2011-06-07 

Berlin - Carlo Giuliani Demo am 16.Juli

Der Mord an Carlo Giuliani am 20. Juli in Genua war weder Anfang noch Ende der Gipfelproteste und linksradikalen Interventionen auf globaler Ebene. Jedoch war nach den Schüssen alles anders.
Die Proteste gegen ein WTO Treffen in Seattle 1999 gaben einer zu diesem Zeitpunkt siechenden außerparlamentarischen Opposition neues Leben. Der Gipfel in Prag im September 2000 war der Beginn einer europaweiten Vernetzung und Intensivierung kapitalismuskritischer Proteste, die sich nicht mehr auf das friedliche Latschen wie beim G8 1999 in Köln beschränken wollten.
Der Kapitalismus war in eine Legitimationskrise geraten, die mit neuen Widerstandsformen
aus Italien medienwirksam verschärft wurde. In diesem Sommer 2001 fand zunächst im Juni der EU Gipfel in Göteburg statt. Eine neue Generation junger Menschen machte die ersten Erfahrungen großer Auseinandersetzungen.

Pic: Solidarity for Carlo

Am 15. Juni geschah das Unerwartete: drei Demonstranten wurden durch Pistolenschüsse der schwedischen Polizei verletzt. Nun war klar, daß die Weltmächte nicht bereit waren die Aufbruchsstimmung junger Menschen zu dulden.
Der Medien waren von der Entschlossenheit der DemonstrantInnen in Göteburg schockiert und die Schockwellen gingen weiter.
Direkt nach dem Gipfel kam es in Dresden bei der "Bunten Republik Neustadt", einem Strassenfest, zu Kämpfen mit der Polizei und zwar nicht von Suffleuten sondern mit Graffiti, die auf Göteburg Bezug nahmen.
Der Summer of Resistance fand auch in England statt. In Bradford griffen migrantische Gangs die Aufmärsche von Rechtradikalen an.
Während sich also auf der einen Seite Hoffnung verbreitete, das jetzt etwas ganz anderes entstehen kann, zitterten die Mächtigen vor einer Allianz der unterschiedlichen Protestbewegungen.

In diesem Klima lief der G8 Gipfel in Genua an. Die USA hatten einen Präsident, den man verspottete wegen seiner Dummheit. Der italienische Regierungschef war einerseits eine Lachnummer aber auch ein knallharter Faschist. Er ließ bekannt geben, daß für den Gipfel Särge bestellt sein.
Die riesige und friedliche Demo migrantischer Gruppen am 19. Juni gab vielen das Gefühl an einer historischen Entwicklung teilzuhaben.
Dann folgte am 20. Juli der Schuß, der einen von uns tötete, Carlo Giuliani und am nächsten Tag der Sturm auf die Diaz Schule. Für alle war das etwas neues, man konnte also getötet werden wenn man zu einer Demo ging.
Sofort gingen in ganz Europa Polizeifahrzeuge in Flammen auf und Banken wurden gesmasht.
Sogar die Medien waren plötzlich auf Seiten der Globalisierungsgegner und gegen die Polizei.
Dann kam der 11. September und ein Krieg began, der bis heute andauert. Viele NATO Soldaten, die heute in Afghanistan sterben, waren 2001 noch Kinder, genauso wie viel linke AktivistInnen die jetzt den Hauptteil unserer Bewegung stellen.

Es ist also klar, das der 10. Jahrestag genutzt werden muß um die Erinnerung wach zu halten, die Fehler und gelungenen Aktivitäten zu analysieren sowie Kraft und Perspektive für die Zukunft zu schöpfen.
Eine Bewegung die ihre Toten vergißt, wird bald überflüssig sein.

Eine Demonstration ist die Aktionsform, die den meisten Menschen ermöglicht teilzunehmen.
Für die Menschen, die in Genua waren oder auch so wissen was Polizeigewalt bedeutet, wäre es eine bittere Pille, eine Demonstration bei jenen anzumelden, gegen deren mörderische Funktion demonstriert werden soll.
In Berlin gibt es keine Demos ohne Anmeldung. Es gibt mehr oder weniger klandestine Mobactions von manchmal 100 Menschen und angemeldete Demos. Nun birgt das Mobilisieren zu einer unangemeldeten Demo das Risiko, das die Polizei den Auftaktort - Lausitzer Platz - in Kreuzberg abriegelt um ein Sammeln zu verunmöglichen. Für diesen Fall wird es noch weiter Informationen geben.
Es ist auch möglich, das die Polizei ein Sammeln zuläßt um dann die Demo beim losgehen mit Gewalt auseinander zu treiben. Das Verhalten der Polizei dürft von der Anzahl der Menschen abhängen, die am 16. Juli für Carlo Giuliani demonstrieren wollen. Vielleicht ist es für den Berliner Senat ein geringeres Übel eine unangemeldete Demo zu zulassen als massiv Gewalt gegen viele Menschen einzusetzen und so einen Stadtteil ins Chaos zu stürzen.

Wann wenn nicht jetzt und aus welchem Anlaß wollen wir uns das Recht nehmen ohne Erlaubnis öffentlich unsere Meinung zu sagen wenn nicht am 10. Jahrestag der Ermordung Carlo Giulianis?
Sie können uns nicht alle erschiessen!

Was ihr machen könnt um diese Demonstration zu einem Erfolg werden zulassen, ist:

++ den Aufruf verbreiten oder eigene Aufrufe verfassen
++ Plakate und Graffitis ins Straßenbild bringen
++ Transparente und Fahnen zur Demo mitbringen
++ in Bezugsgruppen zur Demo erscheinen

Am 16. Juli werden sich auf jeden Fall viele Menschen in Kreuzberg die Freiheit nehmen der Ermordung von Carlo zu gedenken. Das ist nicht ohne Risiko und wenn Innensenator Körting die Bilder produzieren will, die wenn sie in der arabischen Welt passieren, als Niederschlagung einer Demokratiebewegung bezeichnet werden, dann wird er das schaffen.
Aber wir sind in der Überzahl und wir handeln ohne Befehl, deshalb werden wir gewinnen.