2011-02-19 

G-8-Gipfel 2005 - Berlin schickte fünf Spitzel nach Schottland

Von Veit Medick und Marcel Rosenbach

Deutschland schickt nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen regelmäßig Undercover-Beamte ins Ausland, um linke Strukturen zu unterwandern. Zum G-8-Gipfel in Gleneagles entlieh Berlin offenbar gleich fünf verdeckte Ermittler. Der Fall ist Ausdruck eines europaweiten Trends.

Berlin – Als der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA) kürzlich in vertraulicher Runde des Bundestags-Innenausschusses auftrat, sprach Jörg Ziercke über eine heikle Angelegenheit: den Fall des Briten Mark Kennedy. Der britische Undervocer-Polizist, der unter dem Alias “Mark Stone” jahrelang die linke Szene in Europa ausspähte und im Januar aufflog, sei auch in Deutschland aktiv gewesen, etwa rund um den G-8-Gipfel in Heiligendamm. Deutsche Landesbehörden, so räumte Ziercke ein, hätten den Spitzel eigens angefordert.

Doch der umstrittene Einsatz des Briten war offenbar keine Einbahnstraße. Auch Deutschland schickt regelmäßig verdeckte Ermittler ins Ausland, um Linksaktivisten zu unterwandern. Dies geht aus dem SPIEGEL ONLINE vorliegenden vertraulichen Protokoll der Innenausschuss-Sitzung von Ende Januar hervor.

So seien deutsche verdeckte Ermittler etwa 2005 beim G-8-Gipfel im schottischen Gleneagles im Einsatz gewesen. Berlin habe damals mehrere Undercover-Beamte zur Verfügung gestellt, die unter Führung der britischen “National Public Order Intelligence Unit” (NPOIU) aktiv gewesen seien, sagte Ziercke dem Protokoll zufolge. Die genaue Anzahl der deutschen Beamten ist in dem Papier nicht vermerkt. Sie ist aber offenbar auffallend hoch: Teilnehmer der Sitzung erinnern sich, dass der BKA-Chef im Fall von Gleneagles von fünf verdeckten Ermittlern gesprochen habe.

“Stets Lob von Seiten der Politik”

Das Geschehen rund um den damaligen G-8-Gipfel könnte nun in einem neuen Licht erscheinen. In Gleneagles war es zu teils heftigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Linke, globalisierungskritische Gruppierungen hatten damals Tausende Protestler mobilisiert, die zeitweise den Verkehr lahmlegten, Scheiben von Autos einwarfen und Polizisten mit Steinen angriffen. Die Sicherheitskräfte reagierten entsprechend hart.

Die geheimen Operationen in Gleneagles scheinen Teil einer europaweiten Entwicklung zu sein: Der Austausch von Undercover-Ermittlern wird inzwischen offenbar in großem Stil gepflegt. Die Polizeien in den EU-Mitgliedstaaten unterstützten sich gegenseitig, indem man “die Szene in die jeweiligen Länder begleite”, wird Ziercke in dem Sitzungsprotokoll wiedergegeben, etwa “was Euro-Anarchisten, militante Linksextremisten und -terroristen angehe”.

Diese Form des Austausches gebe es darüber hinaus bei Themen wie Hooligans, im Umfeld von Weltmeisterschaften oder bei anderen großen Sportereignissen. Für diesen Einsatz der Polizeien aus anderen Ländern würde man “auch stets Lob von Seiten der Politik bekommen”, so Ziercke dem Protokoll zufolge.

Auch der BKA-Chef selbst sieht in dem Beamtenaustausch offenbar ein sinnvolles Instrument. Man könne der organisierten und konspirativen Vorgehensweise internationaler Netze nur begegnen, in dem man “genauso international und konspirativ” agiere, sagte er. Allerdings, so Ziercke, sehe er einen “Bedarf, über die Kontrolle solcher Einsätze weiter nachzudenken”.