Am 04. Juni 2007 fand im Rahmen der Gipfelproteste in Rostock der Migrationsaktionstag statt. Verschiedene Aktionen machten auf die Situation von MigratInnen aufmerksam. Es fand eine Kundgebung in Rostock-Lichtenhagen statt, die Ausländerbehörde wurde blockiert, ein Lidl-Supermarkt wurde besucht und auf dem Uniplatz fand eine Dauerkundgebung statt mit Videoinstallationen etc. Und dann gab es noch eine Demo mit über 10.000 Menschen, die nicht weit kam. Sie wurde einfach für verboten erklärt. Hierzu eine Stellungnahme.
Stellungnahme zum vorzeitigen Ende der Migrations-Demonstration am 04.06.2007 in Rostock
Mit dieser Stellungnahme möchten wir die repressiven und willkürlichen Maßnahmen der Kavala und polizeilichen Einsatzkräfte im Rahmen des Migrationsaktionstages am 4. Juni in Rostock aufzeigen und protestieren hiermit auf das Schärfste dagegen.
Infos zum Ablauf:
Nachdem am Vormittag migrationspolitische Aktionen vor der Ausländerbehörde, einem Lidl-Supermarkt und in Lichtenhagen zur Erinnerung an den Pogrom im August 1992 stattfanden, sammelten sich ab 13:00 Uhr tausende Menschen trotz starker Behinderungen durch die Staatsgewalt vor dem Asylheim in der Satower Straße. Es gab eine Kundgebung, mit der auf die Situation von Flüchtlingen aufmerksam gemacht wurde. Viele Menschen, die an der angemeldeten Veranstaltung teilnehmen wollten, wurden durch die Polizei aufgehalten und effektiv daran gehindert. Mehrere BewohnerInnen des Flüchtlingslagers beteiligten sich an der anschließenden Demonstration.
Später sollte sich zeigen, dass die Durchführung der Demo von vornherein nicht geplant war, obwohl es eine genehmigte Anmeldung gab.
Nachdem sich die TeilnehmerInnen zu einem bunten, vielfältigen Zug formiert hatten, wurde die Demonstration von einem martialischen Polizeiaufgebot eingekreist – einige Räumpanzer und mindestens 8 Wasserwerfer wurden vor und hitner der Demonstration aufgefahren. Die Wasserkanonen zielten auf friedlich demonstrierende Menschen. Es gab keinerlei Hinweise auf gewalttätige Aktionen. Alle TeilnehmerInnen verhielten sich bis zur erpressten Auflösung und danach friedlich. Durch die Maßnahmen der Ordnungskräfte wurde jedoch bewusst ein Bedrohungsszenario aufgebaut. Die Demonstration verharrte eingekreist zwei Stunden auf der Stelle. Der einzige offene Ausweg war der angrenzende Friedhof!
Was war der Grund für die Einkreisung und Verzögerung? Die Einsatzleitung teilte den Veranstaltern mit, dass Kundgebungsteilnehmer Steine aus dem Gleisbett der Straßenbahn entnommen hätten, einige vermummt seien und es ca. 200 potentielle Gewalttäter gäbe.
Das Gleisbett, welches durchgehend von Polizeikräften gesichert wurde, war an einer Stelle offensichtlich zugänglich für DemonstrantInnen, da die Polizeikette ohne Angabe von Gründen einige Meter Platz machte. Mit Hilfe von Lautsprecherdurchsagen gelang es uns, die Teilnehmenden des Demonstrationszuges auf diese inszenierte Situation aufmerksam zu machen. Das Gleisbett wurde daraufhin nicht betreten. Offen bleibt die Frage, warum an der besagten Stelle die Polizeikette ihre Sicherungsaufgaben nicht wahrnahm.
Später wurde die fingierte Geschichte mit den entnommenen Steinen etwas anders dargestellt. Die Eingangs erwähnten Steine sollten nun angeblich von DemonstrationsteilnehmerInnen aus dem Gleisbett am Doberaner Platz entnommen worden seien. Der Doberaner Platz und seine Umgebung sind seit Anfang des Jahres komplett zubetoniert, da auch Busse die Wege der Straßenbahnen nutzen. Auch hier können wir nur von einer schlecht erdachten Fiktion seitens der Polizei ausgehen.
Gleichzeitig wurde der Presse mitgeteilt, dass sich 2.500 gewaltbereite Autonome in einem „schwarzen Block“ zwischen dem ersten und zweiten Lautsprecherwagen auf der Demo befänden. Dies entsprach in keiner Weise der Realität. Schwarze Kleidung war auch zu sehen, aber in einer alltagsüblichen Art und Weise. Nach einer Durchsage der Veranstalter wurden die vereinzelt vorhandenen Kapuzen, Halstücher und Sonnenbrillen abgelegt. Die polizeilichen Einsatzkräfte folgten der Durchsage jedoch nicht und provozierten weiterhin in ihrer vollständigen Kampfmontur. Aus Protest gegen die sich zuspitzende Situation, zogen sich einige TeilnehmerInnen aus, um gegen die überzogenen Entmummungsforderungen zu protestieren.
Das endlose und für die TeilnehmerInnen unerklärliche Warten und die Einkesselung der Demonstration wirkte alles andere als deeskalierend. Nach langwierigen Verhandlungen erhielten wir mit zwei Stunden Verzögerung die Erlaubnis, losgehen zu dürfen.
In der Parkstraße angekommen, wurde der Demonstrationsleitung mitgeteilt, dass die Versammlungsbehörde bzw. die Kavala die genehmigte Route kurzfristig geändert hat. Es sollte nun Richtung Karl-Marx-Straße gehen. Zur Unterstützung dieser Forderung wurden 8 Wasserwerfer, 2 Räumpanzer und unzählige Einsatzwagen aufgefahren. Als Grund wurde angegeben, dass diese Demonstration für lediglich 2.000 TeilnehmerInnen angemeldet worden sei und sich mehr als 10.000 Demonstranten versammelt hätten. Leider übernahm ein Großteil der Presse diese Meldung ungeprüft. Fakt ist, dass schon am 14. Mai die Demonstration für mindestens 5.000 Teilnehmer angemeldet wurde. Dazu wurde in einem mit der Kavala geführten Kooperationsgespräch die Route dieser Demonstrationsgröße entsprechend festgelegt und später auch mit dieser Streckenführung genehmigt.
Unklar bleibt, warum die Parkstraße, Stunden bevor der sie Demozug erreichte, in drei Reihen mit Einsatzfahrzeugen blockiert wurde. Der logistische Aufwand um die ca. 100 Fahrzeuge in dieser Straße zu positionieren, lässt vermuten, dass die Strecke von vornherein nicht wie geplant für den Demozug gedacht war. Hier müssen wir von einer gezielt betriebenen Desinformation und Hinhaltetaktik gegenüber Presse und Demoleitung ausgehen.
Aufgrund der zeitlichen Verzögerungen war es uns nicht möglich, über diese Route den Abschlusskundgebungsort rechtzeitig zu erreichen. Von Seiten der Veranstalter wurde eine verkürzte Alternativroute zum Stadthafen vorgeschlagen, auf die aber nicht eingegangen wurde. Vertreter des Anwaltlichen Notdienstes schlugen daraufhin vor, eine Spontandemonstration anzumelden, Die Einsatzleitung der Polizei meinte zu diesem Vorschlag, dass auch eine Spontandemo sofort unter Einsatz von Zwangsmaßnahmen aufgelöst werden würde. Das hätte bedeutet, die absolut friedlichen DemonstrantInnen direkt den Wasserwerfern auszusetzen.
Gegen 18:00 verkündeten die Veranstalter die erpresste Auflösung der Demonstration. Dem disziplinierten Verhalten der DemonstrationsteilnehmerInnen ist es zu verdanken, dass es nicht zu gewaltsamen Auseinandersetzungen nach der Demoauflösung kam.
Das Vorgehen der Kavala kommt einem Quasi-Verbot gleich und widersprecht den demokratischen Grundrechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Selbst einer der Einsatzleiter sagte: „Ich kann nichts machen, ich bin auch ein armes Schwein.“
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die polizeilichen Einsatzkräfte seit dem 02. Juni gezielt eine Desinformationspolitik gegenüber der Presse betreiben. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der angeblich “Chemikalien versprühenden Angehörigen der Clownsarmee”, die es auf dieser Demo gegeben haben soll. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es bei dieser gefährlichen Chemikalie um Seifenblasenwasser handelte und keine PolizistInnen deswegen in ärztlicher Behandlung waren.
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