2011-06-02
Die Erinnerung an Carlo Giuliani lebt auch noch zehn Jahre nach seinem gewaltsamen Tod weiter.
Am 20. Juli 2001 fiel der Schuss, der bei so vielen Menschen auch heute noch Trauer, Wut oder Ohnmacht auslöst. Neben den gewaltsamen Blutorgien der italienischen Polizei und der Folter der inhaftierten Gipfelgegner war der Tod Carlo Giulianis der Höhepunkt der Repression gegen eine junge, sich international organisierende Bewegung aus Menschen unterschiedlichster Spektren. Die Frage, ob die Bilder aus Genua - die neben der Menschenverachtung der Herrschenden auch den Mut und die Entschlossenheit Tausender zeigen - einen Wendepunkt dieser Bewegung markieren oder zu noch mehr Einsatz aufgerufen haben, mag jeder für sich selbst entschieden haben. Dass die Geschichte die wir geschrieben haben und noch schreiben, aber auch immer eng verknüpft ist mit dem Weg, den die herrschende Logik geht, macht die Erinnerung für unsere Zukunft wichtig. Auch für die kommenden Generationen werden die internationalisierte Polizeiarbeit, der europaweit funktionierende Repressionsapparat überhaupt und die gewaltbereitschaft der Politik gegen Basisbewegungen ihre Relevanz behalten. Carlo ist in diesem Kontext zum Symbol geworden - nicht nur für die, die Genua miterlebt haben, sondern auch für jüngere Menschen, für die Genua reine Geschichte ist.
In Berlin zeichnet sich derweil ab, dass zehn Jahre Genua für viele Grund genug sind, die Erinnerung nicht nur bei sich selbst aufzufrischen. So organisierten bespielsweise verschiedene Gruppen hinter dem besetzten Flügel des Bethanien den "Park Carlo Giuliani". Unter dem Konterfei Carlos feierten hunderte Menschen den revolutionären ersten Mai.
Bei den dezentralen Aktionen zum G8-Gipfel in Frankreich vor wenigen Tagen wurde auf der Berliner Demonstration in einem Redebeitrag an Carlo erinnert und auch viele Parolen drehten sich um das Thema "Carlo Giuliani unvergessen". In Begleitung der Demonstration wurden auch Sticker hergestellt und geklebt die zur Erinnerung aufrufen.
Für den 20. Juli - also den Jahrestag selbst - kursieren seit einiger Zeit Flyer, die zu Aktionen aufrufen.
Da der 20. Juli auf einen Mittwoch fällt soll nun aber am Samstag davor, am 16. Juli, eine Demonstration laufen. Offen wird dazu aufgerufen, sich um 22 Uhr am Lausitzer Platz in Kreuzberg zu versammeln. In Erinnerung an Carlo Giuliani ist es nicht möglich, in Zusammenarbeit mit der Berliner Polizei, die auch in jüngster Vergangenheit selbst für ideologisch motivierte Morde verantwortlich ist, diese Demonstration zu veranstalten. Es ist ein Zeichen nötig, der Polizei zu zeigen, dass sie keine akzeptierte Gewalt darstellt und ausübt. Die selbe Logik, die zur Kooperation, zu bürgerlich angepasstem Verhalten gegenüber dem Staat führt, machte es möglich, dass der Carabinieri in Genua seine Waffe auf Carlo richtete und durchzog.
Es ist zu erwarten, dass es vielen Menschen ein Anliegen ist, den zehnten Jahrestag seines Todes würdig zu gestalten. Da es ohne Anmeldung jedoch nicht möglich ist, eine der sonst so gewohnten Demos zu gestalten, kommt es auf die Initiative und Motivation der Teilnehmenden an. Niemand wird bereit sein, einen Lautsprecherwagen dem Risiko der Beschlagnahme auszusetzen; dafür wird auch niemand bereit sein, über die Legitimation einer Gedenkendemo für Carlo Giuliani mit der Staatsmacht zu debatieren.
Organisiert den Jahrestag! Alle nach Berlin! Carlo Giuliani unvergessen...