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2007-02-16

Claudia Roth: Eine Sitzblockade ist für mich ziviler Widerstand

Klima und Abrüstung: Das sind Muss-Themen für den G8-Gipfel in Heiligendamm – meint Grünen-Vorsitzende Claudia Roth (51). Im OZ-Interview geht sie auch auf Formen des Protests ein.

OZ: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) plant, den Klimawandel zum Thema des G8-Gipfels in Heiligendamm zu machen. Klatschen Sie Beifall?

Roth: Unsere Kanzlerin hat eine bemerkenswerte Fähigkeit, Sein und Schein auseinanderfallen zu lassen. Sie mag grün reden, aber wenn es um konkrete Maßnahmen geht, wird's meist ziemlich dünne. Es ist entscheidend, was in den nächsten 15 Jahren passiert. Wir können bis 2020 den CO2-Ausstoß um 40 Prozent reduzieren. Die Kanzlerin blockiert hierbei.

OZ: Der britische Premier Tony Blair unterstützt Merkel bei der Vorgabe, dass sich die Erde bis 2100 nicht mehr als um zwei Grad erwärmen soll.

Roth: Was Merkel mit Blair angeregt hat, finde ich gut. Beim Gipfel sitzen die acht größten Klimasünder am Tisch. Alle wissen, was passieren wird, wenn sich die Erde um zwei Grad erwärmt. Küstenstädte sind in Gefahr, wahrscheinlich auch Rostock.

OZ: Läuft uns die Zeit weg?

Roth: Die Katastrophe kann jetzt noch verhindert werden. Aber es muss wirklich entschieden angepackt werden. Die Kerosinsteuer zum Beispiel. Da wären konkrete Schritte möglich. 70 Prozent des Energieverbrauchs gehen auf das Konto der großen Industriestaaten. Es muss auch klar mit Putin geredet werden. Es gibt keine Anzeichen, dass er sich bei der Klimapolitik öffnet. Sein Verhalten ist eine Provokation angesichts des Klimawandels.

OZ: Was ist Ihrer Meinung nach zu tun?

Roth: Auf erneuerbare Energien setzen, Energieeinsparung, Energieeffizienz. Das ist ein Riesenpotenzial. Nehmen Sie die Photovoltaik, da passiert sehr viel, ein enormer Wachstumsbereich. Eine große Chance. Deutschland muss hier weiter als Motor vorangehen. Aber die neue Regierung verspielt den Vorsprung, den Deutschland unter Rot-Grün erreicht hat. Stattdessen vergeht kein Tag, wo einer der CSU-Granden rückwärtsgewandt das Thema Atomkraft anspricht. G8 darf nicht der Renaissance-Gipfel der Atomkraft werden.

OZ: In Greifswald gibt es das Kernfusionsprojekt ITER. Die Risiken sind weit geringer als bei der Kernspaltung...

Roth: Die Risiken sind zwar geringer, aber was nützt uns eine Technologie, die frühestens in 50 Jahren funktionieren kann? ITER ist ein Irrweg.

OZ: Welche Themen müsste der Gipfel Ihrer Ansicht nach noch behandeln?

Roth: Eine große Frage ist doch: Wie sieht gerechte, soziale Globalisierung aus. Es sind die wichtigsten Industrieländer mit den meisten Rüstungsexporten und Rüstungsausgaben, die sich in Heiligendamm versammeln. Wir brauchen auch ein weltweites Verbot von Streubomben und Streumunition.

OZ: Inwieweit werden die Grünen sich an den Protesten der Gipfelgegner beteiligen?

Roth: Wir sind keine blinden Gipfelgegner. Man kann die G8 nicht einfach abschaffen. Wir wollen uns mit der Politik der G8 auseinandersetzen, bunt, kreativ, ohne Gewalt. Auch gemeinsam mit anderen, sei es mit Kirchen oder dem Globalisierungsnetzwerk Attac. Wir beteiligen uns am Alternativgipfel und an der Demo am 2. Juni.

OZ: Was ist für Sie Gewalt?

Roth: Also, eine Sitzblockade ist für mich ziviler Widerstand. So was ist eine Möglichkeit, das würde ich nicht als Gewalt bezeichnen. Aber Steine werfen, das ist natürlich tabu.

OZ: Die Grünen haben zum Kauf von japanischen Hybrid-Autos aufgefordert. Welches Auto fahren Sie?

Roth: Wenn es geht, fahre ich mit dem Zug. Aber das geht nicht immer. Heute zum Beispiel, da bin ich mit dem Dienstwagen hier.

OZ: Ein 5-er BMW. . .

Roth: Ja, von BMW gesponsert. Ein Diesel mit 6,7 Litern Durchschnittsverbrauch. Wir sind mit BMW im Gespräch, um verbrauchs- und schadstoffärmere Autos zu bekommen.

[http://www.ostsee-zeitung.de/archiv.phtml?SID=9f055ba750598dfd9d40c95c591e7362&Param=DB-Artikel&ID=2603184]