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13.07.2007

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.: Polizei setzt gezielte Desinformation fort

Pressemitteilung

– Zur Rede des Innenministers Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU) zu den Polizeieinsätzen anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm

Das Schweriner Innenministerium verbreitet auch nach dem Ende der Proteste gegen den G 8-Gipfel in Heiligendamm weiter gezielt Falschmeldungen. Darüber hinaus versucht Innenminister Caffier, den RAV als unabhängige, der freien Advokatur verpflichtete Anwaltsorganisation zu diskreditieren.

In einer vorab verbreiteten Rede vor dem Innenausschuss im Schweriner Landtag am heutigen Freitag leugnet Innenminister Lorenz Caffier (CDU) die Behinderung der anwaltlichen Tätigkeit vor Ort und in den Gefangenensammelstellen ebenso wie die Fesselungen der Gefangenen in den Zellen. Laut Caffier sei es zu 433 Anfragen nach Gefangenen von RechtsanwältInnen gekommen, die alle in Kontaktaufnahmen zu den MandantInnen endeten.

Viele Betroffene bestätigen gegenüber VertreterInnen des Anwaltlichen Notdienstes, dass ihren Bitten nach einem Anwaltskontakt nicht nachgekommen wurde. Außerdem wurde AnwältInnen, die die Gefangenen direkt nach der Festnahme betreuen wollten, die Kontaktaufnahme verweigert mit der Begründung, diese sei nur in der Gefangenensammelstelle (Gesa) möglich. Dort wurde den AnwältInnen dann die Kontaktaufnahme verweigert, weil sie keine Namen der Betroffenen nennen konnten – den AnwältInnen vor Ort war jedoch verweigert worden, die Namen der Betroffenen aufzunehmen. Vor dem 6. Juni 2007 durfte jede/r AnwaltIn in der Gesa nur den Namen einer Person nennen, nach der dann, teilweise bis zu einer Stunde, gesucht wurde. Anfragen nach weiteren MandantInnen wurden während dieser Zeit nicht entgegen genommen. Mindestens zwei Mal wurden alle AnwältInnen der Gefangenensammelstelle Industriestraße verwiesen.

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Am 06. Juni 2007 wurde den AnwältInnen vor Ort mitgeteilt, Anfragen nach MandantInnen müssten nunmehr telefonisch an eine/n bestimmte/n SachbearbeiterIn gerichtet werden. Diese/r vermerke dann in der elektronischen Akte, dass ein/e RechtsanwältIn nach dem Mandanten gefragt habe. Es ist möglich, dass deshalb das Datensystem der Polizei 433 Anwaltskontakte ausweist. Wenn die/der für die Person zuständige SachbearbeiterIn diese Akte öffne, würde sie/er den Vermerk sehen und die/den AnwältIn benachrichtigen. Eine direkte Kontaktaufnahme der vor Ort anwesenden RechtsanwältInnen zu den Betroffenen nach Anfrage war daher gerade nicht möglich, zumal es regelmäßig viele Stunden dauerte, bis den einzelnen Gefangenen einzelne SachbearbeiterInnen zugeordnet wurden.

Auch für die stundenlange Fesselung der in Gewahrsam Genommenen in den Zellen gibt es viele Zeugen. Betroffen war unter anderem eine Gruppe, die am 7. Juni 2007 in einem Waldstück mit dem Vorwurf festgenommen worden war, eine Barrikade angezündet zu haben. Es handelte sich um ca. 150 Personen, die gegen Mittag in der Gesa Ulmenstraße eintrafen. Ein Betroffener: "Es war ca. 14:00/14:30 Uhr. Wir saßen oder lagen alle gefesselt auf dem nackten Betonboden. Innerhalb von einer 3/4 bis 1 Stunde füllte sich der Käfig immer mehr. Ab der 30. Person beschwerten wir uns, dass es zu voll sei und versuchten, uns vor den Eingang zu stellen. Doch die Polizisten drückten immer noch mehr Männer in den Käfig, bis wir schließlich genau 50 Personen waren. "Da passt noch einer rein" war immer die Antwort. Wir kauerten wie die Tiere in dem viel zu vollen Käfig. Auch bei Toilettengängen wurden die Fesseln nicht gelöst. Erst um 18:00 Uhr kam eine neue Schicht, die die Fesseln entfernte. Schon zu Beginn der Festnahme und noch einmal bei der Aufnahme in der Gesa habe ich darum gebeten, telefonieren zu können und einen Rechtsanwalt sehen zu dürfen. Beides wurde mir versagt".

Offensichtlich war die Polizei nicht nur damit überfordert, die Vielzahl von Gefangenen abzuarbeiten, sondern auch rechtsstaatliche Standards wie Anwaltszugang, menschenwürdige Behandlung und unverzügliche Richterentscheidung sicherzustellen. In dem durch die mangelhafte polizeiliche Organisation bei Masseningewahrsamnahmen vorprogrammierten Chaos wurde die Arbeit der Polizei durch engagierte AnwältInnen "gestört", die versucht haben, die Rechtsverletzungen der Polizei zu begrenzen und den Betroffenen Rechtsschutz zu gewähren.

„Wenn die Polizei das Recht von Gefangenen auf anwaltlichen Beistand als Störung empfindet, weist dies einmal mehr auf die fehlende Bereitschaft der Polizei hin, die Grundrechte der Betroffenen zu wahren“, sagt Rechtsanwältin Ullmann vom RAV.

Innenminister Lorenz Caffier behauptet nun, der RAV sei an einem konstruktiven Dialog nie interessiert gewesen, außerdem seien ständig wechselnde Personen im Namen des RAV aufgetreten. „Dies können wir nur als Versuch werten, von dem rechtswidrigen Polizeiverhalten vor Ort, der unzulänglichen Organisation der Gefangennahmen und der Vielzahl von erschreckenden Betroffenenberichten dadurch abzulenken, dass der Überbringer der schlechten Nachricht stellvertretend für die Ursache zur Verantwortung gezogen werden soll. Dieses Verhalten zeigt, dass die Polizei nicht an einer Aufklärung der Vorkommnisse interessiert ist, sondern allein daran, ihre rechtswidrigen Standards bei Masseningewahrsamnahmen zu verteidigen und von Kritik an ihrem Verhalten abzulenken. Bei den von Innenminister Caffier verbreiteten Falschmeldungen muss mittlerweile leider von einer gezielten Desinformationskampagne gesprochen werden“ so Rechtsanwältin Ullmann.

Kontakt: Hannes Honecker, Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins e.V. Tel.: 030 86 20 17 85


Bei Bedarf stellt der RAV für MedienvertreterInnen auf Anfrage Kontakt zu Betroffenen und vor Ort tätigen AnwältInnen her. Zur Rede des Innenministers Caffier: http://www.mv-zeitung.de/article-print-15580.html

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