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23.03.2007

Offener Brief der Antifaschistischen Linken Berlin

Betreff: Taz vom 13.03.2007 „Fragen Sie die Gegenseite“

G8-Gipfel 2007: Der Protest hält sich nicht an die Straßenverkehrsorndung – Widerstand gegen den G8-Gipfel ist gerechtfertigt

/Wer muß um Verzeihung bitten, und wer kann sie gewähren?/
Subcomandante Marcos, 1994

Angesichts der zerstörerischen und für viele Menschen tödlichen Auswirkungen des globalen Kapitalismus hat sich rund um den Globus eine breite Bewegung gebildet, die die von den G8-Staaten gesetzten Spielregeln nicht länger anerkennt, den Dialog mit der illegitimen Institution G8 ablehnt und es laut hinaus schreit “Ya Basta”, es reicht! Die Bewegung lebt durch ihre Vielfalt, sie umfasst pazifistische Organisationen genauso wie militante Bewegungen, Reformisten wie Linksradikale, Single-Point-Issues genauso wie die Hoffnung auf eine grundlegende Umwälzung der Verhältnisse. Geeint wird die Bewegung lediglich durch die Einsicht, dass die Vielfältigkeit Grundbedingung ihrer Existenz ist, dass der eine ohne den anderen nicht kann, und durch den gemeinsamen Gegner, die kapitalistische Globalisierung.

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Einige Fakten* vorab:

- 68% der insgesamt für das Jahr 2005 geschätzten 1 Trilliarde US-Dollar für Militär-Ausgaben weltweit entfallen auf die G8-Staaten. Weniger als 1% der Gelder die jedes Jahr für Waffen ausgegeben werden, währen im Jahr 2000 benötigt worden, um jedem Kind den Schulbesuch zu ermöglichen.

- 0,13 % der Weltbevölkerung kontrolliert 25% des Reichtums. Die Hälfte der Menschheit – fast 3 Milliarden Menschen – lebt von weniger als 2 Dollar pro Tag

- 1960 hatten die 20% der Weltbevölkerung in den reichsten Ländern im Schnitt ein 30mal so hohes Einkommen wie die 20% in den ärmsten Ländern – 1997 war das Einkommen bereits 74mal so hoch. Ein paar hundert Millionäre haben soviel Vermögen wie die ärmsten 2,5 Milliarden Menschen

- Geschätzte 790 Millionen Menschen weltweit sind immer noch chronisch unterernährt

- Laut UNICEF sterben jeden Tag 30.000 Kinder unter 5 Jahren an den Folgen der Armut. Das sind 210.000 tote Kinder in der Woche oder 11 Millionen pro Jahr.

Die Auflistung ließe sich noch schier endlos erweitern. Die wenigen Beispiele sollen verdeutlichen, vor welchem Hintergrund die Frage, wer mit der Gewalt angefangen hat, behandelt werden muss. Die Gewalt ist nicht erst mit den zum Teil militanten Protesten gegen die Gipfel der G8 entstanden, sondern sie zieht sich durch die mehrere hundert Jahre andauernde koloniale Ausbeutung hindurch, die genau diese Staaten maßgeblich zu verantworten haben.
Allen Beteuerungen der G8 zum Trotz: Sie sind nicht die Lösung der Probleme, im Gegenteil: Ihre Politik steht ursächlich dafür. Die G8 bieten keine Alternative zu der zerstörerischen Ausbeutung von Mensch und Natur, keine Alternative zu dem permanenten Kriegen um Energie und Rohstoffquellen, keine Alternative zu Armut, Hunger und Zerstörung des globalen Südens und einer kommerziellen Konsumwelt des Nordens ? keine Alternative zum kapitalistischen Wirtschaften.

In der Ausgabe vom 05.02.2007 der Leipziger Volkszeitung erklärt Sabine Leidig, Geschäftsführerin von Attac Deutschland: “Sicherlich wird es auch ein paar Irrationale geben, die vielleicht nicht davon abzubringen sind, mit Farbbeuteln oder mal mit einem Pflasterstein zu werfen”

Wir sagen dazu: Irrational sind nicht die Proteste, zu denen die unterschiedlichsten Aktionsformen gehören. Irrational ist es, zu glauben, durch die Beschwörung der eigenen Harmlosigkeit sich “politikfähig” machen zu können, und so um ein Plätzchen am runden Tisch der Mächtigen zu betteln. Im Jahre 2007, 8 Jahre nach dem “Battle von Seattle” noch daran zu glauben, die Probleme und Widersprüche im Kapitalismus könnten auf dem Weg des Dialogs mit den G8 gelöst werden, wo sie uns doch Tag für Tag das Gegenteil vorführen, das ist irrational.

Attac-Sprecher Pedram Shahyar erklärt in der taz vom 17.03.2007, dass die nach Angaben des BKA bislang 72 verübten Straftaten der Mobilisierungsarbeit schaden würden.
Wir sagen dazu: Der Mobilisierung schaden nicht die von den Sicherheitsbehörden zu “Anschlägen” aufgebauschten Direkten Aktionen (bei denen es sich wohlgemerkt um symbolische Sachbeschädigungen handelt, es sind keine Menschen verletzt worden) oder “Krawallmacher”, die als Vorwand dienen, um eine riesige Polizei-Armada in Gang zu setzen, die Sicherheitsgesetze in Mecklenburg-Vorpommern zu verschärfen und die Gegend um Heiligendamm mit einem kilometerlangen Zaun einzuzäunen. Sie sind, auch wenn sie sich von unseren Aktionsformen unterscheiden, der laute Aufschrei der nötig ist, um sich im sensationslüsternen Medienmarkt gegenüber den Belanglosigkeiten der Christiansens, Pilawas, Kerners und wie sie sich sonst noch nennen Gehör zu verschaffen.

Diejenigen Organisationen, die sich bereits heute, mehr als zwei Monate vor Beginn der Protestaktionen in voraus eilendem Gehorsam von der Bewegung und ihren Akteuren distanzieren, wissen selbst nur zu gut, dass sie ohne die militanten Auseinandersetzungen anlässlich der Gipfel der vergangenen Jahre in Seattle, Prag, Göteborg und Genua nicht in ihrer jetzigen Form existieren würden, geschweige denn die mediale Aufmerksamkeit bekommen hätten, in der sie sich so gerne sonnen. Es würde ihnen gut anstehen, anstelle von Distanzierungen lieber auf ihr eigenes politisches Programm zu setzen.

Wer Gewaltfreiheit einfordern will, soll sie dort einfordern, wo die Gewalt ihren Ursprung nimmt: Bei den Verantwortlichen der G8-Staaten und ihrem Polizei- und Militärapparat.

mit freundlichen Grüßen
Antifaschistische Linke Berlin (A.L.B.)
(Die A.L.B. ist Teil der bundesweiten Struktur Interventionistische Linke)

Weitere Informationen zu den Protesten gegen den G8-Gipfel 2007:
www.antifa.de | www.g8-2007.de

Email: mail@antifa.de

  • Quelle: http://www.globalissues.org

[Antifaschistische Linke Berlin]


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