2011-07-03 

Kein Telefon ist auch keine Lösung

Vorbereitung der Proteste gegen G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm per Funkzellenauswertung überwacht

Von Matthias Monroy

Rund eine Million Handy-Verbindungsdaten hatte sich die sächsische Polizei nach den Protesten gegen den Neonaziaufmarsch im Februar in Dresden von den Telekommunikationsprovidern besorgt. Die richterlichen Überwachungsanordnungen, die jetzt den sächsischen Landtag beschäftigen, waren kein Einzelfall: Die Durchsicht polizeilicher Ermittlungsakten zum G-8-Gipfel in Heiligendamm zeigt, daß Bundes- und Landesbehörden schon 2005 die Funkzellenauswertung (FZA) nicht nur zur Ausforschung von Protestaktionen, sondern zur Durchleuchtung der kompletten Bewegung genutzt hatten. Die FZA erfüllt Kriterien einer Rasterfahndung, da die erfragten Datenbestände nach zeitlichen und örtlichen Rastern ausgewählt werden.

Als rechtliche Grundlage dienten zwei inzwischen eingestellte Ermittlungsverfahren wegen »Bildung terroristischer Vereinigungen«, die am 9. Mai 2007 in einer spektakulären Durchsuchungswelle mündeten: Bundesanwaltschaft (BAW) und Bundeskriminalamt (BKA) verschafften sich hierfür Zutritt zu 40 Wohnungen und Büros in Berlin, Bremen, Hamburg und dem Land Brandenburg. Ermittelt wurde unter anderem wegen eines Anschlags auf das Gästehaus des Auswärtigen Amtes in Berlin-Tegel im Oktober 2005, für den »gruppen/militant people (mp)« die Verantwortung übernommen und die Aktion in den Kontext der Mobilisierung gegen den G-8-Gipfel gestellt hatte. Nur eine Woche später fand in der Hamburger »Universität für Wirtschaft und Politik« das erste »undogmatische linke Vorbereitungstreffen« statt, das mit rund 250 Teilnehmenden außerordentlich gut besucht war und den Beginn einer breit aufgestellten Gipfelbewegung versprach.

Bild: 9. Mai 2007

Zur Ausforschung der Zusammenkunft machten sich die Verfolgungsbehörden auf Vorrat gespeicherte Mobilfunkdaten zunutze: Laut Ermittlungsakten zu den Razzien vom Mai 2007 hatte das BKA beim Generalbundesanwalt die Herausgabe der »Verbindungsdaten der Funkzelle des Veranstaltungsortes in Hamburg« bestellt. Damit wurden alle Bewohner wie auch Besucher, die sich innerhalb von drei Tagen in der entsprechenden Gegend aufhielten, protokolliert. Das BKA wollte feststellen, »welche Personen, insbesondere aus dem Raum Berlin, an dem Treffen in Hamburg teilgenommen haben«.

Auch das zweite große Vorbereitungstreffen im Januar 2006, das in Berlin stattfand, wurde per Funkzellenauswertung ausgeforscht. Laut Ermittlungsakten hat das BKA überprüft, welche Telefone sowohl auf den Treffen als auch an Tatorten festgestellt werden können. Kriminalpolizisten gehen dabei von der äußerst unwahrscheinlichen These aus, daß die Ausführenden ihre Mobiltelefone bei der Tat angeschaltet mitführen. Ein ermittelnder Kommissar hatte nach einer kleineren Brandstiftung an einem Berliner Amtsgericht behauptet, die Aktivisten hätten über ein »Kommunikationsmittel« in Verbindung gestanden. Es dürfte sich hierbei um eine Schutzbehauptung handeln, da ansonsten ein richterlicher Beschluß zur Herausgabe der Daten fraglich wäre.

Kein Telefon ist allerdings auch keine Lösung, um dem Überwachungseifer zu entfliehen: Laut Ermittlungsakten findet es die Generalbundesanwaltschaft erst recht verdächtig, wenn Aktivisten ihre Telefone nicht zu Treffen mitnehmen, folglich also »scheinbar eine dauerhafte Überwachung vermutet« wird. Als weitere »konspirative Aktivitäten« gelten der Behörde »Mobiltelefone von den Akkus trennen, Verschweigen der eigenen Identität oder Verwendung von Pseudonymen«.