2007-03-04
Im Zuge der Indienststellung der “Zivil-Militärischen Zusammenarbeit” (ZMZ) in MV besuchte deren “Inspekteur”, Kühn, im Januar Rostock und Bad Doberan. Mecklenburg-Vorpommern war eines der Bundesländer in denen die ZMZ erprobt wurde.
Diese “Verbindungskommandos” werden von Reservisten gestellt. In Rostock Oberstleutnant der Reserve Dietmar Döhler, in Bad Doberan Oberstleutnant der Reserve Alfred Kohlenberger. Kohlenberger ist im Hauptberuf Leiter des Straßenbauamtes Güstrow, und “nutzt als BeaBwZMZ die persönlichen Kontakte in der Bewältigung der vielfältigen Schutzaufgaben”. “Durch das neue Vorgehen entstehen wertvolle Symbiosen…”
Die ZMZ ist umstritten – erst recht in Bezug auf den G8 2007. Artikel 35 des Grundgesetzes regelt zwar, dass die Bundeswehr von den Ländern zu Hilfe gerufen werden darf – bei Naturkatastrophen oder Unglücksfällen.
Überzeugendes Konzept: Zivil-Militärische Zusammenarbeit macht Fortschritte
Rostock, 11.01.2007.
Die Bundeswehr hat einen weiteren Schritt zur Verbesserung des Schutzes Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger geleistet. Kompetente Ansprechpartner aus der Streitkräftebasis stehen zur Abwehr von Gefahrenlagen und Katastrophen und für Hilfe- und Unterstützungsleistungen zur Verfügung. Vizeadmiral Kühn traf die Beauftragten der Bundeswehr für Zivil-Militärische Zusammenarbeit aus Rostock und Bad Doberan zum Informationsaustausch.
Vizeadmiral Wolfram Kühn mit den BeaBwZMZ von Rostock und Bad Doberan: “Wenn sie uns brauchen, sind wir Soldaten für Sie da”.
“Der erfolgreiche Abschluss der Erprobungsphase in den Ländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz stellt den Startschuss für eine neue Ära dar”, machte der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis, Vizeadmiral Kühn, deutlich. Oberstleutnant der Reserve Dietmar Döhler und sein Amtskollege für den Landkreis Bad Doberan, Oberstleutnant der Reserve Alfred Kohlenberger, empfingen Vizeadmiral Kühn gemeinsam mit Leitern des Katastrophenschutzes im Brandschutz- und Rettungszentrum Rostock. Auch der Oberbürgermeister der Hansestadt, Roland Methling begrüßte den hohen Besuch. Vizeadmiral Kühn unterstrich nochmals, dass die Einsetzung der Beauftragten der Bundeswehr für Zivil-Militärische Zusammenarbeit (BeaBwZMZ) ein wichtiger Beitrag der Bundeswehr zum Schutz der Bürger sei und gab einen Ausblick auf die weiteren Absichten. Insgesamt werden nach derzeitigem Stand 429 Verbindungskommandos zu Landkreisen, davon 116 zu kreisfreien Städten eingerichtet. Hinzu kommen 34 Verbindungskommandos, die auf Ebene der Bezirksregierungen eingerichtet werden. „Wenn Sie uns brauchen, sind wir Soldaten für Sie da“, brachte Vizeadmiral Kühn das Konzept auf den Punkt. Die Bundeswehr hat zudem wichtiges Material wie Pioniergerät und Sanitätsmaterial an einzelnen Standorten konzentriert. Dies erleichtert den Überblick und den Zugriff auf diese Ausrüstung. Oberbürgermeister Methling betonte die Wichtigkeit des Engagements der Bundeswehr für die Bewältigung von Großschadensereignissen und Katastrophen. Auf gesetzlichen Grundlagen kann ein Krisenstab nunmehr über die zuständigen BeaBwZMZ dort um Hilfe und Unterstützung bitten, wo eigene Kräfte und Mittel nicht ausreichend vorhanden oder ausgeschöpft sind. Durch enge Anbindung an die zivilen Einsatzkräfte und militärisches Know-How sind Unterstützungsleistungen schnell und zielorientiert koordinierbar.
Reservisten übernehmen Verantwortung
Organisatorisch liegt die Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden in den Händen erfahrener Reserveoffiziere. Oberstleutnant Döhler: „Zehn Reservisten unterschiedlicher Dienstgrade stehen jedem BeaBwZMZ künftig für die vielfältigen Aufgaben zur Verfügung. Alle zwei Monate trifft sich zum Beispiel mein Team zum Erfahrungsaustausch und zur Weiterbildung.“ Der Unterschied zur herkömmlichen Reservistenarbeit sei die geringe Planbarkeit. „Katastrophen sind nicht vorhersehbar wie ein Schießvorhaben oder eine Übung“, betont der Reservestabsoffizier. Zwischen 30 und 50 Tagen im Jahr umfasst eine Tätigkeit im Zusammenhang mit ZMZ. Ein wesentlicher Vorteil der Reservisten ist die meist langjährige Stehzeit am Ort, der oft zugleich Heimatort ist. Damit einher geht die Ortskenntnis und das Wissen um die Strukturen einer Region. Gepaart mit militärischer Ausbildung entsteht so ein wertvolles Bindeglied zwischen ziviler Verwaltung und Bundeswehr. Oberstleutnant Döhler beurteilt die enge, auch persönliche Bindung der Verantwortlichen untereinander als wichtigstes Element der Zusammenarbeit. Als ehemaliger stellvertretender Kommandeur des Verteidigungsbezirkskommandos 88 in Rostock kennt er die Organisation des Standortes im Katastrophenschutz. Oberstleutnant Kohlenberger sieht darüber hinaus wichtige Synergieeffekte zwischen Verwaltung und Bundeswehr. Im Hauptberuf Leiter des Straßenbauamtes Güstrow, nutzt er als BeaBwZMZ ebenfalls die persönlichen Kontakte in der Bewältigung der vielfältigen Schutzaufgaben. „Durch das neue Vorgehen entstehen wertvolle Symbiosen, die im Ernstfall wertvolle Zeit sparen und Leben retten können“, hält Oberstleutnant d.R. Kohlenberger fest. Gemeinsam mit den Kräften des Katastrophenschutzes bilden sich die Reservisten regelmäßig fort, zum Beispiel durch Rahmenübungen der Krisenstäbe oder durch die Teilnahme an aktiven Katastrophenschutzübungen auf unterschiedlichen Ebenen.
Große Herausforderungen warten
Eine erste Bewährungsprobe hat das neue Konzept der ZMZ bei der Bekämpfung der Vogelgrippe an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns im Frühjahr 2006 bereits erfolgreich bestanden. Weitere persönliche Erfahrung sammelten Döhler und Kohlenberger schon während der Hochwassereinsätze der Bundeswehr an Oder und Elbe. Ein weiteres Thema der Unterredung mit dem Inspekteur war die Unterstützungsleistung der Bundeswehr während des G-8 Gipfels in Heiligendamm. Hier laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. Fest eingebunden sind die beiden Fachmänner aus Rostock und Bad Doberan. Ebenso steht Oberst Manfred Pape den Einsatzkräften zur Verfügung. Er ist Kommandeur des zukünftigen Landeskommandos Mecklenburg-Vorpommern. Dessen offizielle Indienststellung wird am 17. Januar in Schwerin erfolgen. Bereits eine Woche zuvor wird das Landeskommando Sachsen-Anhalt im Beisein von Vizeadmiral Kühn in Dienst gestellt.
Die WM war eine gute Übung – findet die nächste in Heiligendamm statt?
Die Grenzen zwischen Militärischem und Zivilem verwischen
14.1.2007: Am 11.1.2006 stellte die Bundeswehr in Sachsen-Anhalt ihr erstes Landeskommando in Dienst. Damit werden die militärischen Zuständigkeiten schon mal räumlich den zivilen Strukturen angeglichen. Das macht die “zivilmilitärische Zusammenarbeit”, sprich die militärische Vereinnahmung ziviler Strukturen einfacher. Bis Juni sollen die anderen Länder folgen. Natürlich auch Nordrhein-Westfalen, wo man bei der WM bereits erste Erfahrungen sammeln konnte.
Der Umbau der Kommandostrukturen vollzieht sich bis hinunter auf Kreisebene: 31 Bezirks- und 426 Kreisverbindungskommandos sollen den Zivilbehörden in sämtlichen Landkreisen und kreisfreien Städten “zur Seite gestellt” werden. 59 davon wird es in Nordrhein-Westfalen geben. Hier wurden schon im letzten Jahr während der Fußball-Weltmeisterschaft erste Erfahrungen gesammelt. Offiziere und Unteroffiziere der Reserve arbeiteten damals in der Einsatzleitzentrale und in der Informationszelle, halfen im Tagesgeschäft des militärischen Stabes aus und saßen in den zivilen Führungs- und Krisenstäben in Münster, Köln und Gelsenkirchen als Verbindungsoffiziere. “Die WM kommt für uns als Generalprobe ganz gelegen, unsere nicht aktiven Verbindungsoffiziere in den zivilen Krisenstäben vorzustellen und zu empfehlen”; so Oberst Bescht, Kommandeur im Verteidigungsbezirk 31 mit Sitz in Düsseldorf.
Diese Kommandos bestehen zunächst mal aus jeweils zwölf Reservisten, die bei Bedarf aktiviert werden. Reservisten eignen sich zum jetzigen Zeitpunkt besonders gut für diese Aufgabe: die zivile Seite wird über die Zusammenarbeit mit einem Zwitter zwischen militärischem und zivilem Dasein behutsam an den militärisch Einfluß herangeführt, Reservisten können über längere Zeit Verbindungen aufbauen und ihre Kontakte aus dem zivilen Leben dafür nutzen als ständig wechselndes Personal aus der aktiven Truppe und sie sind obendrein noch billiger. Wie praktisch.
Die Verbindungskommandos sollen im Bedarfsfall einen Hilfseinsatz der Streitkräfte schnell und effektiv gewährleisten.In erster Linie wird als ein solcher Bedarfsfall gerne der Schutz der Bürger bei Katastrophen genannt, denn wer hat schon was dagegen, wenn die Soldaten auch mal etwas Sinnvolles tun? Nur haben derartige Einsätze in den letzten Jahrzehnten auch schon stattgefunden. Die eigentliche Motivation versteckt sich in einer Stellungnahme auf der homepage der Bundeswehr im “Schutz lebenswichtiger Infrastruktur”, einem Begriff, der Interpretationen weiten Raum läßt. Auch der Satz, die zivilmilitärische Zusammenarbeit richte sich “heute vor allem an neuen gesamtstaatlichen übergreifenden Sicherheitskonzepten aus”, läßt nichts Gutes ahnen, wenn man sieht, dass in dem Beitrag “Neue Wege der Bundeswehr in der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit im Inland” vornehmlich fiktive Terroranschläge als Begründung für die Umstrukturierung genannt werden.
Nun haben drei Jahre militärischer Besatzung im Irak auch für Militärs hinreichend deutlich gemacht, dass Terroranschläge durch militärische Maßnahmen nicht verhindert werden können. Dagegen sind sie ein erprobtes Mittel, um beispielsweise politische Proteste in Form von großen Demonstrationen aufzulösen. Gegenwärtig bieten “Krawallmacher”, deren Auftreten beispielsweise für die Demonstrationen gegen den G8-Gipfel bereits medienwirksam angekündigt wird, den willkommenen propagandistischen Übergang. Vom heimlichen Bombenleger wird gesprochen, der lautstark und gewalttätig protestierende Demonstrant kann unschwer in den gleichen Topf geworfen werden, und am Ende trifft es die, die eigentlich gemeint sind: diejenigen, die mit breiten Demonstrationen gegen die Vorherrschaft von Kriegspolitik und die Unterordnung der Welt unter ökonomische Interessen protestieren wollen.
Das sagt einer, der es wissen muß: Am 10.1.2007 erklärte der Inspekteur der Streitkräftebasis, Vizeadmiral Wolfram Kühn, die Bundeswehr stehe “im Notfall für eine Unterstützung beim G-8-Gipfel im Juni in Heiligendamm bereit”. Kasernen zur Unterbringung von 6000 Einsatzkräften sowie ein mobiles Krankenhaus stünden zur Verfügung, im Bedarfsfall könnten ABC-Schutzkräfte, Sanitäter oder Fernmeldeeinheiten Unterstützung leisten. “Wenn ein Schadensfall eintritt und wir angefordert werden, wird die Bundeswehr mit jedem Soldaten, der zur Verfügung steht, helfen”.
http://www.friedenskreis-castrop-rauxel.de/FCR-News.fau?prj=Friedenskreis&i_objid=725
Innerer Notstand
Quelle: german-foreign-policy vom 01.02.2007
BERLIN
(Eigener Bericht) – Das deutsche Verteidigungsministerium ruft „Landeskommandos“ für „zivil-militärische Zusammenarbeit“ ins Leben und überzieht die Bundesrepublik mit flächendeckenden Netzwerkstrukturen an der Heimatfront. Die bellizistische Kommandogliederung wurde seit Jahresbeginn in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg installiert. Die übrigen Bundesländer werden bis zur Jahresmitte folgen. An den jeweiligen Kommandospitzen stehen „Beauftragte für die Zivil-Militärische Zusammenarbeit“ (BeaBwZMZ), denen die Kooperation zwischen zivilen Organisationen und den Streitkräften obliegt. Zudem sollen nach derzeitigem Stand insgesamt 429 Verbindungskommandos zu Landkreisen und kreisfreien Städten sowie 34 dieser Kommandos auf Bezirksebene eingerichtet werden. Die Kommandos sind ständige Mitglieder der lokalen Krisenstäbe. Beabsichtigt ist die Heranziehung von Reservisten, die Qualifikationen und Erkenntnisse ihrer zivilen Tätigkeiten einbringen sollen. Die personale Militarisierung wird durch Vorbereitungen auf eine institutionelle Durchdringung ziviler Ressourcen ergänzt. So strebt das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine weitgehende Verschmelzung wehrtechnischer Vorhaben mit Vorhaben der zivilen Sicherheitstechnik an. Nach den soeben verabschiedeten Richtlinien eines entsprechenden Förderprogramms wird die Bundeswehr im zuständigen Lenkungsgremium vertreten sein; zivile Forschungsergebnisse müssten dem deutschen Militär unmittelbar zur Verfügung gestellt werden können, heißt es in Berlin.
Das vom Bundeskabinett verabschiedete „Programm zur zivilen Sicherheitsforschung“ stellt bis 2010 zusätzliche Fördergelder in Höhe von 123 Millionen Euro zur Verfügung. Begründet wird die Erhöhung mit notwendigen Verbesserungen des Zivilschutzes, um die Folgen von Terrorismus, Großunfällen und Naturkatastrophen einzugrenzen. Notwendig sei eine „interdisziplinäre Erforschung von Sicherheitslösungen“, umschreibt das Programm die beabsichtigte Optimierung militärischer Forschungsvorhaben.1 Die Bundesregierung hat die sogenannte Sicherheitsforschung zum wichtigen Handlungsfeld mit großem wirtschaftlichem Potenzial erklärt und erwartet einen jährlichen Umsatz von bis zu 10 Milliarden Euro allein für „sicherheitstechnische Produkte und Dienstleistungen“ deutscher Firmen. Bereits heute beliefern Siemens und andere Konzerne fast sämtliche EU-Staaten mit teuren Hochtechnologieprodukten, die u.a. bei der Flüchtlingsabwehr in Osteuropa und in Nordafrika zum Einsatz kommen.2
Einsatzertüchtigung
Das neue Förderprogramm sieht die Verzahnung ziviler und militärischer Forschungseinrichtungen ebenso vor wie die Vernetzung der „Nutzer“ – Polizei, Katastrophenschutz, Militär, Geheimdienste und private Unternehmen.3 Gemeinsam sollen sie „Szenarien“ entwickeln („Programmlinie 1“), um eine arbeitsteilige Zuarbeit für die jeweiligen Repressionsbereiche sicherzustellen. Da der höchste Repressionsbedarf bei den staatlichen Behörden besteht und nur sie befugt sind, über die technischen Gewaltmittel auch vollständig zu verfügen, definieren sie das szenische Ziel. Vor diesem Hintergrund vertikaler Hierarchisierung wird die angebliche Gemeinsamkeit obsolet. Trotzdem heißt es in dem Förderprogramm: „Auf der Basis der Szenarien wird gewährleistet, dass alle für die Erarbeitung umsetzungsfähiger Sicherheitslösungen notwendigen Disziplinen aus den Technik-, Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften eingebunden und auf gemeinsame Anwendungsziele ausgerichtet werden.“4
Vorbereitungen
Um die Schaffung von „Technologieverbünden“ geht es in einer „Programmlinie 2“, die auf horizontale Vernetzungen zielt („Querschnittforschung“), damit Anwendungen bei der Personenidentifikation, bei der Erkennung von Gefahrenstoffen und zur „Einsatzertüchtigung von Sicherheits- und Rettungskräften“ verbessert werden. Die Förderbeispiele verdeutlichen, daß es auch in der „Programmlinie 2“ um Vorbereitungen auf den inneren Notstand geht.
Erster Schritt
Mit dem „Programm zur zivilen Sicherheitsforschung“ wird die bisher geltende Trennung zwischen militärischer und ziviler Forschung durchbrochen: Neu ist, daß ein Vertreter des Verteidigungsministeriums im zuständigen Lenkungsgremium des Forschungsministeriums sitzen wird und Einfluß auf Entscheidungen nehmen kann. Zudem bekräftigte Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) ausdrücklich, daß zu zivilen Zwecken entwickelte Technologien sofort der Bundeswehr zur Verfügung stehen sollen. Die für Bildungs- und Forschungspolitik zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im deutschen Bundestag, Katherina Reiche, bezeichnete die Öffnung der Forschungspolitik für Bundeswehrvertreter als „guten ersten Schritt“. Es sei wünschenswert, daß die Ressorts in Zukunft noch näher zusammenrückten und in der Forschung enger kooperierten, sagte Frau Reiche.5
Anbindung
Auch die beschlossene Neuordnung für Forschung und Technologie im Rüstungsbereich, die das Verteidigungsministerium direkt finanziert, führt zur weiteren militärischen Durchdringung der zivilen Wissenschaftsarbeit. So hat der deutsche Wissenschaftsrat, ein Beratungsgremium von Bund und Ländern, Anfang der Woche empfohlen, mehrere wehrtechnische Institute zusammenzuführen und sie in die Fraunhofer-Gesellschaft zu integrieren. Dadurch wird der zivile Anspruch der 56 Fraunhofer Institute (12.500 Mitarbeiter, 1,2 Milliarden Euro Forschungsvolumen) weiter ausgehöhlt. Fünf wehrtechnische Institute sind bereits im Fraunhofer-Verbund „Verteidigungs- und Sicherheitsforschung“ zusammengeschlossen. Jetzt kommen drei weitere hinzu.6
Schnelle Rezeption
Das Verteidigungsministerium will mit dieser Neuordnung organisatorische und strukturelle Rahmenbedingungen für eine verstärkte „Dual use“-Forschung der wehrtechnischen Institute schaffen. Dies zielt auf eine verbesserte finanzielle Ausstattung der Einrichtungen, die Drittmittel bei zivilen Auftraggebern einwerben sollen. Engere Kontakte zur zivilen Industrie und zur akademischen Wissenschaft seien außerdem geeignet, die „schnelle Rezeption von neuen Erkenntnissen und technologischen Entwicklungen aus dem zivilen Bereich (zu) verbessern“. Der Wissenschaftsrat empfiehlt den Wehrinstituten daher, die gemeinsame Bearbeitung von Forschungsprojekten mit Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen erheblich auszubauen, um die Grenzen zu kriegerischen Wissenschaftsprojekten weiter zu verwischen („Integration in zivile scientific communities“).7
Beziehungsgeflecht
Auf die zunehmende Integration in ein ziviles Umfeld setzt die Bundeswehr auch bei der Neuorganisation der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ). Durch die Einrichtung der „Landeskommandos“ soll den Militärs ein „flächendeckendes Beziehungsgeflecht auf- und zwischen allen Führungsebenen“ zur Verfügung gestellt werden.8 In den unteren Ebenen der „Landeskommandos“ ist der Einsatz von Bundeswehrreservisten vorgesehen. Ihr zivil erworbenes „Know-how“ nimmt das deutsche Militär bereits bei Auslandseinsätzen in Anspruch: Dort erfüllen Reservisten mit 6 bis 8 Prozent aller eingesetzten Kräfte zivil-militärische Aufgaben; im Jahr 2006 etwa haben rund 1.700 Reservisten an besonderen Auslandseinsätzen teilgenommen. „Ihre oftmals zivil erworbenen Qualifikationen sind für die logistische, infrastrukturelle oder administrative Unterstützung unserer Einsatzkontingente von besonderem Wert“, heißt es bei der Bundeswehr.9
Symbiosen
Beim Inlands-Einsatz der Reservisten in den flächendeckenden zivil-militärischen Kommandos sollen ihre beruflichen Positionen und ihre persönlichen Kontakte genutzt werden. Beabsichtigt ist eine regionale Rekrutierung, so dass den militärischen Leitungsstäben detaillierte, örtlich gewonnene Erkenntnisse aus den Operationszonen zukünftiger Notstandsgebiete angeboten werden können: „Man setzt auf Personal, welches in der jeweiligen Region verwurzelt und beheimatet ist.“10 „Gepaart mit militärischer Ausbildung entsteht so ein wertvolles Bindeglied zwischen ziviler Verwaltung und Bundeswehr“, heißt es.11 Die enge, auch persönliche Bindung der zivilen und miltärischen Verantwortlichen gilt als wichtigstes Element der Zusammenarbeit. Der Bundeswehrbeauftragte für den Landkreis Bad Doberan in Mecklenburg-Vorpommern etwa, Oberstleutnant der Reserve Alfred Kohlenberger, im Hauptberuf Leiter des Straßenbauamtes Güstrow, „nutzt als BeaBwZMZ ebenfalls die persönlichen Kontakte in der Bewältigung der vielfältigen Schutzaufgaben“ und hält fest: „Durch das neue Vorgehen entstehen wertvolle Symbiosen …“12
1 Forschung für mehr zivile Sicherheit; www.bundesregierung.de 24.01.2007
2 s. dazu das Dossier Festung Europa
3 s. dazu Grenzenlose Sicherheit
4 Sicherheitsforschung – Forschung für die zivile Sicherheit; www.bmbf.de
5 Bundeswehr darf Einfluss auf zivile Sicherheitsforschung nehmen; Frankfurter Allgemeine Zeitung 25.01.2007
6 Wissenschaftsrat empfiehlt Integration von drei wehrtechnischen Instituten der FGAN in die Fraunhofer-Gesellschaft; www.wissenschaftsrat.de 29.01.2007. S. auch Synergieeffekte
7 Stellungnahme zur Neustrukturierung der Forschungsgesellschaft für Angewandte Naturwissenschaften e.V. (FGAN); www.wissenschaftsrat.de
[8, 9] Indienststellung der ersten Landeskommandos: Interview mit Vizeadmiral Wolfram Kühn; www.streitkraeftebasis.de. S. auch Zivil-Militärischer Wachstumsmarkt
10 Wir sind da, wenn wir gebraucht werden!; www.streitkraeftebasis.de 12.01.2007
[11, 12] Überzeugendes Konzept: Zivil-Militärische Zusammenarbeit macht Fortschritte; www.streitkraeftebasis.de
http://www.kommunisten-online.de/innen/angsst_vorm_volk.htm
Die beiden Reservisten aus Bad Doberan und Rostock – so sehen Experten aus!!