Die vorliegende Ausgabe der Swing steckte gerade in der Produktion, als am 12.01.in Hamburg ein erstes bundesweites Vorbereitungstreffen für ein antirassistisches Aktions(tage)-Camp stattfand. Und die druckfrische Auslieferung findet (eher zufällig) genau zu den Berliner Perspektiventagen statt, auf denen die Aktionstage gegen den G8 eingehender bilanziert und insbesondere über zukünftige übergreifenden Projekte debattiert werden soll. Nicht zuletzt auch über ein Klimacamp, das inspiriert aus Erfahrungen aus Grossbritannien erstmals im kommenden Sommer in Deutschland organisiert werden soll.
Klimafrage ist K-Frage
Beiträge vom Vorbereitungskreis machen deutlich, dass die Klimafragen wichtige Debatten in der Linken betrifft: „Viel zu lange wurde gerade von linker Seite die soziale Dimension, die mit den gesellschaftlichen Naturverhältnissen im Allgemeinen, und den Themen Energieproduktionsweise (jenseits von Atomkraft) und speziell Klimawandel einhergeht, unterschätzt. Neben Bereichen wie öffentliche Dienstleistungen/Daseinsvorsorge, Militarismus, oder globale Landwirtschaft, die offensichtlich eng mit der Thematik verbunden sind, tangiert die Klimaproblematik direkt eine Vielzahl andere Aspekte wir Migration, (globale)Herrschaftsverhältnisse oder Nord-Süd Aspekte. Hier gilt es grade jene Aspekte die in der öffentlichen Diskussion bisher ausgespart wurden, von linker Seite zu thematisieren.“
Es geht aber nicht nur darum das Klimathema radikal von links zu thematisieren, es entstehen auch Reibungspunkte mit bestehenden linken Kampagnen und Forderungen: „Klar ist, dass eine linke Beschäftigung mit dem Thema nicht „Klimapolitik“ bedeutet, sondern die derzeitigen Produktions- und Konsumtionsweisen des fossilen Kapitalismus hinterfragen muss. Was aber bedeutet das konkret, wenn man doch sonst sagt „alles für alle“ – wie ist unter Prämisse akuter Endlichkeit von Ressourcen sozial gerecht zu organisieren – auf eine Weise, die die Nord-Südverhältnisse in den Blick nimmt. Denn Globale Soziale Rechte - wie das auf Versorgung mit Energie – gelten überall, oder? Und: wie kann also eine Linke hier und heute hedonistisch sein und gleichzeitig internationalistisch temperiert sein?“
Mehrsäulencamp vs. Klammerthema
Vor dem Hintergrund der Frage, ob „im Jahr 1 nach Heiligendamm“ nicht ein Großcamp bzw. übergreifende Großaktionen angesagt wären, um zumindet zu versuchen, sich in den Fussstapfen der erfolgreichen Anti-G8-Mobilsierung weiterzubewegen, war bereits im Oktober letzten Jahres ein Diskussionspapier erschienen, dass sich im Hinblick auf die jeweiligen Vorbereitungen vor allem in Sachen Klimacamp aber auch mit Verweis auf das antirassistische Camp für ein sog. Mehrsäulencamp stark gemacht hatte:
„ (…) Wir fänden es politisch sinnvoll, würden auf dem Camp neben ‚Klima‘ (als sicherlich prominentester Säule) auch noch weitere Schwerpunkte wie ‚Migration‘, ‚Krieg & Frieden‘ oder ‚Prekarisierung & Aneignung‘ verhandelt werden (…). Hierdurch würde zwar ‚Klima‘ sein Alleinstellungsmerkmal verlieren, dennoch ginge dies mit mindestens vier Vorteilen einher: Erstens dürften zu einem solchen mehrsäuligen Camp deutlich mehr AktivistInnen als zu einem Single-Issue-Event kommen, mit der Konsequenz, dass jedem der einzelnen Schwerpunkte ungleich größere Aufmerksamkeit zuteil würde (konkret halten wir 3.000–4000 AktivistInnen durchaus für möglich – immerhin befinden wir uns im Jahr I nach Heiligendamm). Zweitens würde hierin die Chance liegen, die Verknüpfungen zwischen den einzelnen Themenkomplexen theoretisch und praktisch sichtbar zu machen und somit jenen Crossover-Faden fortzuspinnen, der in der G8-Mobilisierung zwar oft proklamiert, aber nur selten umgesetzt wurde. Drittens würde erst eine Masse von mehreren tausend AktivistInnen zwei oder drei ernsthafte (an BlockG8 anschließende) Blockade-, Stilllegungs-, Aneignungs etc. -aktionen möglich machen (…). Viertens würde einem ausdrücklich auf den Geist bzw. das Potential von Heiligendamm bezogenen Camp von Anfang an ein überproportional hoher Aufmerksamkeitslevel garantiert sein. (…)“
… oder kombiniertes Doppelcamping?
Doch entgegen dieses Plädoyers für eine themenübergreifende große gemeinsame Mobilisierung im nächsten Sommer scheint bislang in den Vorbereitungskreisen sowohl zum Klima- wie zum Antirassistischen Camp die jeweils mehrheitliche Stimmung in der Betonung des „eigenen Schwerpunktes“ zu liegen. Inhaltliche Offenheit ja, aber nur unterhalb des „eigenen spezifischen Titels“. Darauf bezogen kam aus Hanau im Dezember ein Papier, das sich für einen „dritten Weg“ aussprach, für ein „kombiniertes Doppelcamping“: „(…) angesichts immer größerer Polizeiaufmärsche ist doch klar, dass entschiedenere Aktionsformen nur mit einer (relativen) Massenmobilisierung von zumindest mehreren tausend Beteiligten zur Geltung kommen können, dass also eine Handlungsfähigkeit an dieser kritischen Masse hängt, die u.E. nur mit einer übergreifenden Mobilisierung erreicht werden kann. Wenn also bei den geplanten Campprojekten ernsthaft die (Fünf-Finger) Blockade eines Grossflughafens oder eines Energiekonzerns/Kraftwerksbaustelle in Angriff genommen werden soll, braucht es auch ein entsprechendes Mobilisierungspotential (…). Vorschlag wäre die Organisierung von zwei (oder mehr) zeitgleichen Camps (am besten parallel zum G8-Gipfel in Japan im Juli), und in derselben Region, also momentan am ehesten rund um Hamburg! Mindestens eines eben mit dem Focus auf Klima, ein anderes zu Antirassismus/Migration. Damit hätten sie ein themenspezifisches Profil und könnten auch ihre spezifischen Vernetzungsprozesse weiterentwickeln. Doch zumindest ein übergreifender Klammeraufruf zu beiden (oder mehr) Camps sollte gemeinsam erstellt werden, der dann gegebenenfalls zu einer gemeinsamen Auftakt- sowie einer Abschlussveranstaltung einlädt, der aber jedenfalls gemeinsam zu zwei zeitlich abgestimmten Großaktionen mobilisiert. Konkreter: angenommen, dass die Camps jeweils über 10 Tage laufen (4. bis 13. Juli, wenn der Japan-G8-Gipfel Bezugspunkt wäre) gebe es in diesem Zeitraum eine Großaktion am Flughafen, eine andere beim Energiekonzern oder Kraftwerk…“
Bis zur nächsten Ausgabe der Swing dürften an diesen Fragen auf verschiedenen Ebenen hoffentlich produktiv weitergestritten worden sein, so dass sich spätestens im Februar abzeichnen wird, ob im kommenden Sommer mit weiteren Schwalben gerechnet werden kann. Und wo es dann auch recht schnell darum gehen wird, eine Rhein-Main-regionale Mobilisierung für das Camping08 in die Gänge zu bekommen.
Bis dahin zum Weiterlesen:
www.perspektiventage.de
www.klimacamp.org
und natürlich www.linksnavigator.de
[http://linksnavigator.de/drupal/node/423]
Source: Swing 150