Nachträglicher (Foto-) Bericht zu den Aktionen beim NATO-Gipfel in Strasbourg
Dass es bei den Aktionen anlässlich des 60jährigen Bestehens der NATO zu massiven Polizeiübergriffen und sonstigen gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen ist, ist ja inzwischen bekannt. Weniger bekannt wurde, dass in Strasbourg trotzdem auch eine beeindruckende internationale Demonstration stattfand, über die die Medien kaum berichteten.
Bereits auf dem Weg zu dieser Demonstration durch die südlichen Vororte von Strasbourg zeigten uns die überwiegend migrantischen Bewohner dort viel Sympathie und Unterstützung. Wir wurden mit Lebensmitteln und Trinkbarem versorgt, Autofahrer hupten uns aufmunternd zu, und einige Anwohner schlossen sich spontan der sich bildenden Demonstration an.
Schien es zunächst, als ob die schwerbewaffnete Polizei selbst die ins fast menschenleere Hafenviertel verlegte Demonstration verhindern wollte, so formierte sich doch zusehends ein Demonstrationszug Richtung deutsch-französische Grenze (Europabrücke), der zunächst einmal Zwischenhalt auf einem Kundgebungsplatz am Rande des Hafenviertels machte. Noch während dort Reden verschiedener politischer Gruppen vorgetragen wurden, kam es plötzlich zu einem solch massiven Tränengaseinsatz der Polizei von der Demostrecke her, dass er sogar die Mehrzahl der Kundgebungsteilnehmer(innen) auf dem etwas abseits gelegenen Kundgebungsplatz zur Flucht veranlasste. Ungefähr zeitgleich wurden allem Anschein nach von mindestens einem Hubschrauber Tränengas- oder Blendschockgranaten direkt in das darunterliegende Stadtviertel (in dem das Ibis-Hotel bereits brannte) bzw. in die dort befindliche Menge geschossen (s. Foto). Die Richtung Süden fliehenden KungebungsteilnehmerInnen schlossen sich dann jedoch der sich neu formierenden Demonstration an, die sich zu einem entschlossenen und starken internationalen Aufmarsch entwickelte. Da die Polizei die Innenstadt hermetisch und martialisch abgeriegelt hatte, konnte jedoch auch dieser Demozug das Zentrum nicht erreichen.
DemonstrationsteilnehmerInnen berichteten, von Gummi- oder Kombinationsgeschosssen der Polizei am Kopf und an den Beinen verwundet worden zu sein. Auf der Straße konnte man Reste geschmolzenen Metalls (Aluminium?) sehen, die offenbar von solchen Geschossen stammten. Ein französischer Aktivist berichtete, dass während des NATO-Gipfels 55 der insgesamt 61 Divisionen der CRS nach Strasbourg verlegt worden seien, also rund 90 Prozent (!) dieser paramilitärisch organisierten „Polizei“- bzw. Aufstandsbekämpfungs-Spezialeinheiten aus ganz Frankreich. Daneben war auch noch Militär im Einsatz, welches u.a. ein größeres Areal am Rande der Innenstadt speziell für Flugabwehrgeschosse belegt hatte (s. Fotos). Ein Angehöriger solcher Spezialtruppen erklärte gegenüber einem Aktionsteilnehmer, sie seien die weite Strecke nach Strasbourg angereist, „um euch die Schädel zu zertrümmern“. Ganz generell agierte die Polizei äußerst willkürlich: Begründungen wurden anscheinend grundsätzlich nicht gegeben, und auf die Frage eines Teilnehmers, wo denn bei diesen Aktionen die Demokratie bleibe, wurde ihm gesagt: „Heute und morgen gibt es keine Demokratie“. Noch am Sonntagabend (also lange nach Abschluss der Aktionen) wurden KundgebungsteilnehmerInnen daran gehindert, wieder ins Camp zurückzukehren, und selbst Abreisende wurden nochmals nervenden Durchsuchungen (auch ihres Gepäcks) unterzogen. Dabei soll die Polizei auch gezielt Speicherkarten von Film- und Fotokameras konfisziert haben; Bescheinigungen über konfiszierte Gegenstände wurden nach einem anderen Bericht ebenfalls nicht ausgestellt.
EinwohnerInnen aus Strasbourg kommentierten diese Situation mit Empörung und Sarkasmus. Ein Straßburger meinte, Strasbourg sei eine tote Stadt („une ville morte“), alles sei verbarrikardiert, das Ganze sei äußerst undemokratisch. Er ärgerte sich besonders auch darüber, dass diese ganzen Maßnahmen mit Steuergeldern bezahlt wurden. Eine Straßburgerin meinte, auf ihre Einschätzung der Situation angesprochen, nur lakonisch. „DAS WAR MAL WIEDER EINE GUTE GELEGENHEIT FÜR DIE POLIZEI ZUM ÜBEN“.
Die gesamte Fotoserie seht ihr hier: http://www.flickr.com/photos/36881840@N06/sets/72157618712444697
Sie zeigt auch, dass Strasbourg in sozusagen homöopathischer Dosierung einen Eindruck des Kriegszustands vermittelte, der in Afghanistan, Irak usw. in ungleich schlimmerer Form den Alltag der dortigen Zivilbevölkerung darstellt.
Source: http://de.indymedia.org/2009/05/251722.shtml