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07.03.2007

Ein Globus, viele Völker

Auch Rechtsextreme wollen gegen den G 8-Gipfel protestieren. Die Propaganda gegen die Globalisierung ist längst ein zentrales Motiv ihrer Ideologie. von jan langehein

In den siebziger Jahren schien das Verhältnis zwischen Neonazis und dem Kapital noch eindeutig zu sein: Der Staat beschütze sie, damit das Kapital sie im Zweifelsfall gegen aufbegehrende Arbeiter in Anschlag bringen könne, hieß eine weit verbreitete These in der Linken. »Hinter den Faschisten steht das Kapital«, lautet eine Parole, die teilweise bis heute auf Antifa-Demonstrationen zu hören ist. Dass die nationalsozialistische Ideologie auch Elemente eines kruden Antikapitalismus enthält, blieb der Linken lange verborgen oder wurde ignoriert.

In den neunziger Jahren taten viele die Beschäftigung der NPD und der so genannten Freien Kameradschaften mit der so genannten sozialen Frage als Propagandalüge ab, und dass die Rechtsextremen bereits vor Jahren den Kampf gegen die Globalisierung für sich entdeckt haben, halten manche linke Globalisierungsgegner schlicht für Populismus. So erscheint es ihnen auch jetzt einfach nur als Provokation, wenn rechtsextreme Globalisierungsgegner die mediale Wirkung der Proteste gegen den G 8-Gipfel in Heiligendamm im Juni nicht ihren linken Gegnern überlassen wollen, sondern selbst kräftig mitmischen.

Bereits für den 2. Juni, vier Tage bevor es in Hei­ligendamm richtig los geht, hat die NPD eine Demonstration in Schwerin angemeldet, und zwar unter dem Motto: »Nein zum G8-Gipfel! Für eine Welt freier Völker«. Die Veranstalter rechnen mit 1 500 Teilnehmern. Die Jungen Nationaldemokraten (JN) haben angekündigt, »ihren Protest zum G 8-Gipfel in Mecklenburg-Vorpommen durch gezielte Aktionen zum Ausdruck bringen« zu wollen. Insgesamt sollen Neonazis bisher vier Veranstaltungen gegen den Gipfel planen. Das teilte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei mit. Drei der Demonstrationen sollen von der NPD angemeldet worden sein, außerdem wollen Freie Kameradschafter den »G 8 2007 rocken«.

Die Propaganda gegen die G8 und die Globalisierung ist spätestens seit dem Irak-Krieg ein zentrales Moment der Nazi-Ideologie. Für die Rechtsex­tremen befindet sich der »judäo-amerikanische« Westen im Kampf mit den unterdrückten »autochthonen Völkern«. Linken Antiimperialisten nicht unähnlich, sprechen sich die Neonazis für die »Freiheit der Völker« und gegen eine Globalisierung aus, die sie als Ergebnis einer imperialistischen Außenpolitik der USA betrachten.

Die NPD sieht in der Antiglobalisierungs­bewegung auch einen völkischen Kampf gegen einen »wurzellosen« Kapitalismus. Die Jungen Nationaldemokraten in Sachsen haben dazu Mitte Februar einen Kongress veranstaltet. Das Thema lautete: »Damit der Wind sich dreht: Globalen Kapitalismus angreifen! Überall kämpfen Völker für die Freiheit der Nation!« Auch das Zentralorgan der NPD, die Deutsche Stimme, bereitet ihre Leser bereits auf den Gipfel in Heiligendamm vor. Im Januar war in dem Blatt zu lesen: »Seit Jahren müssen die G 8-Länder eine Politik verantworten, durch die sich die Lebensbedingungen der Völker in aller Welt kontinuierlich verschlechtern und die nicht zuletzt für die Wanderungsbewegungen von Armutsflüchtlingen aus aller Welt sorgt.«

Im ersten Moment mag die Sorge eines Neonazis um Flüchtlinge im Trikont verwundern, aber vom plumpen Rassismus der Schlägerfraktionen sind die intellektuellen und damit die für die Programmatik maßgeblichen Teile der Partei inzwischen ein wenig abgerückt. Zwar ist die NPD mit den Straßenbanden aus den »national befreiten Zonen« weiter untrennbar verwoben, in den Chefetagen pflegt man aber mit dem Ethnopluralismus eine wesentlich subtilere Form rassistischer und völkischer Gesinnung. Auch dieses Denken hat keinen Platz für Migranten, aber es stellt weniger die Überlegenheit einer »Rasse« in den Mittelpunkt als die These, dass jeder Einzelne über Blut und Kultur mit seiner Herkunft verbunden sei. So richtet sich die Ideologie der NPD auch weniger gegen »Minderwertige« als gegen die, die vermeintlich die Einheit und Abgeschlossenheit der Völker in Frage stellen: die »Globalisierer«.

Entsprechend hat man bei der Deutschen Stimme auch keine Berührungsängste mit einem Mann, der ganz und gar unarisch daherkommt und zudem noch eine Symbolfigur der linken Globalisierungsgegner ist: dem Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez. Die von ihm eingeleitete Verstaatlichung der Bodenschätze und das von ihm eingeführte System der Alimentierung der Armen aus den Erlösen von Ölverkäufen lobt die Deutsche Stimme als leuchtendes Vorbild für einen »nationalen Sozialismus«, wie er auch der NPD vorschwebe. Überall, auch im Nahen Osten, stehe Chávez mit seiner Politik mittlerweile für die »revolutionäre Kraft des Nationalismus«. Die Deutsche Stimme zitiert das Präsidiumsmitglied der NPD, Jürgen Gansel: »Während die Linken als pseudosoziale Reparaturarbeiter des Systems die Kapitalherrschaft noch absichern, strömt in der nationalen Opposition die alte antikapitalistische Sehnsucht des deutschen Volkes zusammen. Die eiserne Wirtschaftsmaxime des Nationalismus lautet: Das Kapital hat der Wirtschaft zu dienen und nicht umgekehrt.«

Die Nationaldemokraten seien die »einzige authentische Antiglobalisierungspartei«, das ist die Botschaft, die die NPD und die JN während des G 8-Gipfels vermitteln wollen. Gegen den »Globalismus« stellt der Parteivorsitzende Udo Voigt sein Konzept der »raumorientierten Wirtschaft«. Er beschreibt es so: »Dieses Gegenmodell ist aus der Einsicht heraus geboren, dass auf der globalen Ebene der Mega-Konzerne und der supranationalen Institutionen all jene institutionalisierten Formen sozial verantwortlicher und demokratisch kontrollierter politischer Macht fehlen, die notwendig wären, um den internationalen Konkurrenzkampf gegen seine Auswüchse abzuschirmen.«

Wie immer, wenn die NPD auf die Straße geht, werden auch rund um den G8-Gipfel Linke gegen sie demonstrieren. Viel weniger ausgemacht ist es aber, ob es bei den linken Globalisierungsgegnern auch eine Auseinandersetzung mit den eigenen Thesen geben wird. Diese aber wäre angebracht, wenn der NPD-Vorsitzende Erklärungen abgibt, die fast wörtlich auch von Attac oder vom Kirchenkreis gegen die neoliberale Globalisierung stammen könnten.

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