One World - wo bleibt unser Widerstand?
Abschnitte: * Einige Überlegungen * Gegen den Weltwirtschaftsgipfel und das "500jährige Reich" * Unser Ausgangspunkt: * Freiheit für die revolutionären Gefangenen! Die Internationale erkämpft das Menschen Recht! * WWG und antirassistische Initiative * Internationale Diskussion?! * Gedanken aus der internationalen Diskussion *
EINIGE ÜBERLEGUNGEN
mit diesem text wollen wir einige gedanken zur diskussion stellen und zur "500 jahre WWG-mobilisierung" beitragen. wir haben versucht einige vorstellungen für ihren rahmen zu entwickeln, an denen wir uns überprüfen können und geprüft werden wollen. ausschnitte der bisherigen diskussion greifen wir auf und sagen unsere meinung dazu. darüber hinaus schneiden wir viele grundsätzliche fragen unserer politik an, von denen wir behaupten, daß sie nicht nur für die "500 jahre/WWG-mobilisierung" relevant sind. natürlich können wir sie nur ungenügend beantworten. auch müssen unsere überlegungen fragmentarisch bleiben angesichts von desorganisation und zersplitterter diskussion, von der wir teil sind. dies zu verändern liegt uns am herzen
mehr denn je geht es heute um eine neuzusammensetzung, eine neubestimmung. auch die mobilisierung gegen den weltwirtschaftsgipfel lebt davon, daß sich nicht erst in münchen an eine tiefergehende diskussion, reflexion, einschätzung und lösungsperspektiven herangemacht wird. wenn in den städten keine strukturen der kommunikation und vorbereitung entstehen und sich vernetzen, wird der - vielleicht trotzdem leistbare - massenhafte ansturm auf die münchner großdemo/aktionstage eine optische täuschung sein. umgekehrt heißt das natürlich nicht, daß außerhalb der WWG-mobilisierung keine strukturen etc. aufgebaut werden könnten.
wir setzen nicht darauf in dieser mobilisierung alle fragen der gesellschaftlichen radikalen veränderung und unserer praxis zu lösen. dieser fehler wurde in einmaligen mobilisierungen oft genug gemacht.
wir selbst denken oft auch in einer schematischen abfolge von schritten: die praxis kommt aus der diskussion, keine diskussion ohne praxis. können wir eine grundsätzliche aussprache, eine strategiediskussion zur voraussetzung machen, überhaupt initiativen zu ergreifen, die über den lokalen und/oder alltäglichen rahmen hinausgehen? wird nicht eh viel geredet und zuwenig gemacht? mühselige treffen, die mitunter stundenlang von dem einen widerspruch geprägt sind, daß dem einen teil die angst im nacken sitzt, ihre konkrete idee für eine aktion könne "zerredet" werden und dem anderen teil die wieder enttäuschte hoffnung vor augen ist, nur organisatorisch-technisch geredet zu haben. das, was an jedem ort von uns allen erfahrung ist, müssen wir uns immer wieder bewußt machen, um es zu ändern.
das hat sich eingefressen in abläufe, verhaltensweisen, (denk-)strukturen. es hat was mit ungeklärten voraussetzungen zu tun - mit der basis auf der wir uns treffen: aus verschiedensten diskussions- und praxisprozessen zu kommen, und nicht von allen und jeder gruppe zu wissen was sie macht, denkt und vorhat. wenn wir in diesen überlegungen (nicht nur) zur "500 jahre/WWG-mobilisierung" ein schwergewicht auf reflexion und diskussion legen, so nur deshalb, weil es uns auch als das schwerste erscheint. aber nicht, weil es uns ausschließlich darum geht.
wir haben fragen und ziele, die unabhängig von den terminkalendern der herrschenden sind, aber was die herrschenden treiben ist uns auch nicht egal.
wir spüren: es braucht eine veränderung, es braucht schritte von uns. wir können nicht warten. 1992 laufen verschiedene entwicklungsstränge zu einem schnittpunkt zusammen - und wir werden da sein müssen: mit überlegungen, vorschlägen und initiativen. der verlauf dieses jahres ist für uns auch eine bestandsaufnahme dafür, ob wir es als linke in der metropole - und besonders in der BRD - schaffen, aus unserer geschichte zu lernen. ob wir uns eine grundlage erarbeiten, um uns den heutigen herausforderungen überhaupt stellen können. entscheidend ist, daß wir anfangen.
die gesellschaftlichen und internationalen ausgangsbedingungen haben sich verändert. und so braucht auch unsere politik neue bestimmungen. eine neue kampfphase muß eröffnet werden.
ob wir eine neuzusammensetzung/organisierung schaffen, davon hängt ab, ob alle die 'unten' sind, ausgestoßen, nicht mehr verwertbar, ihren hass in ausbrüchen von ungezielter gewalt artikulieren, oder ihn gegen die verursacher richten. dem leben verschrieben, einen sinn entdecken.
die krise der linken, ihre stagnation, ergibt sich aus den spezifischen bedingungen in den jeweiligen ländern, und doch ist sie auch eine weltweite aufgrund der völlig neuen rahmenbedingungen. die gesellschaften in der metropole haben sich neu gestaltet, das imperialistische machtzentrum sich ausgeweitet. die entwicklung tendiert zu einer welt, in der unvereinbare realitäten nebeneinander existieren, die keine verbindung mehr zueinander haben: die realität des kapitalistischen systems, der gewinner, und die der völker, der marginalisierten massen, der verliererInnen.
die gesellschaften weltweit werden horizontal und vertikal auseinandergetrieben. die sozialen, kulturellen und politischen widersprüche wachsen proportional zur macht, die sich vom sozialen körper abgelöst hat, und polarisieren sich. die logik, interessen und die aggressivität der kapitalistischen eliten bestimmen den takt der aktuellen bewegung in politik, ökonomie, im sozialen und sind zunehmend eine dynamik von zerstörung, fäulnis und gewalt. diese gewalt prägt den menschen des 21. jahrhunderts und selbst in der gegenkultur zur herrschaft findet sie, teilweise viel potenzierter, ihren ausdruck. der markt treibt diese entwicklung als ganzes, und so ist jeder schritt des kapitals zugleich auch reaktion - ein krisenmanagement sozusagen - auf die von ihm selbst geschaffenen bedingungen. die folgen sind weltweit: chaos und zerfall.
aus dieser realität müssen wir unsere politischen und sozialen ziele neu setzen, formulieren und diese realität müssen wir verändern.
in den vergangenen jahren und jahrzehnten glaubten wir eindeutige antworten auf die frage zu haben "was ist revolutionäre politik?". wir haben das oft in 'politischen bestimmungen', 'linien', ableitungen aus analysen der objektiven entwicklung gepackt, oder an formen geredet. das war oft eindimensional und hat spätestens da seine brüchigkeit bewiesen, wo der inhalt unseres kampfes in all unseren handlungen, diskussionen, organisierung und beziehungen nicht mehr spürbar war.
da wurde nicht mehr zum ausgangspunkt genommen, wie wir uns vom dreck und der tödlichen mechanik der bürgerlichen gesellschaft befreien können und daß es um unser ureigenes leben geht. in unserem kampf war zwar die subjektive und gesellschaftliche dimension behauptet, tatsächlich jedoch ist sie in den hintergrund getreten. je länger wir 'dabei' waren, um so weniger spielte eine rolle, was individuell für jede und jeden von uns der grund war, warum sie oder er aufgestanden ist: alles, aber auch wirklich alles ganz anders zu wollen. die rationalisierungen dieser entwicklung wollen wir hier nicht aufzählen: alle müßten sie in irgendeiner form kennen - und sei es nur das banale "es geht nicht alles auf einmal".
wir denken, daß wir heute die frage "was ist revolutionäre politik?" wieder neu stellen müssen. in den antworten, d.h. in der praxis, muß mehr als nur der angriff auf die herrschenden verhältnisse enthalten sein. genauso auch die wiederaneignung des lebens. eine rückeroberung gestohlener, in konkurrenz- und warentauschbeziehungen erstickter subjektivität und ihre freisetzung in gesellschaftlicher organisierung.
alle politik ist tot, wenn sie nur den öffentlich-staatlichen raum meint. in der definition und auftrennung des lebens, des kampfes, der beziehungen in 'politisch' oder 'unpolitisch' bzw. 'privat', steckt letztlich nur der bürgerliche politikbegriff, der von der lohnarbeit, den sozialen beziehungen zwischen völkern, klassen und geschlechtern etc. losgelöste machtverhältnisse meint.
die zerrissenheit unserer lebensrealität, selbst im versuch gegen sie aufzustehen, die selbstentfremdung zu befreiungsperspektiven im zusammenleben, das herausnehmen aus den gesellschaftlichen widersprüchen usw. kommt darin nicht vor. auch wenn wir marx reduzieren, geht es uns darum "daß also die revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschende klasse auf keine andere weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die stürzende klasse nur in einer revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten dreck vom halse zu schaffen um zu einer neuen begründung der gesellschaft befähigt zu werden".
wir übersetzen das vorläufig noch immer mit: dem system der mehrwertproduktion in jeder gesellschaftlichen und privaten faser jeden meter kollektivität und menschlichkeit abringen, "ihnen eins auf die fresse geben", "das ist unser leben, unser land". und: im weltweiten system des imperialismus müssen wir hier der barbarei ein ende setzen.
GEGEN DEN WELTWIRTSCHAFTSGIPFEL UND DAS "500-JÄHRIGE REICH" !
der weltwirtschaftsgipfel findet statt in einem jahr, in dem sich zum 500.mal die eroberung des amerikanischen kontinents durch weiße, europäische kolonialisten jährt. pompöse festivals der herrenvölker wollen dieses ereignis feiern.
diese feiern verhöhnen nicht nur alle opfer der eurokolonialistischen sklaverei. das halbe jahrtausend kolonialgeschichte wird abgeschlossen mit dem vollendeten EG-binnenmarkt. daß diese beiden daten zusammenfallen ist konsequent. ohne die ausplünderung der 'neuen welt', hätte sich der kapitalismus in europa nicht in dem maße entwickeln können. das notwendige kapital haben die gold- und silberschiffe herübergeschafft. ohne die neokoloniale internationale weltwirtschaftsordnung, den ungleichen tausch, die niedriglohnproduktion in weltmarktfabriken, hätten die europäischen kapitalisten ihren vorsprung nicht halten und ausbauen können. 1992 feiert also nicht nur den erfolg dieser reichtumsproduktion; der zur schau getragene stolz dieser leistungen verkündet eine angestrebte perspektive: die nächsten fünfhundert jahre...
die indigenas rufen zum aufstand und generalstreik gegen das "500-jährige reich" auf.
und wir in den wohlstandsinseln dieser weltordnung?
vom 6. - 8. juli 92 treffen sich die chefs der sieben mächtigsten staaten zum weltwirtschaftsgipfel in münchen. in der kette der konferenzen, feiern, aber auch krisensitzungen ist der gipfel 1992 nur ein ereignis. er findet statt vor dem hintergrund eines halben jahrtausends kolonialistischer barbarei, auf der diese weltordnung basiert, dem aufstieg deutschlands zur großmacht, der errichtung des binnenmarktes, der politischen union europas und der auflösung des sowjetischen systems. in den institutionen wie auch auf der straße haben die rassisten und faschisten mut gefaßt. sexistische unterdrückung und gewalt nimmt zu. obdachlosigkeit und elend bestimmen immer mehr auch europas städte.
heute hat sich ein weltweites kapitalistisches marktwirtschaftssystem herausgebildet, das ebenso wie seine destruktiven folgen in der geschichte der menschheit ohne beispiel ist. ein neuer zeitabschnitt hat begonnen, und schon jetzt sind große teile unserer umwelt, der menschlichen lebensbedingungen zerstört oder irreparabel geschädigt.es gibt keine politische ordnung, die zu den international wirkenden kräften des kapitals paßt. es sei denn der weltstaat, den es aber aufgrund der inneren gesetze des kapitalismus nicht geben kann. das begrenzt bürgerliches krisenmanagement und produziert permanent neue konflikte. das betrifft die elendskolonien im süden genauso wie die metropolengesellschaften. das massaker des golfkrieges ist der brutalste ausdruck dieser entwicklung des letzten jahrzehnts.seuchen und hunger für millionen menschen in afrika, asien und lateinamerika, nationalistische bürgerkriege in osteuropa, folter, vertreibung und flucht überall auf der welt sind keine naturkatastrophen. solange die ursachen dieser entwicklung nicht beseitigt sind, also der kapitalismus abgeschafft ist - wird sich diese menschenfeindliche spirale nur verlängern. daran ändert weder bush's 'neue weltordnung' etwas, noch eine grüne/spd-konzeption des 'ökologischen umbaus', geschweige denn eine 'welttreuhand' oder die 'globale revolution' des club of rome.
in dieser politik erscheinen die menschen nur als problem, als maße die reguliert werden muß. und so sind diese 'lösungen' auch im kern totalitäre erziehungsprogramme in globaler dimension, steuerungssysteme diktatorischen zuschnitts, die zwar die probleme erkennen, sich aber lösungen nur in den kategorien von macht, herrschaft und unterdrückung vorstellen können. ihre kritik an der politik der industriegesellschaften schafft so letztlich auch nur weltweite rezepturen für die erhaltung der markt- und warenverhältnisse, die ökologische kriterien berücksichtigen, aber keine wirkliche soziale umwälzung wollen.
die könige der weltwirtschaft - und damit die herren der welt - in münchen mit protest und widerstand zu konfrontieren, ist eine möglichkeit dieser weltordnung unsere feindschaft zu erklären. in münchen soll es neben einer großdemonstration auch aktionstage und einen gegenkongreß geben. alles drei gehört für uns zusammen und bildet eine politische einheit. genauso wie die beiden mobilisierungen gegen den weltwirtschaftsgipfel und gegen die 500-jahr-feiern im oktober zusammen gehören. wir sehen darin die chance, mit menschen aus basis- und befreiungsprozessen des trikonts, osteuropas und den metropolen, ihre und unsere kampferfahrungen und perspektiven zu diskutieren und zusammen zu handeln. so können wir gemeinsam die wirklichkeit verstehen und sie verändern. das ist für uns der stärkste antrieb, uns an der mobilisierung zu beteiligen.
"wir müssen mit unseren fingernägeln
den sieg aus dem boden kratzen,
und nichts wird vergeben!"
(nazim hikmet)
UNSER AUSGANGSPUNKT:
die kapitalistische realität in der BRD wird immer mehr geprägt von der 'time is money'-mentalität bürokratischer eliten und der dumpfen brutalität des an boden gewinnenden straßenfaschismus. die radikalen linken scheinen wie in einer 'eigenen welt' zu leben, in einem vakuum und sind unfähig reale gesellschaftliche alternativen und vorschläge zu entwickeln. das große potential dafür im volk, das wissen und die kreativität für vernünftige lösungen konnte von staat und kapital immer wieder sinnentleert und in abgeschwächter form vermarktet werden. so z.b. die konkreten ansätze aus der anti-AKW-bewegung und dem zunehmenden umweltbewußtsein. heute gibt es corega-tabs mit der bio-formel und der 'bio-general' marschiert - demnächst als öko-polizei und 'grün-helm'?
ein großteil unserer aktivitäten beinhalten zur zeit keine soziale utopie, sie sind im kern meistens abwehrend. die in anti-rassistischer arbeit, in der aneignung von häusern und zentren, im gemeinsamen kampf mit den revolutionären gefangenen usw. aufblitzenden momente einer solidarischen, macht- und ausbeutungsfreien, sozialen und kulturellen identität sind alles andere als bruchlos. auch fehlt es an allen ecken und enden an einer politischen vorstellung und strategie der umwälzung der bestehenden verhältnisse.die brüche in dieser neuen, erkämpften identität führten oft zur aufgabe. ein grund ist für uns, daß es keinen umfassenden begriff der metropolenwirklichkeit gibt.
in der metropole ist die fabrikation von waren und ideologien bestimmend. die metropole gleicht einer totalen fabrik, in der die lebensverhältnisse aller menschen im umfassenden sinne dem akkumulations- und verwertungszwang, dem diktat des kapitals untergeordnet sind. aus dieser entwicklung geht die spezielle metropolengesellschaft hervor. in ihr sind die ausdehnung der produktion des relativen mehrwerts und die ausbildung der kapitalistischen lebensverhältnisse identisch: bedürfnis - konsum - ideologie; bewußtsein.
diese ausdehnung und durchdringung geht in alle gesellschaftlichen sphären: alles, jeder arbeits- und lernbereich, der raum und die zeit funktioniert für das kapital und schafft profit. schon im denken, fühlen, verhalten, handeln, kommunizieren - kurz: in bewußtsein und lebensweise, und wie es sich äußert - findet die reproduktion der kapitalistischen gesellschaft statt und läßt sie funktionieren.
der alltag, die zeit und die artikulation ist vom kapital total besetzt. aus der logik und dem mechanismus der warenproduktion gibt es kein entrinnen: ohne lohnarbeit ist die existenz schlicht unmöglich, es sei denn auf kosten anderer menschen. die bedürfnisse, pläne, hoffnungen, vorstellungen, die äußerungen sind selbst ergebnis der warenproduktion: der produktion von waren und bewußtsein.
das leben kann erst dahinter beginnen. 'außer sich' sind wir schon lange nicht mehr nur während der arbeit. zunehmend reicher an bedürfnissen und beziehungen können wir sie doch nicht befriedigen. der menschliche reichtum an kreativität, schöpferischer lust, wird den menschen in arbeit und leben und vorallem in der aufhebung dieser unterscheidung vom kapital entzogen und entleert. das macht uns den verhältnissen gegenüber fremd. diese leere und fremdheit äußert sich in widerstand, mehrheitlich aber in aphatie, unbegriffen immer als mythos über die gesellschaft 'gestern und heute', in krankheit, sucht, in selbstzerstörung oder zerstörung anderer.die einzige vermittlung des menschen zum vom kapital eroberten 24 stunden-tag, der zugang zur 'offiziellen welt', der welt des geldes und des marktes, ist seine kaufkraft. und die schwindet dahin. für immer mehr menschen wird so der zugang zur warenmäßigen bedürfnisbefriedigung immer mehr verwehrt. die ausdehnung gesellschaftlicher bedürfnisse und die zunehmende schwierigkeit der mehrheit sie zu befriedigen, ist ein die metropolen kennzeichnender widerspruch, genauso wie die anhäufung gesellschaftlichen reichtums in den metropolen und seine zerstörung.
das muß das 'innenleben' der menschen und ihr zusammenleben angreifen und deformieren.
befreiung, auch die ware-wert-strukturen in jeder und jedem selbst loszuwerden, kann kein einmaliger akt sein. deshalb ist die subjektive emanzipation genauso zentral wie die vernichtung der herrschaft. dadurch, daß dieses kampfterrain oft genug gar nicht begriffen wurde, z.b. erst sich selbst - innerlich befreit werden sollte - und dann als befreiter mensch die 'äußeren' verhältnisse ändern, oder letzteres als einzigstes angepeiltes ziel, waren die kampfprozesse oft äußerlich, oberflächlich, z.b. militaristisch oder im anderen sinne subjektivistisch - ausdruck der mangelnden tiefe des subjektiven befreiungsprozesses.
und doch sagen wir, wir alle tragen eine historische erinnerung der kämpfe in uns, die ausgewertet werden muß, um neue wege und strategien zu finden. die rasanten veränderungen betreffen alle emanzipatorischen und sozialen kämpfe, bewegungen und gruppen weltweit. wir in der metropole können für die rekonstruktion einer neuen menschlichkeit, einer revolutionären bewegung, die schluß macht mit dem weltweiten chaos des kapitalismus und der zerstörungen der lebensbedingungen, jede menge beitragen - und haben auch genau diese verantwortung.
wir müssen unsere erfahrungen dafür einsetzen, den horizont zu öffnen - auch wenn es nur einzelne frauen und männer bei uns gibt, die den ganzen kampfzyklus der letzten zwanzig jahre mitgestaltet und erlebt haben.
aus beiden momenten - unserer gegenwärtig geringen gesellschaftlichen relevanz einerseits, aber unseres möglichen potentials andererseits - ist jeder punkt und jeder versuch einer auseinandersetzung mit der eigenen geschichte und eine suche nach neuen wegen, wie es in einer 500-jahre/WWG-mobilisierung sein könnte, wichtig.
mögliches potential ist die große maße derjenigen menschen, die von den wohlstandsinseln nichts mehr haben. die ausgestoßenen, erniedrigten - diejenigen, die ihren unstillbaren hunger nach leben mit einer dosis 'H' zu stillen versuchen - alle, die in bewußter und unbewußter gegnerschaft zu diesem kapitalistischen un-sinn stehen. die zahl dieser menschen steigt, die widersprüche nehmen zu und äußern sich teilweise verdreht in brutalität gegen die schwächsten, im nationalchauvinismus oder gewaltexplosionen.
hier fehlen wir, die mit organisieren eine jahrelange erfahrung haben, die sich in die lage versetzen können, herauszufinden, was die wunde ist, auf die wir den finger legen müssen.
nach über zwanzig jahren revolutionären kampf (basisorientiert und/oder bewaffnet, spontan und/oder militant etc.) befinden wir uns in der BRD in einer wichtigen phase. die ganze welt hat sich verändert - und unser land ist nicht mehr das gleiche wie vor drei jahren. aber nicht allein daraus haben sich unsere bedingungen und notwendigen aufgaben verändert. die politische wirkung unserer kämpfe, aktionen und initiativen ist heute äußerst begrenzt; oberflächlich betrachtet scheint es so, als wären staat und gesellschaft gegen linke und fortschrittliche ideen und lösungen immunisiert. wir bewegen uns zu großteil mit initiativen und überlegungen in der erzwungenen, aber auch freiwilligen sozialen ausgrenzung - quasi in einem der vielen segmente oder gar nischen einer vielfach gespaltenen und zergliederten gesellschaft. wieviele von uns denken noch in kategorien von wegen und lösungen für die probleme der ganzen gesellschaft? zu solchem denken besteht bei vielen von uns eine große distanz. und wahrscheinlich ist es genau diese ent-fernung, die unsere begrenzte wirkung ausmacht.
zwangsläufig mußten sich darin aber auch die emanzipatorischen inhalte und ziele aus dem aufbruch der 60er jahre erschöpfen. sie wurden zerrieben oder platzten wie viele unserer hoffnungen aus massenhaften militanten bewegungen der 80er jahre. diese hoffnungen sind aber nicht greifbar geworden, weil sie sich nur durch praktische initiativen ausgedrückt haben, in denen die kämpfenden selbst viel zu wenig zu spüren waren.
es sind also nicht nur die mittel und formen des kampfes, die wir neu zusammensetzen müssen. an der militanz oder am bewaffneten kampf werden wir das nicht diskutieren. die methoden, mittel und formen des kampfes brauchen jeweils eine konkrete politische und soziale zweckbestimmung und nur die läßt eine diskussion über legitimität und bedeutung der mittel zu.
immer öfter und in verschiedenen bereichen, sei es zu den politischen gefangenen oder zu antifaschistischen aktionen, wird eine stimme laut, die die bewaffneten/militanten gruppen auffordert, den kampf einzustellen damit den herrschenden ein signal gegeben wird. auf dieses hin wird erwartet, daß sich von staatsseite her was ändert. dieses kuhhandel-denken ist beestimmt auch ein ausdruck der mangelnden gemeinsamen perspektive: der scheinbar einfachste weg. nur scheinbar, weil staat, regierung, kapitalismus ja nicht per se 'gut' sind und nur durch die herausforderung des revolutionären kampfes zu krassen maßnahmen greifen - sondern genau umgekehrt. außerdem: wenn der druck durch diesen kampf wegfällt brauchen sich die herrschenden vor gar nichts mehr in acht zu nehmen.
wir erschrecken darüber, daß in einem solchen denken das eigene nicht-weiter-wissen gegen genossen und genossinnen, gegen eine kämpferische haltung gedreht wird.
wir wollen die diskussion an erfahrungen 'unserer' geschichte, zu der auch der bewaffnete und militante kampf gehört aus ganz anderen gründen führen, als um ihn von vorneherein für gescheitert zu erklären und damit einen deal zu machen.
kein konzept irgendeiner fraktion der revolutionären linken, die aus der 60er-jahre-bewegung entstand, konnte mit einer allgemeinen gültigkeit überzeugen. die meisten hatten nicht mal diesen anspruch, weil sie an die spontane konjunktur der bewegungen gebunden blieben. in den 70ern scheiterte der dogmatische parteiaufbau genauso wie später die sponti- und alternativbewegung. in den 80ern liefen die 'teilbereichskämpfe' und autonome und antiimperialistische militanz leer.
in diesen jahren hatten trotz (oder gerade wegen) all ihrer brüche und neuorientierungen lediglich RAF und RZ politisch-organisatorische kontinuität. das stellt eine verbindung von allen phasen und etappen zu heute her und macht die bedeutung ihrer kampferfahrungen für die diskussion aus. auch mit ihnen, wie mit den revolutionären gefangenen, werden wir um neue wege ringen müssen.
insgesamt sind es viele fragen - des militanten kampfes, anti-rassistischer und antisexistischer bewegung, internationalistischer solidarität... fragen, auch um die richtige entwicklung und verbindung von revolutionärer organisierung und organisierung von kämpfen für unmittelbare interessen und bedürfnisse der menschen herauszufinden. das betrifft alle bereiche und spektren der linken.
nicht nur die radikale und revolutionäre linke steht zersplittert da. hunderttausende und millionen menschen, die außerhalb des (profit-)produktiven kerns der bürgerlichen gesellschaft stehen ('2/3-gesellschaft oder mit welchen begriffen auch immer belegt), aber auch diejenigen, die innerhalb leben und erhebliche widersprüche haben und vieles ganz anders wollen, sind vereinzelt. es gibt keine sozialen und politischen organismen, in denen gemeinschaftliches leben stattfindet und die ihren protest und widerstand ausdrücken können. viel bewußter als bisher werden wir über die entwicklung von 'volksorganisationen', 'basiskomitees' o.ä. nachdenken müssen, mit denen wir für unsere forderungen kämpfen können.
mehr denn je müssen wir uns mit der sozialen dimension unserer politik auseinandersetzen. die atomisierung und zergliederung der gesellschaft bestimmt nicht nur die objektive lage, sondern vorallem auch uns selbst. ohne dagegen uns kraft zu geben, brennt alles aus, erschöpft sich zwangsläufig im wehren, im anrennen gegen die bestehenden verhältnisse, ohne daß neue soziale entwicklungsräume entstehen.
sich als revolutionäre linke in dieser aufspaltung und zerstörung der sozialen und kulturellen beziehungen der menschen gesellschaftlich neu zu bestimmen und durchzusetzen bedeutet immer auch für sich selbst eine soziale identität aufzubauen und zu entwickeln.
heute ist die wirkung der kapitalistischen herrschaft der versuch, das mensch-sein an sich zu deformieren. zurechtgestutzt in die computergerechte welt, gewohnt zu funktionieren, abgestumpft oder hochgestylt - es ist eine seite der gleichen medaille. armut trostlosigkeit und brutalität und yuppisierung, verschwendung und künstliche ersatz-befriedigung - so sind die bevölkerungen der metropole ende des 21. jahrhunderts. menschliche fähigkeiten, gemeinsam sein leben zu organisieren (kein single-dasein), phantasie (nicht: horrorvideos) und reale kommunikation ( nicht: bedienung eines computers, btx-geräts und game-boys) usw. verkümmern immer mehr. auch wir aus der radikalen linken spüren, daß der druck zunimmt. unsere organisierung war und ist keine insel, viel zu sehr ist sie noch verwoben mit der alltäglichkeit im kapitalismus, nur mit anderen vorzeichen.
auch an uns geht die polarisierung der gesellschaft nicht spurlos vorbei. in diesem pulverfaß ist es existenziell, uns als menschen an- und miteinander zu entwickeln. also kollektive prozesse, die nicht nur gegen die macht vorgehen, sondern die schöpferische produktivität des menschen freilegen und schützen. aus dem sumpf des eigenen ghettos können keine gesellschaftlichen offensiven entwickelt werden.
wir werden viel lernen und diskutieren müssen. in der (west-)deutschen linken wird diskutieren und kämpfen oft getrennt gedacht - so getrennt wie leben und kämpfen. diskussion lebt von worten und handlungen, die aus kämpferischen initiativen kommen.die einforderung einer ohne praktischen ausdruck überlegten grundsatz- und strategiedebatte, genauso wie die gegenüberstellung von 'arbeit vor ort' (z.b. in antirassistischer praxis) und überregionaler, gar internationaler diskussion und initiative, können wir nicht verstehen. wir wollen nicht eins gegen das andere stellen, sondern eine verbindung suchen. denn ohne weitergehende perspektive wird auch jede konkrete anti-rassistische arbeit versiegen.
ja, es stimmt wie der münchener arbeitskreis gegen den WWG sagt, daß sich die revolutionäre linke im zuge der veränderten situation fragen stellen muß. aber es stimmt nicht, daß die objektive situation allein den zustand der linken ausmacht. da werden einfach all die subjektiven fragen nach organisierung, erfahrungen, niederlagen, unserer zähigkeit links liegengelassen. die verschiedenen kampfphasen und warum die restlinke heute fast ohne gesellschaftliche bedeutung ist wird nicht einmal erwähnt. insofern stimmt die kritik, daß es ein ökonomistischer blick auf die macht ist.
es wird von einem "revolutionären widerstand" gesprochen, dessen sache die mobilisierung gegen den WWG sein müsse. wir gehen dagegen gerade von der nichtexistenz eines revolutionären widerstands aus. das machen wir weniger - oder nicht allein - am erscheinungsbild (zersetzungstendenzen, desorganisierung, sprachlosigkeit) der linksradikalen 'szene' fest. für uns ist die phase antimperialistischen und autonomen (=revolutionären) widerstandes, der aus den kämpfen gegen NATO-hochrüstung, AKWs, startbahn, häuserbewegung entstand, abgeschlossen. dieser widerstand hat sich leergelaufen und seine emanzipatorischen inhalte zersetzt. das hat sich auch organisatorisch niedergeschlagen: weder die front- noch autonome organsierung und vernetzung haben sich halten können; auch durch repression, aber vorallem durch inneren verschleiß.
die diskussionen um perspektiven des kampfes sind kaum geführt worden - und wenn, sind sie nicht eingeflossen in die verschiedenen bewegungen. diese erfahrungen unserer geschichte waren bisher nur in wenigen versuchen bestandteil in den auseinandersetzungen. die 'niederlage' wurde nur als subjektive unfähigkeit einzelner gruppen und initiativen verstanden - noch mehr aber als individuelles versagen.
die gründe liegen auch darin, die internationalen und gesellschaftlichen umbrüche mitte der 80er jahre ('wende' in den metropolen - einkreisung der befreiungskämpfe im trikont - hochrüstungsieg über die sowjetunion) nicht gesehen bzw. die politischen linien dieser entwicklung nicht angepaßt zu haben. auch wurden organsierungs- und kampfformen einer bestimmten phase über ihr ende hinaus verlängert. das war durchgängig bei allen linksradikalen fraktionen so, ohne daß ihre jeweilige zweckbestimmung, ihr inhalt, ihre ziele noch immer zu erkennen waren.
z.b. zentren, die als orte der gesellschaftlichen selbstorganisierung konzipiert waren und soziale aufgaben erfüllen sollten, sind zu alternativen discos oder linksradikalen quasi-parteibüros geworden. voküs wurden szene-suppenküchen, weil eine 'richtige' volksküche zwangsläufig zu einem brennpunkt aller 'sozialfälle' würde usw. wir können das an allen formen von organsierung und praxis sagen, weil wir teil dieser entwicklung waren.
die chance einer qualitativen veränderung, unseren blick zu erweitern, nämlich die wiederaneignung revolutionärer initiative durch kollektive überschreitung der als grenzen feststellbaren ziel-, begriffs- und bestimmungshorizonte der einzelnen fraktionen - diese chance war objektiv im hungerstreik '89 gegeben. alle gruppen haben gespürt, daß ihre eigenen konzepte an grenzen gestoßen sind und versuchten in dieser mobilisierung zusammenzugehen. daß es am ende dieser zeit immer weniger gemeinsame schritte und dann auch keinen weiteren weg gab, lag daran, daß wir alle ihn nicht bewußt gesucht haben.
heute ist die entwicklung darüber hinweggegangen und der faden, an dem wir von 'vor 1989' anknüpfen könnten, ist gerissen. das bedeutet einen kontinuitätsbruch, wie wir ihn auch an dem fast immer gleichbleibenden alter der 'szene' sehen können. von diesem kontinuitätsbruch gehen wir aus. jede verlängerung macht den leichnam einer politischen entwicklung zum stinkenden kadaver, der die gedanken verpestet.
wenn, dann geht es um den begriff antiimperialistischen und autonomen widerstandes als teil der geschichte des befreiungskampfes in der metropole BRD - und so herum um eine neubestimmung, gemeinsam mit anderen, die vor der gleichen aufgabe stehen. diese "krise der militanten" (organisierten linken) ist keine deutsche erscheinung, sondern international. das schafft auch eine bedingung für eine gemeinsame internationale diskussion aller kräfte, die um befreiungsperspektiven kämpfen.
FREIHEIT FÜR DIE REVOLUTIONÄREN GEFANGENEN!
DIE INTERNATIONALE ERKÄMPFT DAS MENSCHENRECHT!
im rahmen dieser diskussion um neue befreiungsperspektiven müssen wir programmatische punkte festlegen. dazu gehört die freiheit aller revolutionären gefangenen aus widerstandsprozessen weltweit genauso wie eine neue kampfphase gegen folter und ausbeutung, für das menschenrecht auf nahrung, arbeit, wohnung und ein soziales, kulturelles leben in würde und selbstbestimmung.
letzten endes geht es auch darum einen begriff wie 'demokratie' neu zu bestimmen. über unsere erfahrung mit dem bürgerlichen parlamentarismus westlich-kapitalistischer prägung können wir reden. diese erfahrung sind auch wichtig angesichts einer entwicklung wie z.b. in teilen afrikas, die die pluralistische demokratie, nach der langen geschichte autoritärer herrschaftsformen als fortschritt sehen. in lateinamerika wurde der begriff 'demokratischer sozialismus' neu geformt, um einen eigenen weg jenseits des (ehemals) 'real existierenden sozialismus', aber auch der sozialdemokratie, erst recht aber des kapitalismus zu kennzeichnen.
warum fordern so viele bewegungen die einhaltung und garantie demokratischer rechte, während wir mit diesem begriff scheinbar nichts anfangen können?
darüber zu reden heißt für uns unabdingbar, vor allem auch über die verletzungen der menschenrechte in den reichen industrieländern selbst zu reden. über den kampf der revolutionären gefangenen in den knästen europas wie über isolationsfolter, über den folterexport, über polizei-, militär- und counterinsurgency-technologien, über waffenhilfe und ausbildungsprogramme für die herrschenden machtcliquen im trikont. müssen wir nicht angesichts der jahrzehntelangen propagandakampagne der imperialistischen staaten, von der KSZE in europa bis zu den golfkriegs-resolutionen in der UNO anfangen, unseren begriff von demokratie und menschenrechten zu bestimmen? sind nicht wir in wahrheit die 'demokratische mehrheit', die weltweit 3/4 der menschheit repräsentiert?
wir sind froh darüber, daß von der münchener initiative aus von anfang an auch der versuch steht, die gefangenen aus RAF und widerstand in die diskussion einzubeziehen.die gefangenen selbst drängen auf ihre teilnahme an gesellschaftlicher diskussion. sie haben das ihr politisches projekt genannt, das über die zusammenlegung hinausgeht und damit eine frage angesprochen, die alle angeht: aus allen organisationen, politischen ansätzen und bewegungen, aus den erfahrungen aller vorhergehenden kämpfe ist die begrenztheit der analyse und vorstellung erkennbar. das zirkelwesen, das denken in politischen einspurbahnen sind das gegenstück zur entfremdung in der gesellschaft.
aber es wird keine umfassende diskussion mit den gefangenen geben, solange die vom staat gesetzten bedingungen nicht geändert werden. die zusammenlegung und zensurfreie kommunikation sind dafür eine bedingung. gleichzeitig kann eine diskussion nicht nur daraus bestehen, ihnen aufrufe und flugblätter zu schicken.
unter diskussion verstehen wir eine kollektive auseinandersetzung zwischen gruppen, sich zusammenschließenden, sich organisierenden menschen. die gefangenen brauchen dazu ihre zusammenlegung. und wir? reden wir nicht über die 'breite', die 'reformistischen teile der linken', die 'gesellschaftlichen kräfte' oder andere abstraktionen mehr. solange wir uns nicht zu verbindlichen kollektiven zusammenschließen, bleibt die forderung einer offenen politischen auseinandersetzung nur eine gutgemeinte formel. ohne diesen prozeß bleiben die einzelnen frauen und männer von uns, die mit den gefangenen diskutieren, auch sich selbst zurückgeworfen.
wir wollen eine internationale diskussion, die sich die freiheit der revolutionären gefangenen weltweit zu einem der ziele setzt. wir geben der frage der menschenrechte und der situation politischer gefangener in der 'neuen weltordnung' eine zentrale bedeutung, die alle länder und völker betrifft. von der internationalen diskussion versprechen wir uns auch, daß klar wird, daß die ebene der menschenrechte und der schutz der politischen gefangenen von revolutionärInnen neu erkämpft werden muß.
war es in den 70er jahren möglich, demokratische rechte einzufordern, z.b. auch an bürgerliche gremien und standpunkte zu appellieren, markiert diese zeit zugleich auch den einschnitt. der staatsapparat setzte damals die wesentlichen linien der inneren kriegführung gegen revolutionärInnen durch ('modell deutschland für europa'). in dieser entwicklung haben sich bürgerliche rechtstaatsillusionen aufgelöst. dagegen sind durch die politische wirkung des antikolonialen befreiungskampfes und der 'nationalbefreiten' staaten rechte der menschenwürde und selbstbestimmung in internationalen gremien anerkannt worden. so z.b. in den zusatzprotokollen zur genfer konvention 1977. für die gefangenen aus der guerilla bildete das einen bezugspunkt, weil es kriegsgefangene unter schutz stellte. dagegen gelang es dann später nicht mehr, die veränderte klassenkampfrealtität der 80er jahre (soziale bewegungen, massenmilitanz, ansatz der politischen und organisatorischen front...) und daß viele genossinnen und genossen aus dem widerstand eingeknastet wurden, in einem völkerrechtlich begründeten widerstandsrecht zu fassen.
wer soll heute für die menschenrechte eintreten, wenn nicht wir? die UNO segnet imperialistische kriege wie den am golf an, und auf der anderen seite sind traditionelle menschenrechtsgruppen weitgehend von der bildfläche verschwunden. die rückeroberung ist keine nationale angelegenheit. daraus können aber wiederum auch neue politische voraussetzungen entstehen, für die zusammenlegung und die freiheit der politischen gefangenen in der BRD. es braucht diese neuen voraussetzungen, weil die anstrengungen in diese richtung seit dem letzten hungerstreik ins leere griffen, was aber nicht heißt, daß sie nutzlos waren.unsere politische sprachlosigkeit der vergangenen drei jahre ist ein grund dafür, daß der apparat heute in der frage der politischen gefangenen die öffentliche begriffsgewalt hat. das zeigt sich auch jetzt an der diskussion um die mögliche freilassung einiger gefangener. als 'versöhnung' wird hochstilisiert, was durch den jahrelangen widerstand der gefangenen und der mobilisierungen auf die tagesordnung gesetzt wurde: nach 20 jahren muß schluß sein mit der isolationshaft, trakten, der zensur, sondergesetzen und staatsschutztribunalen. es braucht eine politische lösung: die gefangenen müssen raus! alle! bedingungslos, ohne gesinnungsprüfung, ohne 'abschwören'. dazu müssen wir uns einmischen und genau das wollen wir auch im rahmen der 500 jahre/WWG-mobilisierung tun.
WWG UND ANTIRASSISTISCHE INITIATIVE
wir leben in bürgerlichen klassenstaaten. diese hierachische trennung zwischen denjenigen, die den reichtum schaffen und denjenigen, die über ihn verfügen, setzt sich international fort in der spaltung der welt in reiche und arme länder usw. aber quer zu dieser horizontalen gesellschaftlichen (und gleichzeitig globalen) spaltung verlaufen vertikale bruchlinien. teils sind sie älter als kolonialistische und kapitalistische ausbeutung - so die patriarchale unterdrückung und sexistische ausbeutung. für erhalt und ständige reproduktion dieser weltordnung haben sie den gleichen stellenwert wie der widerspruch zwischen lohnarbeit und kapital. es ist lang genug versucht worden, diese verschiedenen grundsätzlichen widersprüche in ein hierachiemodell einzupassen. rassistische gewalt oder die unterwerfung und ausbeutung der frauen läßt sich nicht allein von der ökonomie und der macht her erklären.
wir brauchen eine andere vorstellung von der welt. viele auseinandersetzungen sind geprägt von der permanenten verwechselung von ziel/inhalt/thema. patriarchat/antipatriarchaler kampf, rassismus/antirassistischer kampf werden meist als themen und analyse gehandhabt, als inhaltliche punkte, die es zu beschreiben gilt. aber kaum als prozeß der eigenen veränderung, den wir aufbauen.
wir finden es wichtig, diese schwierigkeit als eine ausgangsbedingung überhaupt, die sich auch durch die 500 jahre/WWG-mobilisierung ziehen wird, festzuhalten und zu erkennen. wir sagen das nicht als rechtfertigung oder um alles beim alten zu lassen, sondern weil die frage ist, wie wir bzw. die männer - den eigenen sexismus und genauso wir alle - den eigenen rassismus im kampf loswerden können.
es geht nicht, die subjektive seite über die antipatriarchale analyse zu entwickeln. auch wenn früher diese eigene veränderung oft als nebenwiderspruch abgetan wurde, geht es nicht, heute ins gegenteil zu verfallen: nichts mehr anfangen zu wollen, ohne vorher den eigenen sexismus und rassismus über bord geworfen zu haben. denn das funktioniert nicht. dann werden wir uns noch ewig darin suhlen, weil ohne einheit von eigener veränderung und kampf nichts gebrochen wird.
wir erkennen, daß die unterschiedlichen stränge der spaltung, unterdrückung und ausbeutung der mehrheit der menschen ein widersprüchliches ganzes bilden - das der weißen imperialistischen HERRschaft erst ihre gewalt und festigkeit verleiht. genauso wie auch die rassistische und sexistische metropolengesellschaft, in der alles zur ware wird, in der kapitalistischen besitzergreifung jeder lebensäußerung ihre ganze brutalität entfaltet.
wir werden in den nächsten monaten und jahren eine bewegung aufbauen müssen, die sich zum ziel setzt, damit schluß zu machen. angesichts der alltäglichen sexistischen und rassistischen gewalt auf den straßen und in den häusern deutschlands täuscht jede andere politik über die realen verhältnisse hinweg.
der massiver zulauf, den faschistische gruppierungen verzeichnen, wird wahrscheinlich kein vorübergehendes phänomen sein. starke autoritäre und rassistische denk- und verhaltensstrukturen prägen die gesellschaft. sie sind uns im alltag ständig gegenwärtig. sie sind mehr als kleister im kopf, sie sind eher der zement, aus dem nicht nur die bonner betonköpfe gemacht sind. so machen die rechtsradikalen straßentrupps letztlich lärmend und schlagend das, was sich sowohl die rassisten zu hause vorm fernseher wünschen, als auch offizielle politik der bundesregierung ist.
vor dem hintergrund des beschriebenen gesellschaftlichen grundkonsens sind überall autoritäre lösungen im gespräch. der zusammenbruch des staatssozialistischen systems hat der 'konservativen wende' in westeuropa neuen aufschwung gegeben.
die überfälle auf die heime und lager sind die zu ende gedachte staatliche asylpolitik. wer 15 jahre lang eine rassistische propaganda macht, abfang- und abschiebeaktionen organisiert, lager unter bedingungen einrichtet, die bewußt abschrecken sollen... usw, weiß natürlich, daß er damit einen freibrief ausstellt. der rassistische grundkonsens reicht aber weiter als die 'ausländerfeindlichkeit'. in den dazu alternativen konzepten einer 'multikulturellen gesellschaft' ist er genauso enthalten, als versucht wird, die für die deutsche gesellschaft verwertbaren kulturellen ausdrücke anderer völker (vom essen bis zur kunst) und ihre arbeitskraft zu vereinnahmen. das ist die ideologische begleitmusik des 'braindrain', des abzug der intelligenz der trikontvölker in den metropolen und z.b. in ihre forschungsinstitutionen.
für unseren widerstand dagegen brauchen wir was anderes als den fürsorgerischen gestus aus unserer priveligisierung heraus. in der 500 jahre/WWG-mobilisierung läuft wie in allen initiativen eine widerspruchslinie am 'männlich-weißen normalfall' und der stufenleiter gesellschaftlicher unterdrückungsverhältnisse. die frage ist, ob wir sie verdecken, voneinander abspalten - oder sie zu einem ausgangspunkt machen.
wir wollen in einem solchen land nicht leben, in dem menschen aus anderen ländern wegen ihrer hautfarbe, sprache... angst vor mord und toschlag haben müssen, von der tagtäglichen entwürdigung ganz zu schweigen. wir wollen genauso wenig in einem solchen land leben, in dem wir frauen tag für tag gegen die verletzung unserer würde bis hin zur permanenten androhung von mord ankämpfen müssen. in den auswirkungen auf die einzelnen menschen sind sich rassismus und sexismus/patriarchat sehr nahe - in dem wie wir diese gewalt bekämpfen noch lange nicht. wir können uns nicht aussuchen, ob wir dagegen kämpfen oder nicht. entweder wir tun das, oder alles andere was wir versuchen zu entwickeln - befreiungs- und zukunfsperspektiven - zerschellt an der realität. so lange wir ein (irgendein) gewaltverhältnis akzeptieren, werden wir davon auch immer wieder eingeholt werden. das heißt, in diesen kämpfen geht es schlicht um die voraussetzungen zum leben! so lange 3/4 der menschheit um seine existenz fürchten muß, ist es unsere aufgabe mit allen gemeinsam diese voraussetzungen zu schaffen.
INTERNATIONALE DISKUSSION?!
ohne uns und die realen möglichkeiten zu überschätzen, wolen wir einen faden internationalistischer politik wieder neu knüpfen, der sich oft episodenhaft und gebrochen, ideologisiert und auch in seiner ausrichtung eindimensional durch die jahrzehntelange geschichte internationaler solidarität aus den metropolen und besonders der BRD zieht.
weltweit verschärft sich die lage der menschen zunehmend, fast alle lösungsansätze, die befreiungsbewegungen entworfen haben, sind in einer sackgasse gelandet. es gibt jahrelange volkskriege und -kämpfe, die die völker auszehren, ihnen weder verbesserungen ihrer lebensbedingungen noch langfristig eine hoffnung auf frieden geben.
"um diesen kampf zu bestehen und erfolgreich fortzusetzen, sehen wir die öffnung von notwendigen luftröhren in die übrige welt als lebensnotwendig an. um zu verhindern, daß sie uns ersticken, ist die solidarität, die vernetzung und diskussion der kämpfe auf der ganzen welt für uns von immenser bedeutung". (ERNK-Kurdistan)
im rahmen der initiativen des jahres '92 besteht die chance, diesen diskussionseinstieg auf breiter basis zu vollziehen. unabhängig davon, ob wir es schaffen, alles auf einem kongreß zu bündeln, bleibt die grundsätzliche notwendigkeit bestehen. so oder so muß diese diskussion erkämpft werden.
wir werden sicherlich in den tagen in münchen nur einen bruchteil aller fragen, die uns und den genossinnen und genossen aus anderen ländern wichtig sind, anschneiden können. mehr als eine grobe skizze der verschiedenen einschätzungen und erfahrungen wird es nicht sein können. wir dürfen uns da nicht zu viel vornehmen, oder denken, alles in einem anlauf schaffen zu können. es wird ein prozeß sein, der nur in zeitabschnitten von jahren oder vielleicht jahrzehnten zu fassen ist. entscheidend ist, daß wir ihn von hier aus beginnen.
vielleicht wird das für uns auch ein anfang sein, damit der informationsfluß nicht immer in seiner grundsätzlichen ausrichtung vom süden nach norden, aus dem trikont in die metropole fließt. es gibt kaum einen kampf, eine nationale befreiungsbewegung, über die nicht in einer der vielen solidaritätszeitschriften und info-blätter irgendetwas zu lesen ist. die kommuniques der FMLN können schnell in deutscher sprache gelesen werden, es gibt viele bücher über ihren kampf. aber können texte, einschätzungen und flugblätter von uns zum beispiel in lateinamerika gelesen werden das ist nicht nur eine frage von reichtum und armut, von möglichkeiten, texte zu drucken und zu verbreiten. es ist auch eine frage der politischen beziehungen in den strukturen der solidarität, wem was wichtig ist und warum.
spätestens jetzt, nach dem krieg am golf und dem zusammenbruch im osten, der blutigen materiellen grenzen angesichts des 'one world'-kapitalismus für alle emanzipatorischen kämpfe im trikont, müssen wir anfangen, um gemeinsame lösungsvorstellungen zu kämpfen. es geht nicht mehr nur um solidarität mit anderen, sondern es muß überall um hier wie dort gehen. immer wieder kommen genossen und genossinnen aus dem trikont in die metropolen, um mit uns über ihren kampf, ihre probleme und lösungsansätze zu reden., aber wieviele von uns haben bisher rundreisen durch andere länder, auch im süden, gemacht und von uns und unserem kampf erzählt.?
in gesprächen und papieren der jüngsten zeit, auch im zusammenhang mit der WWW-mobilisierung, taucht regelmäßig eine vermutung auf, die wir nicht nachvollziehen können: internationale diskussion als ersatz für verankerung in der sozialen wirklichkeit der metropole. vielmehr die trennung ist der widerspruch, weil wir die metropolenwirklichkeit nicht erfassen und bewegen können, ohne sie in beziehung zu setzen zu den entwicklungen in der welt. umgekehrt "verstehen wir die welt nicht mehr", wenn wir unsere spezifischen bedingungen in der BRD zum maßstab nehmen.
das reicht nicht.
internationale diskussion ist kein umweg oder ersatz; aber ohne sie kann auch nichts klarer werden. blind gelingt es nur dem maulwurf alles zu untergraben, uns jedoch nicht. die erfahrungen aus kampfprozessen in anderen teilen der welt - nicht statt, sondern um unsere eigenen als geschichte des widerstandes rekonstruieren und verallgemeinern zu können.
überhaupt...: kampferfahrungen, wo sie nicht in gemeinsamen anstrengungen politisch begriffen werden, ist es so als wenn es die kämpfe gar nicht gegeben hätte. sie begegnen uns als persönliche geschichte, als biografische bemerkung einer person - aber nie als kollektiver politischer begriff.
eine internationale diskussion wird nicht stattfinden, wenn die revolutionärInnen nichts zu sich, ihrer politik sagen. die grenzen revolutionärer politik sind nicht nur auf die metropolen beschränkt, und sie zu durchbrechen wird auch nur in einer gemeinsamen internationalen anstrengung gehen. dafür müssen wir von unserer lage im eigenen land ausgehen.
Die Welt verstehen,
um uns und sie zu verändern.
GEDANKEN AUS DER INTERNATIONALEN DISKUSSION
zahlreiche genossinnen und genossen aus anderen ländern und kontinenten waren im vergangenen jahr zu besuch bei uns. aus mittel- und lateinamerika, puerto rico und den USA, aus dem arabischen raum und kurdistan... sie haben auf veranstaltungen geredet und gespräche im kleinen kreis gesucht.
wir haben von ihnen wichtige anregungen erhalten. obwohl wir hier leben und den zusammenbruch der osteuropäischen staaten näher erleben konnten, scheint es so, daß den genossinnen und genossen die einschneidenden folgen viel bewußter sind als uns. viele ihrer fragen zielten darauf: wie begreifen wir die ursachen und auswirkungen des falls der mauer? wie den aufstieg deutschlands zur großmacht? wie die bedeutung der EG-supermacht? und was tun wir dagegen?
in den gesprächen gaben sie uns und unserem kampf eine bedeutung auch für sie und ihre ländern, die nur unzureichend in dem alten satz von che gefaßt ist: "im herzen der bestie".
sie sagten uns aber auch ein paar sätze gegen die selbstüberschätzung. wir würden uns täuschen, wenn wir glauben, die sozialen und antiimperialistischen bewegungen in den metropolen könnten allein den kampf gegen die bestie bestehen. der antiimperialistische kampf ist ein weltweiter prozeß. "die welt ist aber größer als die nordhalbkugel".
vorallem spürten wir ihr riesengroßes bedürfnis, mit uns in kommunikation zu treten. sie wollen mit uns zusammen, mit den linken und demokratischen menschen in den reichen metropolen die verständigung über alle politischen und strategischen fragen des befreiungskampfes herstellen. die kämpfe in der ganzen welt müssen sich vernetzen und eine gemeinsame diskussionsgrundlage schaffen. angehörige der kurdischen befreiungsbewegung sagten uns, daß sie die neuen sozialen bewegungen, die frauenbewegung, die umweltbewegungen, die antikriegsbewegungen und die anderen bewegungen als ihre natürlichen und strategischen verbündeten betrachten.
immer wieder hörten wir von ihren bemühungen, sich neu zu orientieren, andere wege zu beschreiten. aus den erfahrungen des nationalen befreiungskmapfes, der guerilla, der organisierung in den elendsquartieren, den parteien. sie sprachen von der sich bei ihnen entwickelnden erkenntnis der notwendigen internationalen diskussion.
auch bei ihnen haben sich die gründe für den revolutionären umsturz vertausendfacht. für kein land konnte gesagt werden, daß sich die lebensbedingungen der menschen verbessert hätten. überall hat die zerstörung um sich gegriffen. armut, hunger, verslumung, krankheiten und umweltkatastrophen haben an ausmaß und schwerwiegenheit zugenommen.
aber es hat sich auch herausgestellt, daß die möglichkeiten dies zu ändern selbst dort gering erscheinen, wo die revolutionären kräfte stark sind oder sogar an der regierung waren wie in nicaragua. die machtverhältnisse in der welt sind eindeutig zu ungunsten der länder und völker im trikont. abgesichert wird das durch eine politische und militärische weltordnung, die so neu nicht ist. die USA, japan und die westeuropäischen staaten beherrschen dieses system. egal in welcher internationalen institution, ob UNO, weltbank oder die nord-süd-konferenzen.
vor diesem hintergrund geht es uns gegen den strich, vom "reformistischen minimalkonsens" der forderung nach schuldenstreichung zu reden, wie es der münchener AK tut, und dem eine "weitgehende antiimperialistische ausrichtung" gegenüberzustellen. für uns ist es vielmehr die frage, ob eine solche maßnahme den völkern im süden eine atempause verschaffen kann, ob zumindest der verelendungsprozeß verlangsamt wird. mehr wäre schuldenstreichung nicht. aber vielleicht ist es genau das, was gebraucht wird, um weitergesteckte zwecke verfolgen zu können. zum beispiel reparationszahlungen für die aus 500 jahren kolonisation und sklaverei ausgepreßten reichtümer.
neben diesen gibt es auch viele andere konkrete fragestellungen, die wir uns der gemeinsamen diskussion vornehmen können:
im letzten jahrzehnt hat sich die weltpolitische lage grundlegend verändert. was sind die erfahrungen nationaler befreiungskonzepte und haben sie noch bestand angesichts der veränderten weltlage?
was bedeutet das für einen nationalen befreiungskampf innerhalb der NATO-grenzen, wie ihn - völlig unterschiedlich - das kurdische, aber auch das baskische und das irische volk führen? angesichts einer anerkennungspolitik der BRD und der EG von jedem osteuropäischen kleinstaat vom baltikum bis zum balkan, - solange er in das kapitalistische und politische wirtschaftskonzept paßt?
was heißt das für kämpfe in den EG-kolonien?
wie diskutiert die linke diese fragen innerhalb lateinamerikas?
was bedeutet das etwa auch für eine revolution wie in eritrea, in der die nationale frage immer noch heißt, die kolonialen grenzen des 19. jahrhunderts zu revidieren?
was sind die erfahrungen der volksorganisationen wie der poder popular in el salvador und kolumbien, oder der autonomen formen der sozialen und medizinischen selbstversorgung auf den philippinen, der organisierung in den elendsvierteln in istanbul, oder der antirassistischen/kulturellen projekte des schwarzen ghetto-widerstandes in den USA oder der indigenas auf dem amerikanischen kontinent?
durch das ende der ost-west-konfrontation hat sich das ungleichgewicht und ungerechte verhältnis nur noch verschärft. viele genossinnen und genossen, bei uns - aber auch aus lateinamerika hörten wird -, haben deswegen die perspektive nationaler befreiungsbewegungen abgeschrieben. die konterrevolutionäre strategie ökonomischer erpressung in kombination mit contrakriegen hat in den meisten nationalbefreiten staaten gewirkt. ist dieser sieg in nicaragua eindeutig? wir müssen uns vor vereinfachungen hüten: in peru und kurdistan gewannen junge befreiungsbewegungen bei - oder trotz aller unterschiede - in den letzten zehn jahren fortlaufend an stärke.
der kapitalistische sieg über den sowjetstaatlichen sozialismus ist nicht das 'aus' für den sozialismus überhaupt. schon gar nicht das ende der geschichte, wie es die propagandisten der kapitalistischen demokratie verkünden. obwohl gerade die westdeutsche autonome und antiimperialistische linke großteils entwicklungen in osteuropa ignoriert hat, tun heute viele so als wenn sie ihr herz an die sowjetunion verschenkt hätten. es ist schwindel, die ursachen unserer eher desolaten situation im zusammenbruch des 'realen sozialismus', in der einverleibung der DDR, in der stärke, die der imperialismus daraus bezieht, zu behaupten.
der pessimismus der westdeutschen linken wurde von den genossinnen und genossen aus anderen ländern so gut wie gar nicht geteilt. sie vermittelten eher zuversicht - einen elan, der aus den schlüssen kommt, die sie aus der entwicklung und ihren kampferfahrungen ziehen. in lateinamerika ist es z.b. die konsequenz, sich viel stärker im regionalen und kontinentalen maßstab in diskussion, bündnissen und kampagnen zusammenzuschließen. dort ist das heute insbesondere die gegenmobilisierung zu den pompösen jubelfeiern der 500jährigen eroberung amerikas.
zu ganz paradoxen ergebnissen führt die immer engere verzahnung der verhältnisse in unseren ländern. die vom internationalen kapital favorisierte lebensweise mit der speziellen mischung aus hochdifferenzierter lohnarbeit, freizeitindustrie und konsum, single oder kleinfamilie ist höchstens gut für 1/10 der menschheit. die mehrheit muß ums tägliche überleben bangen. die wohlstandsinseln verteilen sich mitsamt allen attributen und statussymbolen über den ganzen globus. konzentriert im norden. umgekehrt breiten sich die elendsquartiere über die ganze welt aus - selbst in den reichen ländern.
das zu sehen redet nicht einer gleichsetzung des deutschen sozialhilfeempfängers mit der brasilianischen landarbeiterin das wort. zwischen beiden liegen welten ökonomischer ungleicheit; zwischen beiden liegen rassistisch und sexistisch begründete privilegien und benachteiligungen.
richtig ist aber auch, daß die welt heute einem internationalen reservatssystem gleicht. eine globale apartheid mit hunderten von homelands - und genauso rassistisch und ökonomisch abgegrenzt wie in südafrika. wir leben in einer welt, in der nicht nur drei, vier welten existieren, sondern x-verschiedene - immer weniger verschieden nach himmelsrichtungen, sondern eingesprengelt in die anderen. huidobro, eine tupamaro-genosse, meinte dazu, er könne uns die erste in der dritten welt zeigen, deutschland in uruquay mit audi quatro, luxuskonsum und PC's zu hause. und wir wüßten ja selber, wo hier die orte zu finden sind, zwischen deren welt und der welt des uruquayischen deutschland ein universum liegt.
diese elendsorte haben in deutschland nicht das ausmaß des trikonts. aber hinter den ostgrenzen des neuen deutschlands schaffen jahre unzulänglicher planwirtschaft und wenige monate marktwirtschaft eine gigantische elendskolonie. in ihr etablieren sich die wohlstandsinseln als von EG und NATO anerkannte staaten, z.b. die baltischen republiken oder slowenien. kein wunder also, daß die menschen überall auf der welt vor verhältnissen flüchten, die ihnen keine möglichkeit lassen unter menschenwürdigen bedingungen zu leben. millionen flüchten in die städte des trikonts. millionen flüchten dahin, wo sich der reichtum der welt sammelt: in den norden.
zur massenhaften republikflucht aus der DDR wurde in westdeutschland der begriff der "abstimmung mit den füßen" geprägt. die weltweiten fluchtbewegungen stimmen gegenwärtig über den weltweiten kapitalismus ab. seit der ersten entwicklungsdekade der UNO in den 60er jahren, haben sich die lebensbedingungen für die mehrheit der menschheit aufs extremste verschlechtert. vergleiche finden sich schon lange nicht mehr.auch für unsere europäischen länder bedeuten die internationalen veränderungen soziale und politische verschärfungen. revolten und explosionen in ghettos der französischen vorstädte und betonsilos gehören zu den trommelschlägen dieser zeit. neben den zonen der high-tech-produktion und des metropolitanen lifestyle, entstehen genauso armutsregionen. die auswirkungen in der BRD werden wir zigmal weniger zu spüren kriegen als die menschen im südlichen frankreich, in portugal oder in griechenland. die BRD ist der gewinner des europäischen zusammenschlusses. das 'mildert' die folgen für unseren lebensstandart. das sollten wir nicht vergessen.
europa ist groß geworden und darin das imperialistische deutschland. viele genossinnen und genossen aus anderen ländern schätzen die entwicklung so ein, daß die BRD im jahre 2000 die stärkste macht in der welt ist. wir wissen nicht, ob das so sein wird, aber jetzt schon ist klar, daß sich die europäischen großraumpläne des deutschen kapitals erfüllt haben. die osteuropäischen staatenwelt wird aufgeteilt und neugeordnet. die BRD mischt überall führend mit. in Jugoslawien hat sie im rahmen der EG faktisch ein hochkommissariat übernommen. der zusammenbruch der planwirtschaften ist hausgemacht, ergebnis u.a. jahrelanger schwindelei mit produktionsplänen korrupter eliten. ihre sozialismusvorstellungen kannten das volk nicht als subjekt, sondern nur als objekt staatlicher fürsorge, eben beglückung oder gängelung von oben. ihre herkunft aus sozialdemokratischen und preussischen sozialstaatsideen (bismarxismus, wie mühsam sagte) konnten sie abstreifen.
heute jedoch veranstalten die westlichen staatschefs und banker im einklang mit den 'nationalen führungen' in osteuropa einen polterabend, bei dem kaum ein stück heil bleiben wird.
über manche fragen wurden wir nachdenklich. so wurden wir auch gefragt, warum wir nicht zusammen mit den DDR-leuten für politische und soziale verbesserungen in ganz deutschland auf die straße gegangen sind. ja, vielleicht hätten sich die großdeutschlandverfechter dann nicht getraut, die DDR zur treuhandkolonie zu machen. vielleicht wäre auch eine ganz andere bundesrepublik herausgekommen.
aber es ist ein knackpunkt - so wie auch der golfkrieg und die zukünftige militärische 'verteidgung' in aller welt, und die abschottung der wohlstandsinseln gegen die flüchtlinge. wo werden wir sein? bei denjenigen, die das 'abendland verteidigen', wie jetzt schon ehemalige linke? oder werden wir zu denen gehören, die die 'festung europa' von innen knacken?!
wir sehen für eine neubestimmung des linken, radikalen kampfes sehr wohl genügend anlaß. wir können uns die erarbeitung dieser neubestimmung aber nicht vorstellen ohne in einem fluß von praxis und neuen erfahrungen zu sein. die 500 jahre/WWG-mobilisierung ist für uns eine form von praxis, bei der wir neue erfahrungen machen, impulse kriegen, gerade im austausch mit genossinnen und genossen aus anderen ländern, und auch die vagen konturen der neubestimmung, die wir ja alle schon irgendwie im kopf haben, überprüfen können.
in der menschheitsgeschichte waren sich zentrum und peripherie noch nie so nah. die wunden, die das system in uns geschlagen hat, sind tief, bei den menschen auf allen kontinenten. die machtpyramide, die weltweit und in jeder gesellschaft existiert, auf den kopf zu stellen, damit die letzten die ersten sein werden - steht auf der tagesordnung.
januar 1992