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2007-10-18

Wie weiter nach Heilgendamm: Klima- oder 'Mehrsäulen'-Camp?!?

Im Rahmen des (allmählich ausklingenden) G8-Nachbereitungsmarathons sind
Anfang Oktober einige jener Gruppen zusammengekommen, deren Basis zwar
das dissent-Netzwerk war, die aber auch den so genannten ‘breiten’
G8-Bündnisprozess von Anfang an mitgetragen haben – unter anderem die
Aktionskonferenzen in Rostock, den Hannoveraner Koordinierungskreis und
etliche der lokalen Infoveranstaltungen in Mecklenburg-Vorpommern. Ziel
des Treffens war zum einen, die unterschiedlichen Erfahrungen in der
Bündnisarbeit auszuwerten, zum anderen zukünftige Projekte zu
diskutieren, auch im Hinblick auf die Frage, ob und wie es möglich ist,
die bündnispolitischen G8-Experimente fortzusetzen bzw.
weiterzuentwickeln. Zumindest an einem Punkt ist unsere Diskussion
konkreter geworden – nämlich was die von unterschiedlicher Seite
propagierte Idee eines ‘Klimcamps’ im kommenden Jahr betrifft. Da das
erste Klimacamp-Treffen bereits Anfang November in Kassel über die Bühne
gehen soll, möchten wir wir unseren diesbezüglichen Diskussionsprozess
in aller Kürze zusammenfassen – einschließlich eines praktischen
Erweiterungsvorschlages.

Bild: Plakat

Doch der Reihe nach: Einig waren wir uns in zweierlei:

a) So sehr die
G8-Proteste für viele eine beeindruckende Erfahrung gewesen sein mögen,
es sollte nicht aus dem Blick geraten, dass die G8-Mobilisierung bis zum
Schluss auf tönernen, d.h. wenigen Füßen stand. Insofern ist es nur die
halbe Wahrheit, im Nachhinein von „Erfolg“ zu sprechen. Angemessener
scheint es vielmehr, die enorme Potentialität in den Mittelpunkt zu
rücken, die in Rostock und Heiligendamm sichtbar geworden ist. Konkret
ist hiermit erstens die große Zahl junger, wenn auch (überwiegend)
schwach organisierter AktivistInnen gemeint, zweitens der Umstand, dass
es immer wieder – nicht nur bei BlockG8 – zu äußerst lustvollen
Erfahrungen kollektiver Stärke, ja Schlagkraft gekommen ist und drittens
die nicht wegzuredende Tatsache, dass die G8-Proteste trotz erheblicher
Differenzen und Misstöne von einem breiten Bündnis auf die Beine
gestellt wurden.

b) Weniger Einigkeit bestand hingegen darüber, wie mit
besagter Potentialität umzugehen sei: Während sich die einen für die
Intensivierung lokaler Aktivitäten aussprachen (‘dort, wo die Masse der
G8-AktivistInnen zu Hause ist’), betonten andere die Notwendigkeit,
direkt an der politischen Dynamik von Heiligendamm anzusetzen. Nicht
nur, weil im Lichte eines (neoliberal) normierten Alltags
Großmobilisierungen unerlässlich seien (in diesem Zusammenhang ist auch
viel von ‘Event-Kultur’ die Rede gewesen), sondern auch deshalb, weil es
derzeit einen positiven (und obendrein) spektrenübergreifenden
Referenzpunkt gäbe, den es nicht zuletzt im Interesse des Aufbaus
längerfristiger Strukturen auszunutzen gelte.

Bei aller Unterschiedlichkeit in der Prioritätensetzung, unter uns war
unstrittig, dass die beiden Vorgehensweisen allenfalls auf der Ebene der
personellen Ressourcen bzw. Kapazitäten einen Widerspruch darstellten,
nicht aber prinzipiell. Insofern lag es aus unserer Sicht absolut nah,
den Vorschlag eines Klimacamps ausführlich unter die Lupe zu nehmen.
Denn unter den derzeit zirkulierenden Vorschlägen scheint einzig das
Klimacamp das Zeug zu einem spektrenübergreifenden
Post-Heiligendamm-Projekt zu haben. Das hat erstens mit objektiven
Gründen zu tun – die Klimafrage ist in der Tat ausgesprochen drängend,
zweitens mit dem Umstand, dass in der Klimafrage eine Vielzahl
unterschiedlicher Problemstellungen zum Tragen kommt
(Energieverschwendung & Kapitalismus, industrialisierte Landwirtschaft,
Energieversorgung als globales soziales Recht etc.) und drittens mit dem
zweifelsohne fragwürdigen Hype, welcher derzeit um die Klimafrage
gemacht wird. Und doch: So sehr sich die Klimafrage als politisches
Kampfterrain aufdrängt („social change – not climate change!“), aus
unserer Sicht wäre es eine verschenkte Chance, würde es nächstes Jahr
lediglich bei einem thematisch beschränkten Großevent bleiben (und
realistisch betrachtet, wird es kaum möglich sein, mehrerer solcher
Camps ‘hochzuziehen’)). Denn dass der G8-Protest zu dem geworden ist,
was er war, hatte ja gerade mit der Masse und der Unterschiedlichkeit
der Beteiligten samt ihrer jeweiligen Schwerpunkte (Stichwort:
Thematische Aktionstage) zu tun. In diesem Sinne wäre ein Klimacamp noch
nicht einmal ansatzweise in der Lage, quantitativ und qualitativ an den
Heiligendamm-Protest anzuschließen – eine Feststellung, die wir sehr
wohl im Wissen darum treffen, dass die InitatorInnen des Klimacamps
(bislang) überhaupt nicht den Anspruch erhoben haben, in die Fußstapfen
des G8-Protests treten zu wollen.

Praktisch heißt das für uns, dass wir statt eines Klimacamps ein
‘mehrsäuliges’ Camp vorschlagen möchten. Konkreter: Wir fänden es
politisch sinnvoll, würden auf dem Camp neben ‘Klima’ (als sicherlich
prominentester Säule) auch noch weitere Schwerpunkte wie ‘Migration’,
‘Krieg & Frieden’ oder ‘Prekarisierung & Aneignung’ verhandelt werden –
was im übrigen auch dazu passt, dass es im antirassistischen Spektrum
zumindest vorsichtige Überlegungen gibt, im nächsten Sommer an einem der
großen Abschiebeflughäfen ein NoBorder-Camp zu organisieren). Hierdurch
würde zwar ‘Klima’ sein Alleinstellungsmerkmal verlieren, dennoch ginge
dies mit mindestens vier Vorteilen einher: Erstens dürften zu einem
solchen mehrsäuligen Camp deutlich mehr AktivistInnen als zu einem
Single-Issue-Event kommen, mit der Konsequenz, dass jedem der einzelnen
Schwerpunkte ungleich größere Aufmerksamkeit zuteil würde (konkret
halten wir 3.000-4000 AktivistInnen durchaus für möglich – immerhin
befinden wir uns im Jahr I nach Heiligendamm). Zweitens würde hierin die
Chance liegen, die Verknüpfungen zwischen den einzelnen Themenkomplexen
theoretisch und praktisch sichtbar zu machen und somit jenen
Crossover-Faden fortzuspinnen, der in der G8-Mobilisierung zwar oft
proklamiert, aber nur selten umgesetzt wurde. Drittens würde erst eine
Masse von mehreren tausend AktivistInnen zwei oder drei ernsthafte (an
BlockG8 anschließende) Blockade-, Stilllegungs-, Aneignungs etc.
-aktionen möglich machen, ob an einem Flughafen, einer
Kraftwerk-Baustelle, einem Rüstungsbetrieb oder einer gigantischen
Shoppingmal. Viertens würde einem ausdrücklich auf den Geist bzw. das
Potential von Heiligendamm bezogenen Camp von Anfang an ein
überproportional hoher Aufmerksamkeitslevel garantiert sein.

Sorge, dass ein derartiges Camp zu einem unüberschaubaren
Gemischtwaren-Laden würde, hätten wir nicht – in diesem Zusammenhang
möchten wir ausdrücklich an die viel zitierte G8-Choregrafie des
Widerstandes erinnern. Zentraler Unterschied zu Heiligendamm wäre
vielmehr, dass es nicht mehr einen lokalen G8-Gipfel als ‘natürliche’
Klammer gäbe. Dies könnte auf zweierlei Weise kompensiert werden:
Entweder darüber, dass ein solches Camp parallel zum nächsten G8-Gipfel
in Japan stattfände, wo Klima ebenfalls eine größere Rolle spielen soll
(7.-9. Juli 2008), oder darüber, dass wir die Kämpfe durch eine eigene
Klammer verbinden – etwa die (als Kristallisationspunkt fungierende)
Forderung nach globalen sozialen Rechten.

Es dürfte sich von selbst verstehen, dass ein solches Camp – ansonsten
wäre es nicht realisierbar – von vielen tatsächlich gewollt sein müsste
– nicht nur von denen, die die Initiative zu einem Klimacamp lanciert
haben, sondern auch von etlichen weiteren Einzelpersonen, Gruppen und
Netzwerken. In diesem Sinne möchten wir unsere Initiative lediglich als
Diskussionsorschlag verstanden wissen – ggf. würden wir uns natürlich an
der Verwirklichung eines entsprechenden Projektes beteiligen.

To be continued…

Source: email