Im Vorfeld des EU-Gipfels im März in Barcelona kündigt Spaniens Regierung neue repressive Maßnahmen an. Trotzdem: Lasst Euch nicht davon einschüchtern, auf nach Barcelona!!
Die Europäische Union wurde in den vergangenen Monaten nicht müde festzustellen, dass politische Aktivisten nicht unter die neue Anti-Terrorgesetzgebung fallen. Die Unterscheidung zwischen politischen Aktivisten und Terroristen werde nicht verwischt werden, hieß es. Neue Vorschläge aus Spanien, das gegenwärtig die EU-Präsidentschaft innehat, weisen jedoch in eine andere Richtung.
Laut der spanischen Regierung hätten die Mitgliedstaaten "eine graduelle Steigerung der Gewalt und der kriminellen Sachbeschädigung, ausgelöst von radikalen extremistischen Gruppen, bei verschiedenen Treffen der EU erlebt, wodurch die Gesellschaft eindeutig terrorisiert wird".
In den Augen Spaniens sind die Handlungen der kritisch gegenüber der Globalisierung eingestellten Aktivisten zweifelsfrei terroristische Aktivitäten. Sie seien das Werk "eines losen Netzwerks, das sich hinter verschiedenen sozialen Anliegen verbirgt", worunter Spaniens Regierung "Organisationen" versteht, "die sich ihren rechtlichen Status zum Vorteil machen, um die Ziele terroristischer Gruppen zu unterstützen und zu begünstigen". Laut dem spanischen Vorschlag werde "gewalttätiger urbaner Protest von Jugendlichen zunehmend als Mittel zur Durchsetzung krimineller Ziele benutzt".
Deshalb möchte die spanische Regierung eine standardisierte Form für den Austausch von Informationen über diese "terroristischen Vorfälle" einführen. Vorgeschlagen wird, dass das BDL-Netzwerk für den Austausch dieser Informationen benutzt wird. Dieses Netzwerk gehört zum 'bureaux des liaisons', der Stelle für den Austausch geheimdienstlicher Information zwischen den Mitgliedstaaten. Das Ziel des Informationsaustauschs ist es, "das Entstehen solcher Situationen bei zukünftigen Konferenzen der EU und anderer internationaler Organisationen vermeiden zu helfen" und "den gewalttätigen, urbanen, jugendlichen Radikalismus strafrechtlich zu verfolgen".
Die Europäische Arbeitsgruppe über Terrorismus, in der für die Terrorbekämpfung zuständige Experten der Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste aus allen Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, beschäftigt sich nun mit den spanischen Vorschlägen. Nach den Anschlägen vom 11.September in den Vereinigten Staaten hatte sich die EU auf eine neue Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus geeinigt. Die EU führte eine allgemein verbindliche Definition des Terrorismus und einen europäischen Haftbefehl ein. Bürgerrechtsgruppen befürchteten, dass durch diese neue Gesetzgebung politischer Aktivismus kriminalisiert wird.
Politisch verantwortliche in Spanien behaupten, dass politische Aktivisten den Zielen von Terroristen "helfen und Vorschub leisten". "Helfen und Vorschubleisten" ist einer der Punkte in der neuen Liste zur Definition terroristischer Aktivitäten der EU. Politischer Aktivismus und soziale Bewegungen werden so direkt mit Terrorismus in Verbindung gebracht.
Die spanische Regierung hat eine ganz spezifische Einstellung zum Terrorismus. Während der 1.Europäischen Konferenz über Terrorismus in Madrid im Januar 2001 sagte der spanische Innenminister, Jaime Mayor Oreha: "Terrorismus besteht nicht nur in Form von aktiven Gruppen von Kommandoeinheiten, es ist auch ein Projekt, das versucht, Wurzeln in der Gesellschaft zu fassen. Um ihn zu bekämpfen, ist es auch notwendig, gegen die sozialen, ökonomischen, politischen und kommunikativen Strukturen" (und nicht etwa die Ursachen !!!) "zu kämpfen, die ihn nähren und unterstützen."
Spanien handelt entsprechend dieser Einstellung. Eine Reihe von Organisationen, Zeitungen und Radiostationen wurde in den letzten vier Jahren per Dekret verboten, ohne dass einer dieser Fälle jemals den Gerichtssaal erreicht hätte. In letzter Zeit werden Zusammenhänge zwischen HausbesetzerInnen und der ETA konstruiert, um die "Terrorismus"keule einsetzen zu können.
Für den Gipfel kündigt die katalanische Staatsanwaltschaft hartes Vorgehen gegen "Randalierer" an. Sie rechtfertigt die Sicherheitsmassnahmen, da das "Recht auf Leben" (eines EU-Abgeordneten) Vorrang vor dem "Recht auf das Öffnen eines Geschäfts" genießt. Die Stimmung wird dabei zusätzlich durch das von den Medien seit längerem verbreitete Gerücht angeheizt, die ETA werde die Aktivitäten der GipfelgegnerInnen nutzen, um Anschläge zu verüben....
Der Monat März stelle laut einen Ausnahmezustand für Barcelona dar, weil die Lage aufgrund der beiden kurz vor dem Gipfel stattfindenden Fußballspiele (Barcelona-Madrid und Barcelona-Liverpool) zusätzlich angespannt sei. Mena warnt vor "radikalen Elementen", die sich ohne "Berücksichtung der jeweiligen politischen Inhalte" in die Demos einschleusen würden. Diese Behauptung soll den Bullen zur Legitimation einer Einführung von erhöhten Sicherheitsmaßnahmen - wie etwa der ( bislang unüblichen ) Vorkontrollen vor Demos - dienen.
Die Staatsanwaltschaft wird vor allem versuchen, Schnellverfahren anzuwenden ( Prozess und Verurteilung innerhalb 24h). Der Chef der Staatsanwaltschaft , Mena, hat außerdem ( als Neuheit) eine Kautionsregelung angekündigt. Wenn jemand z.B. wegen eines kaputten Schaufensters verhaftet wird, und die Kaution nicht zahlen kann, muss er den Gipfel im Knast verbringen. Mena rechtfertigte zudem die strengen Sicherheitsmassnahmen vor und während des Gipfels und findet es "unglücklich" dass friedliche Demos auf dem Passeig de Gracia stattfinden werden.
Primäres Ziel der Staatsanwaltschaft, ist die Durchführung von Schnellverfahren gegen "Störer", d.h. innerhalb 10-15 Tagen. Durch die Einführung von Schnellverfahren soll Barcelona nochmals die Vorreiterrolle einnehmen, die es schon einmal im Jahr 1992 inne hatte. Damals wurden während der Olympiade sogenannte "Schnellprozesse" eingeführt, bei denen eine Person innerhalb von 72 Stunden verurteilt werden kann, wenn der/die Angeklagte keinen Widerspruch gegen das Urteil einlegt. In Barcelona werden mittlerweile werden 38% aller Fälle in Schnellverfahren entschieden. Mena ist der Ansicht, dass die zu erwartende Gefahr für die Öffentlichkeit während des Gipfels so groß sein werde, dass "nun ein guter Zeitpunkt" für eine neue Form dieser Schnellverfahren sei.
Theoretisch gibt es nun sogar die Möglichkeit eines Prozesses am folgenden Tag: der kann allerdings nur duchgeführt werden, wenn der/die Angeklagte sein Einverständnis mit der von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafe zeigt.Daher versuchen Staatsanwälte und Richter Wege zu finden, um Angeklagte kleinerer Delikte am folgenden Tag zu verurteilen ( z.B. durch Herabsenkung des Strafmasses, oder Alternativen zu Freiheitsstrafen).
Es wird 8500 Cops in der Stadt geben, 2500 von Ihnen erhielten eine 6 monatige Spezialausbildung. Aufgrund der Einschränkungen des Verkehrs ( Schließung der Av. Diagonal, Schließung zweier Metrostationen), erwartet Bürgermeister Clos ein Verkehrschaos im Umkreis von 40 km von BCN. Auch die Uni in der Sicherheitszone wird geschlossen bleiben. Weiterhin muss (wen wundert's noch ?) mit der Aussetzung des Schengener Abkommens gerechnet werden. Trotzdem:
Lasst Euch nicht davon einschüchtern, auf nach Barcelona!! Und solltet Ihr dennoch einfahren, gilt natürlich: Maul halten & keine Aussagen!!
[http://www.gipfelsturm.net/]