänomenbezogenen Dateien
„Gewalttäter Rechts“ und „Straftäter politisch motivierter Ausländerkriminalität“
wurden auf der Grundlage eines entsprechenden Beschlusses der
Innenminister und -senatoren der Länder vom 24. November 2000 durch die
Amtsleitung des BKA am 23. Januar 2001 im Wege der Sofortanordnung
gemäß § 34 Abs. 3 BKAG errichtet. Die nach dem BKA-Gesetz erforderliche
Anhörung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Beteiligung der
Innenminister/-senatoren der Länder zu den entsprechenden Errichtungsanordnungen
ist noch nicht abgeschlossen. Es ist zu erwarten, dass im Rahmen
dieses Verfahrens noch Änderungen erfolgen werden. In diesem Rahmen ist
auch die Frage des zu speichernden Personenkreises Gegenstand des noch andauernden
Meinungsbildungsprozesses.
Unabhängig hiervon ist nach § 8 BKAG die Speicherung von Daten Beschuldigter
wie auch sonstiger Personen zulässig, soweit dies erforderlich ist, weil
bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Betroffenen Straftaten
von erheblicher Bedeutung begehen werden.
31. Wird die Bundesregierung die von verschiedener Seite erhobene Forderung
nach einer internationalen Untersuchung der Vorgänge in Genua unterstützen?
Wenn ja, in welcher Weise?
Wenn nein, warum nicht?
Die Bundesregierung hält eine umfassende Aufklärung der Vorgänge für erforderlich.
Sie hat Vertrauen in die rechtsstaatliche Untersuchung der Vorgänge in
Genua durch die italienische Regierung, die italienische Justiz und das italienische
Parlament, hat allerdings gegenüber der Regierung ihr Interesse an einer
umfassenden und möglichst raschen Aufklärung der Vorgänge deutlich zum
Ausdruck gebracht. Die italienische Regierung hat Staatsminister Dr. Ludger
Volmer u. a. zugesichert, der Bundesregierung unverzüglich nach Fertigstellung
den Bericht der Untersuchungskommission zur Verfügung zu stellen.