2011-03-24
Urteil zehn Jahre nach Todesschuss bei Gipfel in Genua
Knapp zehn Jahre nach dem gewaltsamen Tod eines Demonstranten beim G-8-Gipfel in Genua hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Italien von jeder Verantwortung freigesprochen. Der Einsatz von Gewalt gegen die Gruppe von Demonstranten sei “absolut notwendig” gewesen, befanden die Straßburger Richter am Donnerstag. Der 23-jährige Carlo Giuliani war durch einen Kopfschuss gestorben, den ein junger Polizist abgegeben hatte.
Der Polizist habe sich und seine Kollegen in Lebensgefahr geglaubt, begründeten die 17 Richter ihre Entscheidung. Außerdem habe der Todesschütze als Warnung an die Demonstranten seine Waffe hochgehalten und erst geschossen, als die Angriffe auf die Polizei nicht aufhörten. “Unter diesen Umständen war der Einsatz einer möglicherweise tödlichen Verteidigungsmaßnahme wie der Schüsse gerechtfertigt”, lautete das Urteil.
Der junge Demonstrant war nach dem Schuss, durch den er nach den Erkenntnissen der Straßburger Justiz gleich starb, noch von einem Geländewagen der Polizei überfahren worden. Hunderte Menschen wurden bei Zusammenstößen zwischen Globalisierungsgegnern und der Polizei am Rande des Gipfels im Juli 2001 verletzt.
Die Umstände des Todes von Giuliani hatten scharfe Kritik an der Regierung des damaligen und heutigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi hervorgerufen. Die Eltern und die Schwester des getöteten Demonstranten warfen Italien vor, unverhältnismäßig hart gegen die Demonstranten vorgegangen zu sein. Außerdem kritisierten sie, dass Italien keine wirklichen Ermittlungen gegen den Todesschützen geführt habe.
Eine kleine Kammer des Straßburger Gerichts verurteilte Italien im August 2009 zunächst wegen der mangelhaften Untersuchung der Todesumstände. Diese Entscheidung hob die Große Kammer, deren Urteil endgültig ist, nun auf. Die Ermittlungen seien ausreichend gewesen, befand sie. Die italienische Regierung habe den Klägern Zugang zu den Unterlagen ermöglicht, die Untersuchung sei schnell erfolgt und die Ermittler seien unabhängig gewesen. Auch den Vorwurf, die Polizisten seien nicht genug ausgebildet gewesen, wiesen die Richter zurück. Die 18.000 Polizisten, die damals im Einsatz waren, hätten entweder Sondereinheiten angehört oder eine Sonderausbildung absolviert.
Eine Vertreterin der italienischen Regierung begrüßte die Entscheidung als “zufriedenstellend”. Die Angehörigen Giulianis waren bei der Urteilsverkündung nicht anwesend. Das Urteil des Menschenrechtsgerichts ist das zweite innerhalb einer Woche, das zugunsten Italiens ausfällt. Am vergangenen Freitag hatte die Große Kammer verfügt, dass die Kruzifixe in italienischen Klassenzimmern hängen bleiben dürfen und damit die Klage einer Familie endgültig abgewiesen.