Offensichtlich will die Polizei die Beteiligung am Sternmarsch nach Heiligendamm (7. Juni) regulieren - oder von vornherein nicht genehmigen?
Auf einer öffentlichen Veranstaltung der Polizei in Steffenshagen (wenige Kilometer westlich Bad Doberans) verspricht Polizeihauptkommissar Ingolf Dinse, Sprecher der Sondereinsatzgruppe Kavala, dass die Polizei die Demonstration regulieren werde.
OZ: "Dinse winkt ab. 'Soviele lassen wir nicht durch'".
Angst vor Ansturm der Gipfelgegner
Die Einwohner um Heiligendamm sind in Sorge. Bis zu 200 000 Protestler werden zum G8-Treffen erwartet. Noch gibt es für sie keine Bleibe.
Steffenshagen (OZ) Info-Versammlung zum G8-Gipfel im Vorder Bollhagener Ortsteil Steffenshagen (Bad Doberan). Der kleine Raum in der Alten Schule platzt aus allen Nähten, selbst auf dem Gang stehen Leute. 100 von 250 Einwohnern sind gekommen. Sie treibt die Sorge: Was wird werden, wenn vom 6. bis 8. Juni Massen von Gipfelgegnern in ihre Ortschaften drängen?
„Es kann doch sein, dass die Fenster einwerfen, Autos oder andere Sachen beschädigen“, meldet sich ein junger Mann zu Wort. Immerhin liegt Vorder Bollhagen direkt am Zaun. Immer wieder werden Gipfelgegner versuchen, dort mit Aktionen auf sich aufmerksam zu machen.
Polizeihauptkommissar Ingolf Dinse, Sprecher der Sondereinsatzgruppe Kavala, versucht zu beruhigen. „Auf jeden Einwohner kommen drei Polizisten. Es werden genug Kollegen da sein, um Sie zu schützen.“
„Optimist!“ ruft jemand. Wer kommt für Vandalismusschäden auf? „Selbst wenn sie die Verursacher kriegen. Wenn der Täter nicht zahlen kann und nicht versichert ist, nützt uns das gar nichts.“
Soviel steht fest: Es wird hoch hergehen. Vom 2. bis 9. Juni hat Greenpeace Heiligendamm-Protesttage angekündigt. Vom 1. bis 9. Juni steht eine „Dauerversammlung“ in Doberan an. Ein Sternmarsch zum Sicherheitszaun am 7. Juni soll 30 000 Teilnehmer haben. „Laufen die alle durch unser Dorf?“, sorgt sich eine Frau. Dinse winkt ab. „Soviele lassen wir nicht durch.“
Trotzdem: Bis zu 200 000 Gipfelkritiker könnten während des Gipfels anreisen. Sie alle wollen möglichst nah am Ort des Geschehens sein: Heiligendamm. Größere Flächen für ein Camp der Protest-Gäste aber sind dort bislang nicht gefunden. Derzeit sind solche Gebiete am Rostocker Stadtrand (Dierkow, Toitenwinkel, Marienehe) im Gespräch.
„Die politisch Verantwortlichen vor Ort schieben die Entscheidung einfach weiter“, ärgert sich Dieter Rahmann, der eine Camp-AG der Globalisierungsgegner leitet. „Wenn wir keine geeigneten Flächen finden, werden viele sich wohl selbst ein Plätzchen suchen. Damit ist keinem geholfen.“
„Die campen dann wild“, vermutet Joachim Zander (54), Keramiker aus Hinter Bollhagen. Er fühlt sich allein gelassen. „Auf den Info-Abenden erzählen sie immer das Gleiche, aber nichts Konkretes, was uns beruhigen könnte. Ein schlüssiges Konzept, wie auch unsere Sicherheit gewährleistet werden kann, fehlt.“
Annett Linke-Gottwald (31), Bewohnerin eines Einfamilienhauses im Doberaner Kammerhof, findet es unverantwortlich, dass noch kein größeres Camp-Areal ausgewiesen ist. Hinter dem Neubaugebiet, unweit vom Zaun erstrecken sich Wiesen – ideal zum Nächtigen im Freien.
Alle Sorgen kann auch Dinse an diesem Montagabend in Steffenshagen nicht zerstreuen. Er sagt, dass nur ein Plattenweg von Vorder Bollhagen nach Steffenshagen führen wird und nur der Doberaner Landweg wieder hinaus. „Nehmen Sie immer ihren Ausweis mit“, rät er den Anwohnern. Wer Urlaubsgäste erwarte, solle einen Vertrag zuschicken. „Damit sie nachweisen können, wo sie hinwollen.“
Die nächsten Info-Veranstaltungen: 27. Februar Kühlungsborn (Morada-Hotel) und 28. Februar Bad Doberan (Stadthalle), jeweils 17 und 19 Uhr.
Näheres unter Tel. 0180/50 10 766
[http://www.ostsee-zeitung.de/archiv.phtml?Param=DB-Artikel&ID=2609014]