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09.06.2007

Legal Team erstattet Strafanzeige gegen verantwortliche Richter wegen Käfig-Haft

Pressemitteilung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV)

Freitag, 8.6.2007

Eine Vielzahl von während der Proteste gegen den G8-Gipfel festgenommenen wird in Käfigzellen in der Gefangenensammelstelle in der Rostocker Industriestraße festgehalten. Der anwaltliche Notdienst des RAV hat Strafanzeige gegen die verantwortlichen Richter wegen Freiheitsberaubung und Rechtsbeugung aufgrund dieser menschenunwürdigen Unterbringung der Gefangenen erstattet.

„Für dieses Vorgehen gibt es keinerlei Rechtsgrundlage. Menschen auf diese Weise in Käfigen unterzubringen verstößt eklatant gegen die Menschenwürde. Sie zusätzlich dabei zu filmen ist unerträglicher Voyerismus“, sagt Undine Weyers vom Anwaltlichen Notdienst.

Am 07.06.07 wurden dem anwaltlichen Notdienst die Bedingungen der Unterbringung in den Gefangenensammelstellen Industriestraße und Ulmenstraße bekannt. In einer großen Industriehalle sind käfigartige Zellen aus Metallgittern errichtet, in denen jeweils bis zu 20 Menschen festgehalten werden. Die provisorischen Zellen sind ca. 25 qm groß und von allen Seiten sowie von oben einsehbar. Frauen und Männer sind in gegenüberliegenden, direkt einsehbaren Zellen untergebracht. Die dort Festgehaltenen müssen auf dem Boden liegen, nur einigen wird eine ca. 1 cm dünne Gummimatte zur Verfügung gestellt. Decken werden nicht ausgegeben. Die Halle ist 24 Stunden beleuchtet und wird ununterbrochen per Video von Beamten gefilmt. Zudem beobachten weitere Polizeibeamte die nach oben offenen und mit Netzen überspannten Käfige regelmäßig. Den Festgehaltenen ist es nicht möglich zu duschen. Sie erhalten lediglich ein Stück Brot, eine Scheibe Wurst und auf Nachfragen Wasser. Die Beamten müssen nicht nur jeden Gang zur Toilette, sondern auch jeden Schluck Wasser protokollieren.

Die Umstände der Freiheitsentziehung müssen als menschenunwürdig und als unangemessene Behandlung im Sinne von Art. 4 EMRK angesehen werden. Die Freiheitsentziehungen sind deshalb rechtswidrig. Aufgrund dessen begaben sich am heutigen Vormittag VertreterInnen des Anwaltlichen Notdienstes zur Gefangensammelstelle Industriestraße, um die dort tätigen RichterInnen auf die menschenunwürdigen Umstände der Unterbringung aufmerksam zu machen und die sofortige Freilassung aller in der Gefangenensammelstelle befindlichen Gefangenen zu beantragen.

In den Gesprächen stellte sich heraus, dass die RichterInnen die Käfige bereits vor Beginn des G8-Gipfels in Augenschein genommen hatten. Der Direktor des Amtsgerichts teilte mit, die Umstände der Unterbringung seien für ihn kein Punkt, um über die Freilassung der Betroffen zu sprechen. Auch nach Ansicht der in den Gefangenensammelstellen tätigen RichterInnen seien die Bedingungen der Unterbringung nicht zu kritisieren. Für den anwaltlichen Notdienst kann das nur dahingehend gedeutet werden, dass die RichterInnen die Betroffenen in Kenntnis der Umstände in Haft gelassen haben. Sie haben die menschenunwürdige Unterbringung nicht zum Anlass genommen, um eine derartige Unterbringung sofort zu beenden, obwohl sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten.

Aus diesen Gründen haben drei AnwältInnen des Legal Teams am heutigen Nachmittag Anzeige gegen die zuständigen RichterInnen erstattet.

Für weitere Informationen erreichen Sie den Presseservice des Legal Teams/Anwaltlicher Notdienst unter den Telefonnummern: 01577-4704760, 0163-6195151, 0179-4608473.